Читать книгу How to Change Everything - Naomi Klein - Страница 4

Vorwort Am Riff

Оглавление

In meiner Kindheit verbrachte ich viel Zeit unter Wasser. Als ich sechs oder sieben war, lernte ich bei meinem Vater das Schnorcheln, und die Erinnerungen daran gehören zu den glücklichsten meines Lebens. Ich war ein schüchternes Mädchen und oft unsicher. Aber es gab einen Ort, an dem das alles von mir abfiel, wo ich mich stets frei fühlte: das Meer. Den darin lebenden Geschöpfen ganz nahe zu kommen hat mich immer fasziniert.

Wenn man auf ein Korallenriff zuschwimmt, ergreifen die Fische für gewöhnlich sofort die Flucht. Doch wenn man sich ein paar Minuten still verhält und ruhig durch das Luftrohr atmet, wird man für sie zu einem Teil der Meereslandschaft. Dann schwimmen sie direkt auf die Maske zu oder knabbern sanft an der Haut deines Arms. Solche Augenblicke kamen mir immer vor wie im Traum. Alles war so friedlich.

Als ich Jahre später aus beruflichen Gründen nach Australien reiste, wollte ich meinem vierjährigen Sohn Toma dasselbe Erlebnis verschaffen, das mich als Kind so begeistert hatte. Das Meer mag an der Oberfläche vielleicht wenig aufregend oder sogar eintönig wirken, wenn man aber abtaucht, lernt man eine ganz neue bunte Welt kennen.

Toma hatte gerade schwimmen gelernt, und für mich war es der allererste Ausflug zum Great Barrier Reef. Es ist das größte aus Lebewesen bestehende Gebilde der Erde und besteht aus Millionen und Abermillionen kleiner und kleinster Geschöpfe.

Wir fuhren mit einer Filmcrew und einem Wissenschaftlerteam, das die Korallen bereits seit längerem untersuchte, zu dem Riff. Ich war mir nicht sicher, ob die Korallen Toma wirklich interessieren würden, aber dann war er von ihrem Anblick unglaublich begeistert. »Ich habe Nemo gesehen«, verriet er mir hinterher. Er entdeckte eine Seegurke, und wahrscheinlich hatte er auch eine Meeresschildkröte gesehen.

Als ich ihn am Abend in unserem Hotelzimmer ins Bett brachte, sagte ich: »Heute hast du herausgefunden, dass es unter Wasser eine geheimnisvolle Welt gibt.« Er blickte auf, und das Strahlen in seinem Gesicht zeigte mir, dass er es verstanden hatte. »Ich hab sie gesehen«, antwortete er.

Ich empfand Freude, aber auch Kummer, denn ich wusste, dass die Schönheit dieser Welt, die mein kleiner Sohn gerade erst zu entdecken begann, immer mehr verschwindet.

Für mich war das Great Barrier Reef das aufregendste Naturschauspiel, das ich je erlebt hatte – die Farbenpracht der Korallen, die Meeresschildkröten, die exotischen Fische überall. Zugleich aber war das Riff auch das Erschreckendste, was mir je unter die Augen gekommen war, weil große Abschnitte – Abschnitte, die ich Toma nicht zeigte – tot waren oder im Sterben lagen.

Diese Riff-Abschnitte kamen mir vor wie Friedhöfe. Da ich mich als Journalistin mit dem Thema Umweltzerstörung und Klimawandel beschäftigt hatte, wollte ich über das Riff schreiben. Mir war bekannt, was hier vor sich ging. Die Korallen sind von einer Krankheit befallen, die man »Massenbleiche« nennt. Zu diesen Bleichen kommt es in Zeiten, wenn die Wassertemperaturen sehr hoch sind. Die Korallen werden dabei gespenstisch weiß wie Knochen. Wenn die Temperaturen rasch wieder sinken, können sie sich erholen. Doch im Frühjahr 2016 hielten die hohen Temperaturen monatelang an. Ein Viertel des Riffs starb ab und wurde zu einem braunen fauligen Schwamm. Über die Hälfte des Riffs war ebenfalls schon angegriffen.

Für ein solch massives Sterben des Great Barrier Reef bedurfte es keiner großen Erwärmung des Pazifischen Ozeans. Die Meerestemperatur stieg nur um 1 Grad Celsius über das Niveau, in dem diese Korallen leben können. Das reichte für das Sterben und den Tod von großen Teilen des Riffs.

Aber es sind nicht nur die Korallen, die unter der Bleiche zu leiden haben. Viele Fischarten und andere Meeresbewohner sind angewiesen auf die Korallen, als Lebensraum und als Nahrungsquelle. Und viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt sind angewiesen auf die Fische, weil sie sich von ihnen ernähren oder mit Fischfang ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Sterben der Korallen hat also weitreichende Folgen. Traurigerweise ist das große australische Riff nicht das Einzige, was im Sterben liegt. Denn die Temperaturen steigen überall, und das verändert unsere Welt. In dem Buch, das ihr in Händen haltet, geht es um diese Veränderung. Es handelt davon, warum die Temperaturen steigen, wie dieser Anstieg das Klima verändert und dem Planeten Schaden zufügt, auf dem wir alle zusammen leben. Das Buch zeigt aber auch – und das ist das Wichtigste –, was wir dagegen tun können.


© Toby Hudson, Wikimedia, CCA-SA 3.0

Das pulsierende Leben eines gesunden Korallenriffs.


© Sergio Llaguno/Dreamstime.com

Durch zu warmes Wasser gebleichte Korallen sterben und werden braun, wenn sich das Meer nicht rasch wieder abkühlt. Sobald ein Riff abstirbt, kann es anderen Arten nicht mehr als Lebensraum dienen.

Jeder und jede Einzelne sollte sich darum bemühen, dass die Umweltverschmutzung, die unser Klima verändert, verringert wird. Alle zusammen müssen wir den Klimawandel bekämpfen, um die Natur und den ganzen Planeten, der unsere Lebensgrundlage ist, zu schützen. Aber es geht um noch mehr.

Vieles, was mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist ungerecht. Ungerecht ist zum Beispiel, dass er jungen Menschen wie meinem Sohn Toma einen gesunden, sauberen Planeten vorenthält. Und euch genauso! Ungerecht ist überhaupt, dass der Klimawandel die Menschen in unterschiedlichem Maße trifft. Arme Gemeinschaften und Minderheiten leiden unter den Auswirkungen weitaus mehr als andere. Deshalb geht es in diesem Buch auch um Gerechtigkeit und Fairness, darum, wie wir nicht nur die Umweltverschmutzung reduzieren, sondern auch, wie wir eine gerechtere Welt für alle erschaffen können.

Ihr und eure Generation habt nichts zu diesem Klimawandel beigetragen. Aber ihr und die Generationen nach euch werdet mit ihren schlimmen Auswirkungen leben müssen. Es sei denn, wir ändern die Dinge.

Ich habe dieses Buch geschrieben, um euch zu zeigen, dass diese Veränderungen möglich sind. Doch gerade als ich am Schluss des Buches angelangt war, passierte etwas völlig Unerwartetes. Eine ansteckende Krankheit breitete sich aus, verursacht durch eine bisher nicht bekannte Variante des Corona-Virus. Anfang 2020 entwickelte sich dies zu einer Pandemie, das heißt, die Krankheit trat in fast allen Ländern der Welt auf. Die Ansteckungs- und Todesraten schossen in die Höhe. Fast überall auf der Welt mussten die Menschen strenge Regeln einhalten. Sie mussten zu Hause bleiben und Kontakte zu anderen meiden, damit sich die Ausbreitung des Virus verlangsamte. In vielen Ländern wurden die Schulen geschlossen, die Kinder mussten sich an das Lernen zu Hause gewöhnen und vermissten ihre Freunde.

Ich habe daher dem Buch am Ende einen Text hinzugefügt, in dem ich beschreibe, was wir – alle Menschen auf der Welt – aus dieser Pandemie lernen können.

Doch wenn ihr die nun folgenden Kapitel lest, vergesst nicht: Die Corona-Pandemie hat das Thema »Klimawandel« vielleicht aus den Zeitungen und aus dem Fernsehen verdrängt, aber damit ist die Gefahr natürlich nicht vorbei, und die Bewegung, die dafür kämpft, die Katastrophe aufzuhalten, ist auch immer noch da.

Auch jetzt, während der Corona-Pandemie, ist die Umweltschutzbewegung aktiv, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Klimawandel zu bekämpfen – und zugleich auch eine gerechte und lebenswerte Zukunft für alle möglich zu machen. Das nennt man »Klimagerechtigkeit«. Und junge Menschen sind nicht nur Teil dieser Bewegung, sondern sie führen sie an und weisen ihr den Weg.

Willst du dich ihnen anschließen?

Ich hoffe, dieses Buch wird euch helfen, eine Antwort darauf zu finden. Es soll euch informieren, viel mehr aber noch inspirieren und ganz konkret das Werkzeug an die Hand geben, um aktiv zu werden.

In Teil eins beschreibe ich, was junge Menschen schon heute gegen den Klimawandel und im Einsatz für soziale Gerechtigkeit unternehmen, zu der auch ethnische und wirtschaftliche sowie Geschlechtergerechtigkeit gehören. Im zweiten Teil beschreibe ich, was wir über den gegenwärtigen Zustand des Klimas wissen und welche Ursachen der Klimawandel hat. In Teil drei geht es um euch und darum, welche Schritte ihr unternehmen könnt. Ihr werdet sehen, dass ihr nicht allein seid, denn ihr werdet auf den folgenden Seiten junge Aktivistinnen und Aktivisten aus der ganzen Welt kennenlernen, die sich für den Schutz unseres Planeten und zugleich für Klimagerechtigkeit einsetzen.

Es kann einem Angst machen, wenn man sich mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt, doch lasst euch davon nicht abschrecken. Denn Tatsache ist auch, dass wir noch immer etwas gegen den Klimawandel unternehmen können. Das ist ja der Grund, warum Hunderttausende junge Leute überall auf der Welt aktiv geworden sind. Das massive Aufbegehren gegen Rassismus ebenso wie die Demonstrationen für Klimaschutz zeigen, dass sich Millionen Menschen nach Veränderungen sehnen. Wir können die Zukunft zum Guten wenden – wenn wir bereit sind, alles zu ändern.

How to Change Everything

Подняться наверх