Читать книгу Fettnäpfchenführer Brasilien - Nina Büttner - Страница 21
Was ist diesmal schiefgelaufen?
ОглавлениеKein leichter erster Arbeitstag für Linda – so viele Begrüßungen und neue Menschen auf einmal. Dabei hat es Linda zunächst etwas irritiert, dass sich alle nur mit Vornamen vorgestellt haben. Da fühlt es sich so an, als wäre es gleich ein Freundschaftsverhältnis, in dem sie stehen, und kein professionelles. Dabei kennt man sich ja noch gar nicht.
Und Linda hat auch bemerkt, dass viele ihr mit Spitznamen vorgestellt wurden, zum Beispiel Diegão. Er heißt eigentlich Diego, nur wie soll Linda ihn anreden? Sie will ihn siezen, da ihr das respektvoller erscheint. Also nennt sie ihn senhor Diego, was wiederum für ihre Schüler ein gelungener Scherz zu sein scheint. Aber sie kann ihn doch nicht Diegão nennen – dann würde sie ihn ja daran erinnern, dass er zu dick ist, oder?
Überhaupt ist sich Linda unsicher, wie sie damit umgehen soll, dass die Gruppe einerseits alles toll und schön findet und ihr Komplimente macht, andererseits jedoch ständig Witze reißt – woher soll sie wissen, dass die nicht auf ihre Kosten sind?
Als Linda gegen den Lärm mit dem Stift auf den Tisch haut, erreicht sie zwar ihr Ziel, aber so ganz üblich scheint das nicht zu sein, wie sie an der verwunderten Reaktion ihrer Schüler abliest. Eine so energische Geste sind sie von einheimischen Lehrern nicht gewohnt. Und auch ihre Art sich vorzustellen war ungewöhnlich trocken und wortkarg.
HÖFLICHE ANREDE
Die höfliche Anrede wird in Brasilien vor allem für Autoritäten verwendet, und es können damit Hierarchieunterschiede oder Respekt ausgedrückt werden. So werden im Allgemeinen Polizisten und höhere Staatsbedienstete sowie ältere Menschen gesiezt.
Je nach den Erfordernissen einer Situation – also beispielsweise welcher Grad an Unterwerfung gerade verlangt wird – kann aber auch von einem auf den nächsten Satz zwischen formeller und informeller Anrede (tratamento formal /informal) gewechselt werden. So können sogar die eigenen Eltern gesiezt werden. Ein beständiges gegenseitiges Siezen beider Gesprächspartner ist eher unüblich und wird am ehesten im formellen Umfeld, beispielsweise auf dem Amt gebraucht.
»Pai, o senhor pode me emprestar seu carro?« – Vater, können Sie mir Ihr Auto leihen?
»Com licença, a senhora pode me explicar o caminho à escola de línguas?« – Entschuldigung, können Sie mir den Weg zur Sprachschule erklären?
Sie sprechen Ihr Gegenüber also formell mit o senhor/a senhora in der dritten Person an. In aller Regel wird aber auch beim Siezen der Vorname benutzt, vor den bei älteren Menschen die Anrede dona/seu gestellt wird:
»Seu Pedro, o senhor está bem de saúde?« – Herr Pedro, sind Sie bei guter Gesundheit?
Unabhängig von formeller oder informeller Anrede ist die Nennung der jeweiligen Funktion oder des Titels einer Person üblich. Sie wird vor den Vornamen gestellt oder kann auch alleine stehen. Ein Doktor kann doutor gerufen werden, und Linda wird in ihrer Funktion als Lehrerin eben professora Linda genannt.