Читать книгу Zeit der wilden Orchideen / Das Herz der Feuerinsel: Zwei Romane in einem Band - Nicole-C. Vosseler - Страница 27
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ОглавлениеSingapur wuchs.
An Reichtum, aber auch an Menschen.
Die Mieten für die Godowns und die Wohnungen darüber, für Häuser und Privatzimmer stiegen rasant. Wer es sich leisten konnte, dachte darüber nach, aus den beengten Verhältnissen und dem Schmutz der Stadt wegzuziehen. Fort von Lärm, Gestank und immer wieder überfluteten Hauseingängen, in eine ruhigere Gegend mit mehr Platz, frischer Luft und seinesgleichen als Nachbarn.
Waren es zuvor Pflanzer wie Konsul Balestier oder Dr. Oxley gewesen, die sich Grundstücke landeinwärts kauften, um eine Plantage darauf anzulegen und sich in diesem Zuge noch ein Haus darauf stellten, dann einzelne Towkays, einige wenige reiche Europäer, die ihren Wohlstand herzeigen wollten, zog es mehr und mehr Kaufleute aus der Stadt hinaus, aufs Land.
Ein Bedürfnis, das mit dem Niedergang der Plantagen von Pfeffer und Gambir zusammenfiel, mit dem durch Käfer verursachten Eingehen der Muskatbäume. Grundstücke wurden als Ganzes oder in Parzellen verkauft oder Häuser darauf gebaut und dann vermietet. Dr. Oxley hatte seinen Besitz von Killiney mit den kränkelnden Muskatbäumen, rund einhundertachtzig Morgen groß, noch losgeschlagen, bevor er mit seiner Frau und den neun Kindern nach England abreiste; fast vierzig Häuser wurden in den folgenden Jahren darauf gebaut. Vor allem Tanglin war beliebt, jenseits der Orchard Road, wo die Straßen gut und die Aussicht hübsch war und von wo aus man sich bequem von einem syce zur Arbeit im Kontor fahren lassen konnte.
Hand in Hand damit ging eine Neuordnung des Stadtplans einher, der noch aus der Ära von Sir Stamford Raffles und seinem Residenten William Farquhar stammte. Die Kanäle, die die Wasserversorgung der Stadt sicherstellten, bekamen endlich Namen. Der Commercial Square wurde in Raffles Place umgetauft, und die Straßen am nördlichen Ufer des Singapore River, die denselben Namen trugen wie ihr Gegenstück auf der anderen Seite des Flusses, wurden neu benannt. Aus der Church Street wurde die Waterloo Street, aus der Market Street die Crawfurd Street.
Riechst du’s? Heute wieder reinster Lavendelduft!, sagte man grinsend über die Straße, die jenseits des Rochor River nach Norden führte, auf die Serangoon Road zu, zwischen mit night soil gedüngten Pflanzungen und Gemüsegärtchen und den Schweineställen. Sie bekam ihren Spitznamen offiziell eingetragen: Lavender Street.
Gerade noch rechtzeitig hatte Paul Bigelow ein Grundstück an der Orchard Road ergattern können. Denn innerhalb von drei Jahren hatte sich der Wert von Grundbesitz und Eigenheimen verdoppelt, am Ende sogar verdreifacht, und längst überstieg die Nachfrage das Angebot.
In Singapur tobte das Baufieber.
Die Lampe auf dem Nachttisch warf einen behaglichen Schein über das Bett. Auf das aufgeschlagene Buch, das Georgina an ihre angezogenen Knie gelehnt hatte. Geraume Zeit hatte sie keine Seite mehr umgeblättert; stattdessen horchte sie in die Nacht hinaus.
Der Wind flüsterte im Laub der alten Bäume, die abzuholzen sie nicht übers Herz gebracht hatten, solange sie gesund waren, und silbern tröpfelte der Gesang einzelner Zikaden herein; es war eine trockene Nacht.
Das Meer fehlte ihr, immer wieder glaubte sie, das Rauschen und Rollen der Wellen zu hören. Ein Phantomklang. Als wäre sie auf einem Ohr teilweise taub geworden, so fühlte es sich an.
Auch Duncan litt darunter, sie sah es in seinen Augen, an der Sehnsucht darin. Und während David jubelnd durch die Räume gesprungen war, um sein neues Zuhause zu erkunden, hatte sich Duncan tagelang bockig gezeigt; nicht einmal das Pony, das Paul für die beiden Jungen gekauft und zu den Pferden in die Stallungen gestellt hatte, war ihm ein Trost gewesen.
Die Kinder schliefen längst, mit Kartika in ihrem Zimmer, die vor Freude außer sich gewesen war, als Ayah mit in das neue Haus zu kommen. Auch die Dienstboten hatten sich in ihre Quartiere im rückwärtigen Teil des Gartens zurückgezogen. Der indische Koch, der ihr von Anish empfohlen worden war mit seinem Gehilfen. Drei chinesische Boys, zwei malaiische Hausmädchen, die drei syces und der tukang ayer, der Wasser holte, Feuerholz schlug und Nachttöpfe leerte. Die Zeiten, in denen schottische Kaufleute wie Gordon Findlay stolz darauf waren, mit möglichst wenig Personal auszukommen, waren vorbei.
Bei Einbruch der Dunkelheit hatten die beiden malaiischen Nachtwächter ihren Dienst angetreten. Georgina konnte zuweilen ihre murmelnden Stimmen, ihre gedämpftes Gelächter hören, wenn sie ihren Rundgang über das Gelände machten. Und Boy One würde noch auf sein, der auf die Rückkehr des Tuans wartete. Genau wie Georgina.
Ein großes, schönes Haus war es geworden, auf einem Fundament aus Ziegeln einige Fuß über dem Grund gebaut, um Feuchtigkeit abzuhalten und die Böden zu kühlen.
Bonheur hatten sie es getauft, als Hommage an Georginas Mutter wie als gutes Omen. Glück.
Es roch noch neu, nach dem frischen Chunam der Wände, nach poliertem Holz und dem Bambus der Jalousien. Nach dem eigens dafür angeschafften zierlichen Mobiliar aus Tropenhölzern und Rattan, nach frisch abgeriebenem Silber und Messing und der gewässerten Erde, den grünen Blättern der Topfpflanzen.
Und immer lag der süße, würzige Hauch der Obstgärten in der Luft. Der trockene Duft des Grases, der kreidige der roten Erde und die Frische der jungen Setzlinge von Bambus, Tembusu und wildem Heliotrop, von Cannalilien und verschiedenen Jasminarten.
Ah Tong hatte sich bereiterklärt, Georgina bei der Auswahl der Pflanzen zu helfen und die beiden malaiischen Gärtner anzuweisen, die jeden Tag von ihrem Kampong herüberkamen. Ihr Angebot, mit Cempaka hierherzuziehen, hatte er freundlich, aber bestimmt abgelehnt; sein Platz war auf L’Espoir.
Unten im Salon schlug eine Uhr die Stunde, und Georgina zählte mit. Mitternacht.
Am Nachmittag hatte Paul einen Boten geschickt. Es würde spät werden, sie solle nicht mit dem Dinner auf ihn warten. Das zweite Mal schon in dieser Woche. Er arbeitete häufig lange in der letzten Zeit, oft auch am Wochenende, in seinem Arbeitszimmer im unteren Stockwerk, und wenn er endlich heraufkam, beließ er es dabei, sie in seine Arme zu ziehen und auf die Wange zu küssen, bevor er mit dem nächsten Atemzug auch schon eingeschlafen war.
Einmal mehr machte sich ein klammes Gefühl in ihr breit.
Sie horchte auf. Das Stampfen von Pferdehufen und Räderknirschen hatte sich dem Haus genähert und war verstummt, setzte dann erneut ein und entfernte sich wieder. Gleich darauf hörte sie unten die Stimmen von Paul und Boy One und atmete erleichtert auf.
Doch keine Schritte näherten sich über die Treppe.
Das Haus lag so schlafstill da wie zuvor.
Die Fliesen in der Eingangshalle schmiegten sich kühl unter ihre Füße. Dunkel war es hier, bis auf den schummrigen Lichtkeil, der aus dem Arbeitszimmer fiel.
Paul saß am Schreibtisch, ein Glas vor sich, dessen Inhalt im Lampenschein bernsteinfarben glänzte. Den Kopf über die ausgebreiteten Papiere gesenkt, knetete er seine Stirn; erschöpft wirkte er. Entmutigt.
»Willst du nicht ins Bett kommen?«
Sein Kopf ruckte hoch, und seine Augen funkelten auf.
»Georgina. Hab ich dich geweckt?«
»Nein, ich war noch wach.«
»Geh doch wieder nach oben.« Er lächelte ihr zu; beruhigend sollte es wohl wirken, gequält sah es aus. »Ich habe hier noch etwas durchzusehen, komme dann aber gleich nach.«
»Ich muss mit dir reden«, wisperte sie.
Seine Brauen zogen sich zusammen. »Ist etwas mit den Jungs?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Etwas Wichtiges?« Ungeduldig klang er, fast gereizt. »Hat es vielleicht Zeit bis morgen? Oder bis zum Wochenende?«
Georgina trat an den Schreibtisch, fuhr mit dem Zeigefinger die Kante entlang, während sie um ihn herumging, und blieb an der Schmalseite stehen. Die Last, die sie mit sich herumtrug, drückte ihr das Herz ab, ließ sich nur schwer in Worte zerteilen und formen.
»Hast du … Gibt es … gibt es eine andere Frau?«
Paul starrte sie unter hochgezogenen Brauen an, den Mund leicht geöffnet.
»Eine andere Frau?« Ein heller Funke blitzte in seinen Augen auf, und er brach in Lachen aus. »Was für eine andere Frau denn? Misses Napier etwa? Vielleicht Miss Cooke von der chinesischen Mädchenschule?« Der Schalk sprühte aus seinen Augen. »Obwohl, wenn ich es mir so recht überlege … Lucy Oxley hätte mir gefallen können, aber sie ist ja leider nicht mehr hier.«
Georgina konnte nicht mitlachen; angespannt kaute sie auf ihrer Lippe und zeichnete das Reliefmuster nach, das die Schreibtischplatte umlief.
»Komm her zu mir.« Er streckte die Hand nach ihr aus.
Sie rührte sich nicht, und er reckte sich vor, nahm sie beim Handgelenk und führte sie um den Schreibtisch herum. Widerstrebend ließ sie sich auf seinen Schoß ziehen.
»Was für ein Narr müsste ich sein«, flüsterte er, »eine Frau wie dich zu betrügen. Wo du doch alles bist, was ich begehre.« Er küsste sie auf ihren bloßen Oberarm, rieb dann seine unrasierte Wange dagegen. »Ich verspreche dir, ich habe bald wieder mehr Zeit für dich und unsere Jungs.«
Georginas Blick blieb auf den Papieren liegen, lange Zahlenreihen und eilig hingeworfene Notizen, stellenweise mit entschlossenem Zug unterstrichen, einzelne Worte eingekreist.
»Ist es die Firma?«
Es musste Monate her sein, dass Paul mit ihr über die Geschäfte gesprochen hatte; ihre gemeinsame Aufmerksamkeit war gänzlich von ihrem neuen Haus in Anspruch genommen worden, Georginas dazu noch von der Aufgabe, sich jetzt, mit sechsundzwanzig, zum ersten Mal als Mem um einen Haushalt zu kümmern.
Mit einem langgezogenen Ausatmen ließ er sich im Stuhl zurückfallen.
»Es gibt zurzeit ein paar Schwierigkeiten, ja. Ausgerechnet jetzt, da wir so viel Geld in das Haus gesteckt haben und satte Gewinne brauchen könnten.« Er schnitt eine Grimasse und rieb sich über das Gesicht, dann über das kurzgeschorene Haar, als wolle er etwas abschütteln. »Uns sind einige Towkays abgesprungen. Und wir wissen nicht, weshalb. Ich kratze derzeit jeden Tag wie ein Bettler an den Türen ihrer Godowns, um sie umzustimmen oder wenigstens den Grund dafür herauszubekommen. Und dazwischen renne ich mir die Hacken ab, um neue Kontakte zu knüpfen.«
Georgina kannte das Muster, nach dem der Handel in Singapur ablief.
Die europäischen Händler stellten das Grundkapital zur Verfügung. In Form von aus Europa und Amerika importierten Gütern wie Eisenwaren, Stahl, Waffen und das dazugehörige Schießpulver. Kupferdraht und Glas, Bier, Weine und Spirituosen und Waren, die das koloniale Indien lieferte, wie Baumwollstoffe, Erzeugnisse der Kokosnuss, Jute, Tee, Salpeter, Weizen, Reis, Kichererbsen und vor allem natürlich Opium.
Waren, die auf Kredit von den chinesischen Towkays eingekauft wurden und ebenfalls gegen Kredit an die Kapitäne der Dschunken und andere Händler weitergegeben wurden, die nach Siam und China, Cochinchina und Tonkin segelten. An kleinere Händler und Ladenbesitzer, an Agenten, die die Waren nach Sumatra verschifften, nach Borneo und auf die malaiische Halbinsel, wo noch kleinere Händler sie weiterverkauften.
Die Güter aus dem gesamten südostasiatischen Raum nahmen den umgekehrten Weg, von den kleinen Händlern über die Towkays zu den Europäern, aus deren Godowns sie in alle Welt verschickt wurden. Gewürze, Zinn, Gold, Tapioka, Zucker, Reis, Guttapercha, Tierfelle und Büffelhörner und alles, was sich aus den Dschungeln und Meeren zu Geld machen ließ. Dazwischen verwoben sich die Schätze Chinas, Zimt, Kampfer, Ingwer, Anis, Seide, Porzellan und Tee. Zucker aus Siam, Reis aus Java und Burma. Kohle aus Borneo. Sandelholz, Pferde und Schiffe aus Australien. Tabak, Kaffee, Hanf aus Südamerika.
Ein Geflecht, so weit und fein verzweigt wie die Wurzeln und Äste der Mangroven. Mit den chinesischen Händlern als Stamm, der Wurzelwerk und Krone miteinander verband und wechselseitig nährte, indem er die auf- und absteigenden Bahnen von Kapital und Waren bündelte. Es sich mit ihnen zu verscherzen war fatal.
»Zu allem Überfluss hat uns gestern die Nachricht erreicht, dass wir eine teure Fracht verloren haben. Das Schiff, das sie an Bord hatte, ist überfallen und geplündert worden.« Paul schloss die Arme um Georgina und legte den Mund gegen ihre Schulter. »Aber mach dir keine Sorgen. Wir bekommen das schon wieder hin, dein Vater und ich.«
Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Golden flirrte das Sonnenlicht, das durch das Laub der ausladenden Bäume fiel, und verzauberte ihren kühlenden Schatten. Heiß war es, ohne schwül zu sein; einer dieser heißen Tage in Singapur, der Konturen messerscharf zog und Farben kühn leuchten ließ, das Lied der Vögel, das Sirren der Zikaden jedoch zu einem trägen Murmeln dämpfte.
Eine Ahnung von Wasser lag in der Luft, wusch sie klar, füllte sie mit einem Wellenklang, der nicht zu hören, nur zu spüren war, ein Flüstern auf der Haut.
Hell strahlte das Haus aus dem Grün hervor, seine glatte Fassade gegen die Türen und Fensterläden aus dunklem, poliertem Holz noch weißer. Eine Kaurimuschel. Wie diejenige, die Raharjo einst für sie dagelassen hatte, im Pavillon. Das Haus, das er einmal für sie hatte bauen wollen.
Kulit Kerang. Der syce des Mietwagens hatte auf Anhieb gewusst, wo in der Serangoon Road ein Mann namens Raharjo lebte.
So groß wie Bonheur musste dieses Haus sein, vielleicht noch größer, sein Dach mit denselben roten Ziegeln aus Malakka gedeckt. Verlassen wirkte es an diesem Morgen. Abweisend.
Georgina schluckte.
»Mem?«
Das breite Lächeln des syce war umso unsicherer geworden, je länger er ausharren musste, eine Hand auf dem geöffneten Wagenschlag, die andere ihr entgegengestreckt. Auch die beiden Wachposten vor dem Haus musterten sie irritiert, warfen sich gegenseitig fragende Blicke zu; bewaffnet waren sie, wie die beiden Männer an der Einfahrt zum Grundstück.
Georgina gab sich einen Ruck und stieg an der Hand des syce aus. Den Kopf mit dem kleinen, bändergeschmückten Strohhut hochgereckt, trat sie auf die beiden Wachposten zu.
»Bringt mich zu eurem Tuan. Sagt ihm, Nilam will ihn sprechen.«
Schweigend musterte er sie.
Sie stand aufrecht vor seinem Schreibtisch, einen albernen Hut auf dem hochgesteckten Haar. In einem dieser Kleider mit enger Taille, weiten, bauschigen Ärmeln und Röcken wie eine Kuppel. Ein hochwertiges, aber kein allzu teures Kleid, das ihre kräftigen Farben betonte. Hübsch, aber nicht besonders auffällig, geschneidert aus einem leichten Baumwollstoff in zweierlei Blumenmuster.
Weiß und Blau, wie chinesisches Porzellan. Wie Meer und Gischt.
Ob sie sich mit Bedacht so gekleidet hatte?
Er hatte sie nie für berechnend gehalten, aber darin mochte er sich getäuscht haben. Wie in vielem anderen. Er hätte auch nicht geglaubt, dass sie so dreist sein würde, ihn aufzusuchen. Im ersten Moment hatte er sie hinauswerfen lassen wollen, sie dann aber einfach in der Halle warten lassen, bis seine Neugierde ihm keine Ruhe mehr gelassen hatte. Bis die alten Narben zu sehr störten.
Kalt und klar waren ihre Augen. Wie am Tag ihrer Hochzeit mit dem Orang Putih.
Nur wie ihre Finger über die Handschuhe rieben, die sie in der Hand hielt, über den Verschluss ihrer Tasche, verriet, dass sie sich nicht so sicher fühlte, wie sie sich gab. Ließ hinter der voll erblühten, erwachsenen Nyonya das kleine Mädchen aufscheinen, das sie einmal gewesen war.
Die junge Frau, die er einmal kannte und doch nie gekannt hatte.
»Was willst du?«, gab er schließlich barsch von sich.
»Ich will die Fracht zurück, die du unserer Firma gestohlen hast.«
Um seinen Mund zuckte es. »Was habe ich damit zu schaffen?«
»Ich weiß, dass du es warst.«
Seine Brauen zogen sich zusammen. »Einmal Pirat, immer Pirat, nicht wahr? Immer ein Dieb. Das ist es, was du zu wissen glaubst.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es einfach. Und du hast dafür gesorgt, dass wichtige taukehs keine Geschäfte mehr mit uns machen wollen. Auch wenn ich nicht genau weiß, wie du das angestellt hast.«
War es bei den Orang Putih üblich, dass die Männer mit ihren Frauen über ihre Geschäfte sprachen? Einer seiner Mundwinkel hob sich, während er eine schmale Zigarre aus der Silberdose holte.
»Gib nicht mir die Schuld, wenn du einen Mann geheiratet hast, der nichts vom Handel versteht.«
Er zündete sich die Zigarre an und blies genüsslich den Rauch aus, erfreute sich daran, wie sich ihre Wangen färbten, ihre Augen Funken schlugen. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, ließ sein Blut schneller durch die Adern kreisen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander, zwischen denen es zu pochen begonnen hatte.
»Und wenn es so wäre? Wenn ich etwas damit zu tun hätte? Was würde ich dafür bekommen?«
Ihre Brauen hoben sich, krümmten sich dann zu zwei zornigen Arabesken.
»Was du getan hast, war unrecht! Es müsste genügen, dass du zurückgibst, was uns gehört.«
»Unrecht.« Seine Stimme klang ihm selbst unangenehm beißend in den Ohren. »Darunter verstehst du wohl etwas anderes als ich.«
»Du kannst meinen ganzen Schmuck haben«, flüsterte sie. »Wenn es sein muss, auch den meiner Mutter.«
»Was soll ich damit?« Er lachte auf, trocken und spröde; sein Mund war ausgedörrt.
»Ich bezahle es dir, wenn du willst. Ich bekomme das Geld schon irgendwie zusammen. Nach und nach.« Ihre Brust hob und senkte sich rasch. »Ich … ich bitte dich«, hauchte sie.
Hatte sie denn keinen Stolz? Liebte sie diesen Mann so sehr, dass sie sich nicht schämte, sich für ihn kleinzumachen? Seine Miene verhärtete sich.
»Ich weiß, was ich dafür haben will.«
Seine Augen hefteten sich auf ihre Brust, wanderten betont langsam an ihr hinunter und wieder zurück. Zufrieden sah er, wie sich ihre Wangen stärker röteten, sie die Lider senkte.
»Einverstanden.«
Eine Antwort, kaum lauter als ein Atemhauch.
Sein Blut strömte in seiner Leibesmitte zusammen, sammelte sich in einem Strudel, der weiter abwärtszog.
»Würdest du dich wirklich für deinen Mann zur Hure machen?«
Sie schlug die Augen auf, die scharf auffunkelten wie geschliffene Saphire.
»Nein. Aber für die Firma meines Vaters. Und für meine Kinder.«
Die glimmende Zigarre in der Hand, stand er langsam auf und ging zu der Tür hinter dem Schreibtisch, öffnete sie.
»Beweis es.«
Georginas Blick wanderte an ihm und der weit aufstehenden Tür vorbei in das Zimmer dahinter.
Im Dämmerlicht hinter den geschlossenen Fensterläden wirkte es so schmucklos und nüchtern wie die Halle, in der sie lange gewartet hatte, bis er sie zu sich rufen ließ, wie das Arbeitszimmer, in dem sie stand. Aus irgendeinem Grund hätte sie erwartet, dass er sich mit prunkvollem Luxus umgab, mit verschwenderisch bunten Stoffen und verzierten Möbeln, Silber und Glas, Porzellan und Marmor; vielleicht, weil sie das Haus von Whampoa gesehen hatte und malaiische Lebensart immer mit Farben in Verbindung brachte. Doch dieses Haus, edel in seiner Einfachheit, in kühlem Weiß und dunklem Braun passte zu ihm, wie das einfache weiße Hemd, das er trug, die braunen Hosen, und dass er darin barfuß umherging.
Ihre Augen saugten sich an dem breiten Bett unter einem Baldachin fest, und ihr Gesicht ging in Flammen auf. Das Kinn hochmütig vorgereckt, aber die Lider gesenkt, schritt sie an ihm vorüber und ließ dabei ihre Röcke energisch schwingen wie mit kaum verhohlener Empörung.
Sie legte Handschuhe und Tasche auf einem Stuhl ab, der hinter der Tür stand, zog die Hutnadeln heraus und legte den Hut dazu. Die Tür fiel mit leisem Klicken hinter ihr ins Schloss.
»Worauf wartest du? Zieh dich aus.«
Georgina unterdrückte ein Lächeln. »Du musst mir helfen. Das Kleid wird hinten geschlossen. Und auch mit dem Korsett.«
Er zögerte, trat dann zu ihr und machte sich an ihrem Rücken zu schaffen. Unbeholfen und vorsichtig erst, dann gewollt grob; zwei der Häkchen rissen ab, klirrten auf dem Boden. Seine Finger, die dabei ihren Nacken streiften, ließen einen Funkenschauder ihr Rückgrat hinabspringen.
Sie schlüpfte aus dem Miederteil und warf es von sich, ließ Überrock und Krinoline rauschend zu Boden gleiten. Ungeduldig zerrte er am Band des Korsetts, und seine Hand, die sich dabei gegen ihre Rippen legte, versengte ihr Hemdchen, bis auf die Haut hinunter.
Schicht um Schicht schälte sie von sich, ließ Kleidungsstück um Kleidungsstück zu Boden fallen, während sie aus dem Augenwinkel sah, wie er um sie herumging, die Zigarre in einer Glasschale neben dem Bett löschte und sich entkleidete. Nackt entstieg sie den Wolken aus Stoff wie Venus dem Meeresschaum und ging zu ihm, mied seinen Blick, der lauernd auf ihr lag.
Dunkel war sein Leib im perlgrauen, von pudrigen Lichtsprenkeln durchsetzten Schatten des Zimmers. Wie aus dem glänzenden Holz des Bodens, des massiven Bettes gemacht, die Riefen und schlanken Wölbungen von Muskeln, Knochen und Sehnen herausgeschnitzt. Eine Hitze ging von ihm aus, in deren Dunstkreis sie hineindriftete. Die ihr den Mund wässrig machte.
Seine Hand strich über ihren Hals, packte sie dann jäh im Genick und drückte sie abwärts. In die Knie wollte er sie zwingen, zu seinem gierigen Geschlecht. Sie versteifte sich, stemmte sich mit aller Kraft gegen seine Brust, bog den Kopf zurück; vorher müsste er ihr das Genick brechen.
»Nein«, fauchte sie und funkelte ihn an.
Sie wusste, was sie wollte.
In seinen Augen flackerte es, und er stieß sie auf das Bett, warf sich auf sie. Seine Hände, weicher als früher, aber immer noch ein wenig rau, gingen hart mit ihr um, sein Mund brutal auf ihrer Haut, jede Berührung ein halber Biss, und Georgina begriff.
Er wollte sie damit strafen, dass er ihr wehtat. Sie demütigen, indem er sie zwang. Sie brechen.
Wie absurd. Wie sinnlos.
Wo sie doch lichterloh brannte vor Verlangen, seit sie ihm vorhin gegenübergetreten war. Während seine Hände ihren Leib zum Schmelzen brachten, sein Mund glühende Spuren hinterließ und sein Bart ihre Haut streichelte.
Heiterkeit stieg in Georgina empor, schoss ihre Kehle hinauf, und sie begann zu lachen, laut und unbeherrscht und glücklich. Ein Lachen, das ihn verwirrte, noch mehr aufreizte.
Sie konnte spüren, wie überrascht er war, dass sie ihm keinen Widerstand leistete, als er in sie hineinglitt. Wie sehr sie ihn willkommen hieß.
Ihr Lachen tröpfelte aus, wurde zu einem langgezogenen, heiseren Ruf, sehnsüchtig und balzend. Seine Hand verschloss ihren Mund, und ihre Blicke verhakten sich ineinander. Sie lockerte ihre Lippen wie zu einem Kuss, grub langsam die Zähne in den Handballen, bis die Haut brach, sie Blut schmeckte, und sie sah ihm an, dass er es ebenso genoss wie sie.
Ein reißender Fluss war es, in heftigen Wellen über die Ufer donnernd, der sie beide fortschwemmte, in einen dunklen Abgrund hinein, der Auslöschung ihres Ichs entgegen.
Georgina verfolgte den Weg der blauen Rauchfähnchen zum Baldachin hinauf, wie sie sich teils im spinnwebfeinen Moskitonetz verfingen, teils durch die Poren des Gewebes schlüpften, in Richtung der Balken und Bohlen der Decke. Die Hitze, die Raharjos Leib noch immer verströmte, überspannte mühelos die Elle kühler weißer Laken zwischen ihnen und mischte sich mit dem Nachglühen ihrer eigenen Haut.
Sonnenlicht, von den Blättern draußen und den Fensterläden gefiltert, tanzte durch den Raum. Jetzt konnte Georgina den Fluss hören, sein sanftes Murmeln und Gluckern.
Sie blinzelte.
Stimmen stahlen sich durch die Schlitze der Fensterläden herein, vergnügt und hell, wie von kleinen Kindern, ein perlendes Auflachen, und sie wandte den Kopf.
»Du hast Kinder?«
Sein Blick blieb reglos auf den Baldachin gerichtet. »Eine Tochter und einen Sohn. Meine Frau ist mit dem dritten schwanger.«
Obwohl sie wusste, dass sie kein Recht hatte, so zu empfinden, traf es sie bis ins Mark. Und mehr noch, wie gleichgültig er es gesagt hatte, fast kalt.
Raharjo drehte sich auf die Seite und blies den Rauch aus, über sie hinweg, und der beißende Hauch war wie eine Liebkosung, der sich ihre Brüste entgegenreckten. Er streckte den Arm aus und schnippte die Asche in die Glasschale, bevor seine Hand auf ihrer Hüfte zu liegen kam. Seine Fingerkuppen zeichneten die feinen, kaum mehr sichtbaren Silberspuren nach, die Duncan trotz Betharis Pflege dort hinterlassen hatte, und seine Berührung, der heiße Atem der Zigarrenglut, gefährlich dicht an ihrer Haut, ließen sie erschauern.
»Und du?«
»Zwei Söhne.« Ein Lächeln umspielte ihren Mund. »Sie sind beide gute Schwimmer. Ich habe es ihnen beigebracht. Wie du es mich damals gelehrt hast.«
Auch sein Mund zeigte so etwas wie ein Lächeln, während seine Augen sich in der Ferne verloren und er seine Hand wieder fortnahm, eine unangenehm kühle Stelle hinterließ. Glatt und glänzend wirkten seine Augen hinter dem Rauch der Zigarre. Undurchdringlich, wie Stein.
Sie wusste, sie hätte es ihm sagen müssen, doch sie konnte nicht. Mehr als ihren Leib mochte sie ihm nicht anvertrauen. Noch nicht.
Ihre Hand schob sich in seine, löste die Zigarre aus seinen Fingern und führte sie an ihren Mund. Sie sog nur leicht daran, gerade genug, um die feuchte Spur zu schmecken, die seine Lippen auf dem rauen Pergamentstängel hinterlassen hatten, und ihren Mund mit dem beizenden Rauch zu füllen, bevor sie ihm die Zigarre zurückreichte. Der Rauch, den sie ausblies, verwehte in dem, der gleich darauf aus Raharjos Mund strömte.
»Erzähl mir von deinen Kindern«, flüsterte sie. »Von deiner Frau.«
Raharjo langte über sie hinweg, um die Zigarre im Aschenbecher auszudrücken. Ein Knie zwischen Georginas Schenkeln, die Unterarme neben ihrem Kopf aufgestützt, legte er sich auf sie, sein Gesicht keine Handbreit von ihrem entfernt. Er zögerte, dann senkte sich sein Mund auf ihren. Georgina entfuhr ein kleiner Laut, erstaunt und beinahe klagend. Sie schloss die Augen und versank in diesem Kuss. Dem nächsten und dem darauf.
Seine Hände, seine Lippen strichen so behutsam über ihre Haut, dass es wehtat. Sie öffnete sich seiner Härte, und es war, als läge sie in seinen Armen in einem Boot, das sanft auf dem Serangoon River schaukelte, sein Atem in ihrem Ohr wie das Fließen von Wasser, das ihren Namen hauchte.
Tränen sammelten sich hinter Georginas Lidern, rannen heiß über ihre Schläfen und versickerten in ihrem Haar.
»Ich muss gehen.«
Georgina löste sich aus seinem Arm und stand auf. Ihre Muskeln zitterten, während sie über den glatten Holzboden ging, ein Kleidungsstück nach dem anderen aufhob und sich anzukleiden begann. Überall auf ihrem Leib, ihren Gliedern pochte es, Spuren, die Raharjos Hände, sein Mund hinterlassen hatten; morgen würde sie mit blauen Flecken übersät sein. Ihre Lippen brannten und fühlten sich geschwollen an, zwischen den Beinen war sie aufgescheuert, und sie roch nach Schweiß und Geschlechtlichkeit, moschusschwer und salzig.
Sie hoffte, sie würde es rechtzeitig nach Hause schaffen, um noch ein Bad zu nehmen, bevor Paul aus dem Godown zurückkam.
Scham oder Schuld empfand sie nicht. Nur das Hochgefühl, sich das geholt zu haben, was ihr Jahre zuvor genommen worden war. Was ihr zustand.
Einen Hauch von Glück empfand sie. Eine Art von Macht. Und einen Anflug von Traurigkeit.
»Hilfst du mir bitte?«
Die Hände in die Hüften gestützt, wartete sie, bis Raharjo hinter sie getreten war und die Bänder des Korsetts zuzerrte.
»Zieh das nächste Mal etwas anderes an. Ich bin nicht dein Kammerdiener.«
Georgina lachte und stieg in die Krinoline. »Das nächste Mal? Du hast doch bekommen, was du wolltest. Jetzt bist du dran. Gib mir zurück, was du gestohlen hast.«
Unsanft rupfte Raharjo ihr das Oberteil zurecht und machte sich daran, die Häkchen zu schließen.
»Rechnest du etwa damit, dass eure kostbare Fracht heute Abend vor dem Tor des Godowns steht? Oder vor eurem Haus in der Orchard Road?«
Es durchzuckte sie kalt. »Du weißt, wo ich jetzt wohne?«
Er schnaubte, ein heißer Atemstoß in ihrem Genick. »Ich weiß viel von dem, was in der Stadt vor sich geht.«
Unwillkürlich atmete sie auf, als er die Hände sinken ließ, sie sich einen Schritt von ihm entfernen konnte, um in ihre Schuhe zu schlüpfen, ihr Haar notdürftig wieder aufzustecken, das sich gelöst hatte; etliche Nadeln fehlten.
»Mir ist es gleich, wie du das in Ordnung bringst. Tu’s einfach.«
Er packte sie beim Arm und riss sie an sich.
»Sag mir nicht, was ich zu tun habe, oder wie ich es tun soll«, raunte er heiser, sein Mund dicht an ihrem Hals. Sein Griff lockerte sich, und er hauchte einen Kuss in ihren Nacken, noch feucht von Schweiß, in die feinen Härchen, die sich dort kräuselten.
»Ich bestimme, wann deine Schuld beglichen ist.«
Er ließ sie los, und sie hielt auf die Tür zu, nahm sich im Vorbeigehen ihre Sachen vom Stuhl. Sie spürte, wie sich Raharjos Augen in ihren Rücken bohrten.
»Versuch nicht, mit mir zu spielen, Nilam. Es wird dir nicht bekommen.«
Sie drehte sich nicht mehr um.
Raharjo ging durch das schattengemaserte Gras auf den Fluss zu. Genauso ruhig vor sich hin treibend, genauso klar fühlte er sich.
Friedlich. Friedliebend. Ein neues, ungekanntes Gefühl.
Unter einem der Bäume blieb er stehen.
Unweit von ihm spielten Veena und Harshad miteinander; ein Spiel, in dem es offenbar darum ging, den anderen mit der flachen Hand irgendwo am Körper abzuklatschen und dann wegzurennen. Harshad war seiner großen Schwester hoffnungslos unterlegen, was seiner Freude daran keinen Abbruch tat, die er quietschend und mit kullerndem Lachen kundtat. Immer wieder sah er Beifall heischend zu seiner Mutter hin, die im Schneidersitz auf einer Decke saß.
Veena, groß für ihre vier Jahre und schlank, nachdem sie über das vergangene Jahr in die Länge geschossen war, entdeckte ihn zuerst.
Mitten im Lauf hielt sie inne; ihre erhobene Hand fiel herab und krampfte sich um einen Zipfel ihres orangeroten Kleidchens. Das Strahlen auf ihrem Gesicht, noch runder durch die zum Zopf zusammengebundenen Haare, der die goldenen Ringe in ihren durchstochenen Ohrläppchen sehen ließ, verschwand. Ängstlich starrte sie ihren Vater an, der mal unwirsch und abweisend sein konnte, dann wieder so freundlich, dass es sie verwirrte. Der oft von einem Tag auf den anderen verschwand und so lange fortblieb, dass sie ihn schon fast vergessen hatte, bis er eines Tages wieder da war und einen Geruch nach Salz und Wasser, Wind und Holz mitbrachte.
»Darf ich?«
Leelavatis Kopf ruckte hoch. Sie nickte, rutschte ein Stück beiseite, als er sich neben ihr niederließ. Mit gesenktem Kopf strich sie sich verlegen über ihren Bauch, der sich unter dem Sari wölbte.
Jetzt hatte auch Harshad ihn erblickt, der vielleicht noch zu klein war, um unter den Launen seines Vaters zu leiden, vielleicht auch einfach von unbekümmerterem Wesen war als seine Schwester. Unter fröhlichem Kreischen rannte er auf seinen Vater zu, warf sich gegen ihn und drückte den Kopf gegen seine Brust, fast überschnappend vor Lachen. Raharjo legte den Arm um ihn und winkte Veena heran.
Einen Knöchel unsicher umgeknickt, sah sie fragend ihre Mutter an. Erst auf ein Nicken Leelavatis hin setzte sie sich langsam in Bewegung, hockte sich dann aber zu ihrer Mutter, die Wange gegen deren Bauch gelehnt und Raharjo argwöhnisch musternd.
»Geht es dir gut? Und dem Kind?«
Leelavati starrte ihn ungläubig an und brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu sammeln; er hatte sie noch nie gefragt, wie es ihr ging. Ihre Wangen wurden heiß, und sie nickte, während sie Veena über das Haar streichelte.
»Ich habe mir überlegt, eine Ayah ins Haus zu holen, sobald das Kind da ist. Vielleicht auch schon früher. Was denkst du?«
Leelavatis Herz pochte heftig; vielleicht würde sich doch noch alles zum Guten wenden.
»Das wäre sehr freundlich. Vielen Dank.«
»Die beiden müssen endlich schwimmen lernen. Was meinst du, Veena?« Das Mädchen zuckte zusammen und sah ihn aus großen Augen an. »Gehen wir morgen schwimmen? Im Fluss?«
»Auch!«, protestierte Harshad und hob den Kopf, während seine Schwester abwechselnd Mutter und Vater anschaute, die Brauen misstrauisch zusammengezogen.
»Ja, du auch.« Raharjo lachte und schaukelte den Jungen hin und her. »Na, Veena, was sagst du? Hast du Lust?«
Endlich hellten sich ihre Augen auf, erschien ein scheues Lächeln auf ihrem Gesicht, und sie nickte.
Unter gesenkten Lidern warf Leelavati einen Seitenblick auf ihren Mann. So gelöst, so gutgelaunt hatte sie ihn noch nie erlebt in den fünf Jahren ihrer Ehe. So zugänglich.
Du wolltest ihn doch um jeden Preis, diesen schönen Fremden! Jetzt siehst du, was du davon hast!, hatte ihre Mutter, die oft aus der Kling Street herüberkam, um ihr mit den Kindern zur Hand zu gehen, sie jedes Mal gescholten, wenn sie sich beklagte.
Du hast keine böse Schwiegermutter, die dich schikaniert, und dein Mann schlägt dich nicht. Hat er etwa ein böses Wort fallen gelassen, als du zuerst eine Tochter zur Welt gebracht hast, hm? Das ist viel wert, mein Kind, sehr viel wert! Du hast ein prächtiges Haus, in dem du schalten und walten kannst, wie es dir beliebt, und jede Menge Dienstboten. Mehr Geld, als du ausgeben kannst, hast du noch obendrein und zwei gesunde Kinder. Reicht dir das nicht? Was willst du denn noch? Und dass das Kindermachen keine Süßigkeit aus Rosenblüten und Honig ist, hättest du wissen müssen. Wo hast du nur diese Flausen her? Von mir jedenfalls nicht!
Vielleicht stimmte es doch, dass die Götter über die Zeit alles richteten.
Leelavati jedenfalls tat ihr Möglichstes, sie gewogen zu machen. Mit Opfergaben und Räucherwerk und Gebeten aus tiefstem Herzen, am Schrein hier im Haus und im Tempel von Sri Mariamman im chinesischen Viertel.
Wenn ihr Mann zuletzt heraufgekommen war, um bei ihr zu liegen, war er weniger grob mit ihr umgegangen; zu der Zeit, als er das Kind zeugte, mit dem sie schwanger war, hatte sie sogar ein bisschen Gefallen daran gefunden.
Ja, vielleicht würden die Götter doch noch alles richten und ihre Träume von Liebe und Glück wahr werden lassen.
Raharjo lehnte sich herüber, um Veena über die Wange zu streicheln, was diese sich nur widerstrebend gefallen ließ, hin- und hergerissen zwischen Abwehr und Sehnsucht. Eine Regung, die seinen Geruch zu Leelavati herübertrug, diesen Geruch nach Meer und Zimt, der sie trotz allem betörte. Frischer roch er heute, wie das Gras, in dem sie saßen, wie die Luft kurz vor einem Gewitter. Und schärfer, dunkler, wie Patschouli und Sandelholz. Wie nach dem Geschlechtsakt.
Die Frau, die heute Morgen gekommen war, fiel ihr ein, sie hatte sie vom Fenster oben aus gesehen, als sie gerade Veena das Kleidchen überstreifte. Die Frau, die für viel Getuschel unter den Dienstboten gesorgt hatte.
Weil es eine feine Nyonya gewesen war, mit heller Haut und blauen Augen, schön wie Shakti selbst.
Du kannst nicht alles haben, mein Kind!
Das Lächeln, das sich eben noch auf Leelavatis Gesicht ausbreiten wollte, schrumpfte wieder zusammen.