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Durch den Spazierstock

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Die Aorta ist die größte Arterie im Körper. Ihr Durchmesser liegt normalerweise zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Zentimetern. Damit ist sie breiter als der Hals einer Weinflasche. Wenn wir älter werden, leiert die Aorta aus, ihr Durchmesser nimmt zu. Wird sie nur ein bisschen weiter, ist das unproblematisch. Weitet sie sich allzu stark, kann das als sogenanntes Aneurysma gefährlich werden. Das Ausleiern schwächt die Gefäßwände, sodass sie zu reißen drohen. Grundsätzlich kann man sich das wie bei einem Luftballon vorstellen, der irgendwann platzt, wenn er zu sehr aufgepustet wird. Bei solch einer Ruptur blutet der Betroffene innerlich. Das ist insbesondere im Fall der Aorta lebensgefährlich, da sie mit hohem Druck eine große Menge Blut transportiert. Reißt die Aorta, schießt sehr schnell sehr viel Blut in das umliegende Gewebe und der restliche Körper kann nicht mehr versorgt werden.

2. Quizfrage:

Die höchste Blutgeschwindigkeit im Körper wird an der Hauptschlagader nahe der Aortenklappe gemessen. Wie schnell ist das Blut hier?

a)Es würde mit einem Spaziergänger mithalten.

b)Es würde selbst einen schnellen 100-Meter-Sprinter überholen.

(Antwort hier)

Man kann sich die Form der Aorta vorstellen wie einen altmodischen Spazierstock. Das erste Stück vom Herzen weg fließt das Blut in der Aorta nach oben, Richtung Hals. Dann beschreibt das Gefäß einen Bogen und wendet sich nach unten in Richtung des Beckens.

Obwohl es seine Aufgabe ist, das Blut durch den Körper zu pumpen, und es ständig mit Blut gefüllt ist, muss das Herz selbst auch noch mit Blut versorgt werden. Das erledigen die Herzkranzgefäße, die kurz hinterm Herzen von der Aorta abzweigen und außen übers Herz laufen. Viele Herzprobleme entstehen, wenn diese Gefäße verstopft sind und die Herzmuskelzellen nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe erhalten.

Im Aortenbogen, dem Griff des Spazierstocks, trennt sich der Blutstrom weiter auf. Hier verabschiedet sich der Teil, der das Gehirn und die beiden Arme versorgen wird. In Brust- und Bauchraum werden erneut Teile des Blutes abgezwackt, sodass alle Organe beliefert werden. Im letzten Abschnitt spaltet sich die Hauptschlagader in zwei Gefäße auf, die sich im Beckenraum und den Beinen weiter verästeln und dort die Sauerstoff-Anlieferung übernehmen. Interessanterweise gibt es für diese Aufteilung der Hauptschlagader übrigens keinen einheitlichen Bauplan, sondern sehr viele Varianten, wo und wie die Gefäße sich verzweigen. Wir sind eben keine Geräte aus vereinheitlichter Massenproduktion – und trotzdem lebensfähig. Leider sind nicht alle Varianten des Gefäßbaums gleich gut – manche können gesundheitliche Probleme nach sich ziehen.

Aus unserem Blutstropfen sind inzwischen zwei kleinere geworden. Einer reist immer weiter nach unten bis in die Füße, der zweite wollte nur eine kleine Runde drehen und saust daher durch die Herzkranzgefäße. Durch diese strömen etwa fünf Prozent des zirkulierenden Blutes. Das ist ein recht großer Anteil, wenn man bedenkt, dass das Herz ja nur um die 300 Gramm wiegt, also selbst bei einer kleinen 60-Kilo-Frau nur etwa ein halbes Prozent des Körpergewichts ausmacht. Wenn man aber die enorme Leistung des Herzens betrachtet, versteht man, warum hier so viel Blut gebraucht wird.

Der erste Tropfen gelangt unterwegs in immer schmaler werdende Gefäße. Diese Kapillaren sind – wie auch die in der Lunge – viel dünner als ein Haar. Ihre Verteilung im Körper ist ganz unterschiedlich. Muskeln, die viel Sauerstoff benötigen, sind von besonders vielen Kapillaren durchzogen. Sehnen dagegen haben nur wenige. Die Augenlinsen verfügen über gar keine, sie werden nicht durchblutet, die wenigen benötigten Nährstoffe sickern durch das Gewebe zur Linse; ebenso funktioniert es beim Knorpel in den Gelenken.

Das Gefäßsystem mit seinen großen und kleinen Bahnen gleicht einer Landkarte: mit einem dichten Straßennetz in den Städten und weniger erschlossenen Gebieten auf dem Land. Und so wie in der Stadt mehr Waren gekauft werden als auf dem Land, so nehmen auch die verschiedenen Organe und Körperregionen unterschiedlich viel Sauerstoff ab. Je mehr ein Abnehmer für den Stoffwechsel arbeitet, desto mehr Blut braucht er für eine optimale Versorgung. Anders als der Lieferant, der stets mehrere Dörfer auf seiner Route abklappert, widmen sich die roten Blutkörperchen pro Tour immer nur einem Kunden. Das Blut fließt also nicht von der Leber weiter in die Milz oder in die Beine – es hat ja bereits in der Leber Sauerstoff gegen Kohlendioxid getauscht und muss damit jetzt zurück in die Lungen. Damit alle Körperregionen ihrem Bedarf entsprechend versorgt sind, braucht es eine ausgefeilte und zugleich sehr flexible Logistik. Solange alles ruhig ist, erhalten Muskeln und Darm etwa gleich viel Blut, je rund 19 Prozent. Das verschiebt sich deutlich, wenn Sport auf dem Programm steht – oder umgekehrt Verdauung. Das Gehirn ist (hoffentlich) ständig in Betrieb und ebenfalls immer hungrig: Rund 14 Prozent des Blutes durchströmen es, damit es ihm nie an Sauer- und Nährstoff mangelt.

Die Lungen laufen bei der Verteilung des Blutes außer Konkurrenz. Sie haben ja ihren eigenen Kreislauf, den jeder einzelne Blutstropfen bei jeder Runde durch den Körper passiert. Deshalb profitieren sie stets von 100 Prozent des vom Herzen gepumpten Blutes. Allerdings enthält dieses Blut ja leider wenig Sauerstoff, da es damit erst wieder auf dem Weg durch die Lungen angereichert wird. Somit gibt es zur Sicherheit auch einige kleine Äste aus der Hauptschlagader, die das von der Lunge selbst frisch mit Sauerstoff beladene Blut wieder an sie zurückgeben. Auch der Tanklaster selbst muss schließlich ab und zu tanken.

3. Quizfrage:

Das Organ, durch das am meisten Blut strömt, wenn wir entspannen, wurde noch nicht genannt. Darm, Gehirn und Herz sind es nicht. Auf welches tippen Sie?

a)Haut

b)Leber

c)Nieren

(Antwort hier)

Wie steigen die Sauerstoff-Passagiere eigentlich wieder aus ihrer Fähre aus, wie gelangt der Sauerstoff aus dem Blut in die Zellen, wo er gebraucht wird? Das Gewebe entlang der Kapillaren lechzt ständig nach ihm, weil die Zellen ihn fortwährend verbrauchen. Deshalb werden viele Sauerstoffmoleküle in ihren Hämoglobin-Sitzen unruhig, erheben sich und wandern durch die Gefäßwand ins Gewebe. Das Kohlendioxid, das entsteht, wenn unsere Zellen atmen, nimmt den entgegengesetzten Weg: Es wandert aus dem Gewebe hinaus und springt in den Blutstrom – nach derselben Gesetzmäßigkeit, die den Sauerstoff in Bewegung versetzt hat. Denn im vorbeifließenden Blut ist das Kohlendioxid rarer als im Gewebe.

Die roten Blutkörperchen, die einen Großteil ihrer Sauerstoff-Kundschaft verlieren, haben bei der Rückreise in die Lunge also keine Leerfahrt: Sie nehmen nun das Kohlendioxid als Fahrgast mit. Aber manche Passagiere werden auch Teil der Besatzung: Ein kleiner Teil der Blutgase, sowohl Sauerstoff als auch Kohlendioxid, taucht direkt ins Plasma ein. Ungefähr so, wie ja jedes Meer und auch sonstige Gewässer Sauerstoff enthalten, welchen die Fische mithilfe ihrer Kiemen aus der Flüssigkeit herausfiltern können. Dieser »physikalisch gelöste« Sauerstoff allein würde aber niemals reichen, um den Organismus zu versorgen – daher der Trick mit dem Hämoglobin, den ich zu Beginn unserer Rundreise beschrieben habe. Ich finde den ziemlich genial.

Was das Herz begehrt

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