Читать книгу Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte - Norbert Aping - Страница 48

AUS DER FLIMMERKISTE

Оглавление

WDR regional 1959–1960. mindestens 10 Folgen, 23.10.1959–8.11.1960

P Degeto für WWF und WDR. Weitere Details unbekannt.

Die Serie stand nicht zur Verfügung.

In seiner Anfangszeit hatte das WWF noch Programme von der Bayerischen Werbefunk GmbH übernommen wie das CINEMATOGRAPHEN-THEATER, das bis zum 29. September 1959 im INTERMEZZO des Regionalprogramms des WDR gesendet wurde. Das CINEMATOGRAPHEN-THEATER war wohl nicht zuletzt wegen der Mischung aus dramatischen und grotesken Stummfilmen bei den Zuschauern durchgefallen und hatte zeitweise unter der belehrenden GEFILMTEN ENZYKLOPÄDIE im Gepäck zu leiden.

Bald nahm das WWF seine eigene Produktion auf und wickelte Einkäufe über die Degeto ab. Am 23. Oktober 1959 begann um 19:30 Uhr im INTERMEZZO die Serie AUS DER FLIMMERKISTE mit etwa halbstündigen Folgen. Der Name der zweiten bundesdeutschen Slapstickserie stand im Laufe der Jahrzehnte Pate für andere «Kisten»: OPAS KINO LEBT. HEITERE DOKUMENTE AUS DER FLIMMERKISTE (1964–1968), COMEDY CAPERS. AUS DER STUMMFILMKISTE (1965, 1966), SPASS MUSS SEIN. DIE LUSTIGE FLIMMERKISTE (1966–1973), KINTOPP. ERINNERUNGEN AN DIE FLIMMERKISTE (1969, 1969), PRESTISSIMO. DIE WIESELFLINKE FLIMMERKISTE (1971, 1972), SPASS AUS DER FLIMMERKISTE. RÜCKBLENDE IN DIE STUMMFILMZEIT (1973) und die besonders beliebte KLAMOTTENKISTE (1981–1994).

Eingeschlossen einige Wiederholungen wurde die neue Serie bis zum 6. Dezember 1960 ausgestrahlt. Ob die inhaltlich unbekannt gebliebene Sendung CHARLYS FLIMMERKISTE vom 15. August 1961 womöglich dazu gehörte, hat sich nicht klären lassen. Mit einer Chaplin-Serie in der Frühzeit der bundesdeutschen Slapstickserien zu beginnen, lag nahe. Chaplins Namen kannte so gut wie jeder, niemand musste in Filmgeschichte bewandert sein und eine besondere Vorliebe für Slapstick haben. Der Zugang zu einem der komplexesten Leinwandcharaktere fiel zudem leicht, weil er mit der Menschlichkeit seiner Kunstfigur Tramp Charlie die Zuschauer so grundlegend anspricht. Chaplin beschrieb seine Kunstfigur folgendermaßen (Chaplin, S. 147): «Der Charlie [der frühen Filme] ist ein Lebewesen, dessen Hauptinstinkt der des Überlebens ist. Infolgedessen hat sich zunächst seine Erfindungsgabe und erst dann seine Seele entwickelt. Dieser Bursche ist sehr vielseitig; er ist ein Tramp, ein Gentleman, ein Dichter, ein Träumer und ein einfacher Bursche. Er möchte die Menschen glauben machen, er sei ein Wissenschaftler, ein Musiker, ein Herzog oder ein Polospieler. Und dabei ist er durchaus imstande, fortgeworfene Zigarettenstummel aufzuheben oder einem Säugling seinen Lutscher wegzunehmen. Ja, wenn die Gelegenheit es verlangt, wird er sogar einer Dame einen Tritt in den Allerwertesten versetzen.» Zur Folge von ES DARF GELACHT WERDEN vom 25. Juni 1961 schrieb die Fernsehzeitschrift TV Fernseh-Woche in ihrem Beitrag «Aus der Flimmerkiste» Folgendes über den Komiker: «Es bedarf keiner erklärenden Worte, wenn Chaplin seine – meist selbst erfundenen – Gags demonstriert, wenn er dem drohenden Schicksal ein Bein stellt, wenn er im Unglück Glück hat und Herr der Lage bleibt. Es bedarf auch keiner Worte, diesen Weltstar der Urkomik zu charakterisieren. Wer ihn nicht kennt, hat selber schuld.»

Über die Produktion der Serie AUS DER FLIMMERKISTE ist nichts bekannt. Von der Rechtsnachfolgerin des WWF war auch in diesem Falle nichts zu erfahren. Lediglich einige sehr knappe Angaben der Programmzeitschrift Hörzu und sehr bruchstückhaft überlieferte Infratest-Berichte «Werbefernsehen» enthalten Anhaltspunkte, um welche Chaplin-Filme es gehen könnte. Gezeigt wurden jedenfalls nur frühe Filme bis 1917, an denen Chaplin kein Copyright besaß. Die Copyrightfreien Chaplin-Filme umfassen alle seine Filme für die Produktionen von Mack Sennetts Keystone (1914), der Essanay (1915) einschließlich nicht autorisierter Zusammenstellungen dieser Firma nach seinem Ausscheiden und der Mutual (1916/17) – ein Fundus von 63 Streifen. Erst ab den Produktionen für die First National beginnend mit SHOULDER ARMS (1918) wurde Chaplin Inhaber des Copyrights seiner Streifen. Der kostengünstige Faktor rechtefreier Filme blieb der Standard für sämtliche deutsche Chaplin-TV-Serien – bis auf eine Ausnahme, als am 12. Dezember 1961 der First-National-Film PAYDAY (1922) bei ES DARF GELACHT WERDEN im Programm von ARD2 zu sehen war.

Die Folge CHAPLIN IM THEATER vom 9. Juli 1960 könnte entweder der Keystone-Film THE PROPERTY MAN (1914) mit Charlie als Bühnenarbeiter sein oder der Essanay-Streifen A NIGHT AT THE SHOW (1915), in dem Chaplin eine Doppelrolle als betrunkener Besucher Mr. Pest im Parkett und als Mr. Rowdy auf den oberen Rängen spielt. Bei DER EINBRECHER vom 23. Juli 1960 handelt es sich um POLICE (1915). In der Folge vom 6. August 1960 wurden FRÄULEIN CHAPLIN und CHARLIE ALS WERKTÄTIGER gezeigt. Wahrscheinlich waren das die Essanay-Streifen A WOMAN und WORK von 1915, in denen Charlie sich als Frau verkleidet und dem Vater seiner Freundin Avancen macht beziehungsweise als Anstreicher-Gehilfe alles durcheinander bringt. Nicht eindeutig zuordnen lässt sich die Folge CHARLIE ALS VAGABUND vom 17. September 1960. Dieser Titel wurde innerhalb der Serie mehrfach verwendet. War dies als Hinweis gemeint, welche Rolle Chaplin spielt, oder sollte dies der Titel eines Filmes sein, der dann innerhalb kurzer Zeit mehrfach wiederholt worden wäre? Als Beschreibung wäre CHARLIE ALS VAGABUND ausgesprochen vage, weil Chaplins Kunstfigur Charlie der Tramp ist. Als Filmtitel gemeint kommen zwei Streifen in Frage: THE TRAMP (1915) aus der Essanay-Zeit und der Mutual-Zweiakter THE VAGABOND (1916). Beide Titel lassen sich mit Vagabund übersetzen. THE TRAMP hätte den TV-Zuschauern Charlies eigentliche Geburt präsentiert. Chaplin war zwar schon 1914 ab KID AUTO RACES AT VENICE im Trampkostüm aufgetreten. Bis zu THE TRAMP war es in seinen Streifen meistens ruppig zugegangen, auch Frauen wurden nicht geschont. Als nichtsesshafter Farmhelfer aber zeigt Charlie nun ein Pathos, das bis dahin in Slapstickfilmen unbekannt war. Er wendet sich Frauen feinfühlig zu, und fortan verliebt er sich meistens in sie. Die Abblende des Streifens gehört zum Grundvokabular des Films: Obwohl seine Liebe unerfüllt bleibt, gibt Charlie sich einen Ruck und geht mit unbekanntem Ziel seinen Weg auf der Straße, dem Zuschauer den Rücken zugekehrt.

Inhalt der Episode CHARLIE ALS SCHAUSPIELER vom 1. Oktober 1960 kann sowohl THE MASQUERADER (1914) oder HIS NEW JOB (1915) sein. In beiden Streifen hat Chaplin die Rolle eines Filmschauspielers. Einmal ruiniert er im Studio eine Szene und verkleidet sich dann als Frau, um weiter arbeiten zu können. Der spätere Streifen zeigt ihn in einer Fantasie-Uniform, in der er auf sehr spezielle Art an Dreharbeiten teilnimmt: Er macht der Hauptdarstellerin schöne Augen und teilt andererseits Fußtritte und Säbelstiche aus, womit er die Szene natürlich verhunzt. Nur in dem sechsaktigen Spielfilm TILLIE’S PUNCTURED ROMANCE (1914) sieht man CHARLIE ALS BRÄUTIGAM, dessen Produktion für Sennett trotz der Popularität von Chaplin und Marie Dressler (Tillie) ein finanzielles Risiko war. Der Spielfilm folgte Mack Sennetts bewährtem Rezept: Die Handlung steuert unaufhaltsam auf den Höhepunkt zu – eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit den Keystone Kops. Dennoch ist TILLIE’S PUNCTURED ROMANCE nie langweilig, weil er technisch wie inhaltlich durchaus bemerkenswerte Szenen enthält und manchmal sogar recht spannend ist. In der WWF-Kurzfassung vom 8. November 1960 heiratet der kleine Stadtganove Charlie nur des Geldes wegen die plump-hässliche, aber betuchte Tillie. Welche Handlungselemente weggelassen wurden, kann nicht beurteilt werden.

Dem WWF-Programmchef Friedrich-Wilhelm Andreas zufolge hatten die Zuschauer AUS DER FLIMMERKISTE gut angenommen. In der Münchner Sitzung der ARD-Programmkommission «Werbefernsehen» vom 10. Januar 1961 vermochte er seine Kollegen jedoch nicht zu überzeugen, die Chaplin-Filme in ihr Programm zu übernehmen. Sie bemängelten die schlechte technische Qualität der Streifen, die über Jahrzehnte immer wieder abgespielt worden waren und dadurch Schäden davon getragen hatten. An Erhaltung und Restaurierung hatte früher niemand gedacht.

Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte

Подняться наверх