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Die Erde von morgen

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Die verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen in ihren Klimamodellen zwar zu unterschiedlichen Ergebnissen, doch ihr Ausgangspunkt in der Vergangenheit ist fast immer derselbe: Sie beziehen sich auf die durchschnittliche Erdtemperatur am Ende des 19. Jahrhunderts, also ungefähr im Jahr 1880. Mit dieser Temperatur wird der Temperaturanstieg bis heute verglichen.

Im Jahr 2016 haben fast 200 Staaten das sogenannte Pariser Abkommen unterzeichnet, das einen Teil der »Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen« bildet. Mit dem Pariser Abkommen wurde beschlossen, den Treibhausgasausstoß so weit zu verringern, dass die Erdtemperatur nicht mehr als 2 Grad Celsius über den Wert ansteigt, den sie vor Beginn der Industrialisierung hatte. Besser noch: Man will sich bemühen, den Anstieg auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Die Expertinnen und Experten glauben, dass das der niedrigste Wert ist, den wir erreichen könnten.

Der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad Celsius erscheint zunächst gering, doch er macht viel aus. Im September 2018 veröffentlichte der Weltklimarat – eine Gruppe von Experten, die von den Vereinten Nationen 1988 einberufen wurde, um die wissenschaftlichen Informationen über den menschengemachten Klimawandel zu sammeln – einen Bericht, in dem die Auswirkungen der Erderwärmung von 1,5 Grad mit denen von 2 Grad verglichen wurden. Die Unterschiede sind beträchtlich.

Bei einer Erderwärmung von 2 Grad würde die Zahl der Menschen, die womöglich alle 5 Jahre einer extremen Hitzewelle ausgesetzt wären, um 1,7 Milliarden höher sein als bei einer Erwärmung von 1,5 Grad. Und der Meeresspiegelanstieg würde zusätzliche 10 Zentimeter betragen. Man sieht also, wie sinnvoll es wäre, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Aber wie stehen dafür die Chancen?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat sich die Welt gegenüber dem 19. Jahrhundert bereits um 1 Grad erwärmt. Die Weltorganisation für Meteorologie, die die Temperaturen aufzeichnet, sagt in ihren Projektionen, dass wir uns auf dem besten Weg befinden, die Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 3 bis 5 Grad aufzuheizen. Wie wir gesehen haben, war 2019 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, und das Jahr 2020 – in dem wir dieses Buch schreiben – dürfte eins der fünf wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden.

Die Temperaturen sind allerdings nicht die einzigen Messdaten, auf die es ankommt. Im November 2019 hieß es in einem Bericht der Wetter- und Ozeanografie-Behörde der USA (NOAA), dass der Meeresspiegel seit 1880 weltweit um 21 bis 24 Zentimeter angestiegen sei. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts betrug die Erhöhung des Meeresspiegels größtenteils etwa 1,4 Millimeter pro Jahr. Von 2006 bis 2015 erhöhte er sich jedoch um durchschnittlich 3,6 Millimeter pro Jahr. Das heißt, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels ebenso beschleunigt wie der Anstieg der Temperaturen.

Warum 1880?

Der Bezugswert für den Klimawandel

Die meisten Staaten der Welt haben sich mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderwärmung auf 2 Grad über den Wert in vorindustrieller Zeit zu begrenzen – wenn möglich, sogar auf 1,5 Grad. Aber was ist mit »vorindustrieller Zeit« gemeint?

Im Text des Pariser Abkommens wird »vorindustriell« nicht genauer beschrieben. Gemeint ist ganz allgemein die »Erdtemperatur vor dem Beginn moderner, von fossilen Brennstoffen betriebener Industrien«. Wie wir in Kapitel 4 zeigen werden, begann das Industriezeitalter bereits um das Jahr 1770. Deshalb wäre das zu der damaligen Zeit herrschende Weltklima der beste Ausgangswert, um den Klimawandel deutlich zu machen.

Doch leider gibt es für die Jahre vor 1850 nur wenige Messdaten zum Wetter. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können frühere Temperaturbereiche ableiten, zum Beispiel aus Wachstumsringen von Bäumen. Oder sie analysieren Eisbohrkerne – das sind lange Eisröhren, die man in Regionen wie Grönland oder der Antarktis aus dem Eis gebohrt hat. Unter Einberechnung des jeweiligen Stands der Sonne im Verhältnis zur Erde und der von Vulkanausbrüchen stammenden Teile von Asche und anderen Partikeln in der Luft nutzen sie dann die Computermodelle, um die Temperaturen früherer Epochen zu schätzen. Aus praktischen Gründen stützen sich die meisten Klimaforscher jedoch auf die Jahre 1850 bis 1900 oder 1880 bis 1900 als Ausgangspunkt, denn erst in dieser Zeit begannen verlässliche Aufzeichnungen der Welttemperaturen.

Da eine gewisse Erwärmung bereits eingesetzt hat und sich zukünftig fortsetzen wird, lässt sich ein Anstieg des Meeresspiegels nicht vollständig verhindern. Wenn der schlimmste Fall eintritt und unsere Treibhausgase auf dem gegenwärtigen Stand bleiben, wird der Meeresspiegel im Jahr 2100 um bis zu 2,5 Meter höher sein als im Jahr 2000. Dies hätte die Überschwemmung vieler Küstengebiete und die Zerstörung Dutzender großer Städte zur Folge. Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen wären gezwungen, in andere Städte oder sogar in andere Länder zu fliehen.

Wenn wir nichts dagegen übernehmen.

Würde die Menschheit ihren Treibhausgasausstoß so weit wie möglich senken, könnten die Erderwärmung und damit die Eisschmelze stark verlangsamt werden. In einer Projektion der NOAA heißt es, dass der Anstieg des Weltmeeresspiegels im Jahr 2100 dann keine 2,5 Meter betragen wird, sondern 33 Zentimeter. Das ist ein riesiger Unterschied und zugleich auch der Grund, weshalb sich junge Menschen wie Greta Thunberg so sehr über Politiker ärgern, die nicht die nötigen Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel aufzuhalten.

Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist allerdings eine echte Herausforderung. Wie es in der Studie des Weltklimarats heißt, muss zu diesem Zweck der Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2030 nahezu halbiert und bis zum Jahr 2050 ganz eingestellt werden. Und das nicht nur in einem Land auf der Erde.

Was ist nötig, um das zu erreichen? Kohlendioxid ist das Treibhausgas, das am meisten zur Erderwärmung beiträgt. Es entsteht, wie gesagt, wenn wir Holz, Kohle, Öl und Gas verbrennen, also beim Autofahren und Fliegen, beim Roden von Wäldern, in vielen industriellen Produktionsprozessen und beim Betreiben von Kraftwerken, die Energie aus fossilen Brennstoffen erzeugen.

Da der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre bereits viel höher ist, als gut wäre, müssen wir in Zukunft große Mengen davon einsparen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Mittlerweile gibt es Technologien, mit deren Hilfe Kohlendioxid (oder CO₂, wie die chemische Formel lautet) abgeschieden und gespeichert werden kann. Wie wir in Kapitel 7 sehen werden, haben diese Methoden jedoch ihre Grenzen. Oder wir benutzen die herkömmliche Technik und pflanzen Milliarden von Bäumen und andere Pflanzen, die der Atmosphäre CO₂ entziehen und sie mit Sauerstoff anreichern. Dies alles reicht jedoch nicht aus. Der Bericht des Weltklimarats besagt, dass wir, um unser Ziel zu erreichen, rasche »Änderungen in allen Bereichen der Gesellschaft« vornehmen müssen.

Was unverzüglich geändert werden sollte, ist die Art und Weise, wie wir Energie gewinnen, wie wir unsere Nahrung erzeugen, wie wir uns von einem Ort zum anderen bewegen und wie wir unsere Gebäude bauen. Zum Beispiel könnten wir fossile Brennstoffe durch saubere erneuerbare Energien ersetzen, die aus Wind- und Sonnenkraft gewonnen werden, ein Netz von elektrisch betriebenen Schnellzügen aufbauen, um einen Teil der Fahrten mit Auto und Flugzeug zu ersetzen, und Wohn- und Bürogebäude entwerfen, die mit weniger Energie beheizt und gekühlt werden.

Aber es reicht nicht aus, nur die Energieerzeugung zu ändern. Wir müssen uns gleichzeitig auch bemühen, weniger Energie zu verbrauchen. Viele Autofahrten ließen sich vermeiden, wenn öffentliche Verkehrsmittel besser ausgebaut und vielleicht sogar kostenlos wären. Und weil auf jedem Abschnitt der Erzeugung und des Transports aller von uns gekauften Waren (selbst von umweltschonend produzierten) Energie verbraucht wird, könnten wir uns überlegen, weniger zu kaufen und zu konsumieren.

Es ist die größte Aufgabe, vor der die Menschheit je stand. Können wir sie bewältigen?

Noch ist es Zeit, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – doch nur, wenn wir uns jetzt an die Arbeit machen.

How to Change Everything

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