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Steve Parker drückte die Maschine steil abwärts. Um den Platz bei Karambar richtig anzufliegen, war das nötig, denn das Tal war nur schmal, und es blieb nicht viel Raum, einzuschweben. Doch Parker wusste, was man diesem alten UH-1 zumuten konnte, und er kannte den Landeplatz lange genug, um keinen Fehler zu machen. Hier gab es kaum Wind, wenn man die letzte Bergkette überflogen hatte. Eigentlich ein ideales Landefeld. Selbst nachts brauchte man die Maschine nur leicht zu sichern. Ein paar kurze Stahlseile, mit Pflöcken in der Erde befestigt, genügten.

Stamp sagte dem Piloten routinemäßig die Höhenwerte an, während die Maschine auf die Erdpiste zuschwebte. Doch Parker konnte auch ohnedem auskommen. Einen UH-1 konnte man in dieser Situation am besten nach Sicht fliegen und auch landen.

Am Rand des Platzes stand ein Mann. Parker sah ihn bereits, lange bevor er mit den Kufen aufsetzte. Nun gut, die Nachrichtenverbindung klappte immer einwandfrei. Offenbar waren die Panjshiri-Leute bereits eingetroffen. Während des Landeschecks, erkannte Parker, dass es Jalaluddin war, der sie erwartete. Er machte Stamp aufmerksam: „Der ahnt nichts von seinem Glück!“

Parker drehte den UH-1 am Pistenrand in Startposition, bevor er das Triebwerk ein letztes Mal aufheulen ließ und abschaltete. Stamp pflockte bereits die Seile fest, während Parker dem alten Jalaluddin die Kisten im Laderaum der Maschine zeigte. Er erkundigte sich harmlos, wo Mir Khaibar sei. Jalaluddin sagte nur: „Er war in Faïzabad. Es hat da so eine Sache gegeben, mit der Polizei. Man hält ihn noch fest. Aber wir hoffen, dass er bald heimkehrt.“

Parker fragte nicht weiter. Er wartete gleichgültig, bis Stamp die beiden Reisetaschen aus der Maschine brachte, in denen sich ihr Reisegepäck und ihre Verpflegung befanden. Bevor sie davongingen, wandte er sich nochmals an Jalaluddin: „Wir können wohl in Mir Khaibars Haus übernachten, nicht?“

„Aber selbstverständlich“, versicherte der Alte. „Richten Sie sich dort ein, Sie wissen ja Bescheid.“

Die beiden Piloten pflegten stets, wenn sie in Karambar waren, in Mir Khaibars Haus zu übernachten. So schafften sie auch diesmal zunächst ihr Gepäck dorthin und begaben sich anschließend ins Badehaus.

Stamp goss Parker einen Topf Wasser über den Rücken. Er lachte dabei und sagte: „Mann, wenn ich mir vorstelle, was für ein Gesicht der Alte machen wird!“

Parker fuhr ihn an: „Halt die Klappe! Gewöhn dir ab, über solche Sachen zu reden. Darüber redet man nicht einmal mit sich selbst!“

Er erhob sich und griff nach dem Topf, um nun seinerseits Stamp mit Wasser zu übergießen. Die beiden rauchten längere Zeit, bis sie sich abgetrocknet hatten und wieder den Weg zu Mir Khaibars Haus einschlugen. An der Maschine sahen sie ein paar Männer stehen, die nicht zu erkennen waren, weil die Dunkelheit schnell und ohne Übergang hereinbrach. Parker blickte sich nach den verstreut stehenden Lehmhäusern der Siedlung um und musterte sie misstrauisch. Nirgendwo war jemand zu entdecken.

„Sieht so aus, als hätten wir tatsächlich einen Mordsdusel“ sagte Stamp halblaut.

„Maseltov“, bestätigte Parker nickend. Die Leute waren auf den Mohnfeldern, das war gut. Vielleicht lag in diesem oder jenem Haus ein Kranker oder Versehrter, oder es gab ein paar Greise, die nicht mehr auf die Felder gingen. Doch das würden nur wenige sein, und sie würden sich nicht dafür interessieren, was in Mir Khaibars Haus oder an der Maschine vor sich ging.

„Komm, lass uns was trinken“, forderte Parker den neben ihm gehenden Stamp auf. „Wir haben es uns verdient. Und wir haben noch eine Kleinigkeit vor uns.“

Jalaluddin beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die beiden Nordamerikaner aus dem Badehaus kamen und in Mir Khaibars Haus verschwanden. Sie würden nun ihre Bierbüchsen auspacken. Mochten sie tun, was immer sie wollten, Sanaubar war mit Shanzai im Haus geblieben, es gab also keinen Grund zur Beunruhigung. Der Alte stand am Fuß der eisernen Leiter, die vom Frachtraum des Heli herabhing, Banshef befand sich in der Maschine. Seine Männer trugen die Kisten heraus. Jalaluddin sah diese Kisten nicht zum ersten Mal. Er konnte unterscheiden, was in ihnen transportiert wurde. In den länglichen Holzkisten befanden sich Gewehre und Panzergranaten, in einer Bodenluftraketen, in ein paar kleineren Maschinenpistolen. Die Munition dazu war in kleinere quadratische, besser zu handhabende Kisten gepackt, die für die Maschinenwaffen sogar in solche aus Blech. Banshefs Männer waren zurückgekehrt, hatten die Packtiere bis an das Landefeld geführt und beluden sie mit der Fracht. Das ging nicht besonders schnell, weil sie einen längeren Marsch vor sich hatten und die Ladung sehr umsichtig befestigt werden musste, damit keines der Tiere wund gescheuert wurde und etwa ausfiel. Nachdem man alles ausgeladen hatte, kontrollierte Banshef die Lasten auf den Tieren, und erst als er zufrieden war, wandte er sich wieder an Jalaluddin: „Du bist allein – sollen wir das Opium tragen?“

Jalaluddin war ihnen für die Hilfe dankbar. Er hätte zwar einen der Karren nehmen können, die es im Dorf gab, doch es wäre für ihn trotzdem eine große Mühe, die Säcke zu der Maschine zu schaffen. Banshef beauftragte ein paar seiner Männer, ihm zu helfen. Jalaluddin hielt er zurück: „Du brauchst nicht mitzugehen, sie wissen schon Bescheid. Da, rauch noch eine von den guten Zigaretten!“

Sie rauchten und sahen den Männern zu, die aus Mir Khaibars Erdkeller die Fracht herausholten. Eigentlich ein ziemlich törichtes Spiel, dachte Jalaluddin, doch es hilft nichts, Mr. Oates wünscht, dass wir es so ausführen. Er wird seine Gründe haben.

„Wie war diesmal die Ernte bei euch?“, erkundigte sich Banshef. Es war stockdunkel geworden, nur der Halbmond verbreitete ein diffuses Licht, man vermochte gerade noch die Gestalten der Männer zu erkennen.

„Wir werden einen normalen Ertrag haben“, gab Jalaluddin zurück. Er liebte die dozds nicht, auch Banshef war ihm nicht besonders sympathisch, doch eigentlich hatten diese Kerle sich hier immer einigermaßen anständig benommen. Sie stahlen nichts, sie ließen die Mädchen in Ruhe. Es waren eben junge Burschen, die man als irreguläre Soldaten verwandte, ziemlich abergläubig mit Ängsten vor Dschinnen und bösen Geistern. Vermutlich würde ihnen und ihren Familien mehr Nutzen entstehen, wenn sie in ihren Dörfern einer Arbeit nachgingen. Doch die Nordamerikaner hatten ihre Mittel, um ihnen das Dasein als Banditen reizvoll zu machen. Die Burschen erhielten eine gute Bezahlung, und sie bekamen alles, was sie zum Leben brauchten, von diesen Yankees. Das hatte wohl die meisten veranlasst, sich auf diese Tätigkeit einzulassen.

„Wir werden dieses Jahr weniger zusammenbekommen“, erklärte Banshef.

Jalaluddin blickte ihn an. „Schlechte Ernte?“

„Wir haben ein paar Gegenden verloren.“

„Die Truppen aus Peschawar setzen euch zu?“

„Das tun sie.“

„Warum lasst ihr sie nicht in Ruhe?“ fragte Jalaluddin. „Ich kann mich lange zurückerinnern. Ihr habt eigentlich immer gemacht, was euch recht war, und die Regierung war sehr nachsichtig. Warum habt ihr es nicht dabei belassen?“

„Unabhängigkeit“, behauptete Banshef. „Wir wollen nicht von Islamabad regiert werden.“

„Von wem dann?“

„Von uns selbst!“

„Und die Yankees?“ Jalaluddin zweifelte. „Sie bezahlen das alles. Glaubst du nicht, dass sie euch eines Tages die Rechnung überreichen?“

Banshef lachte. „Ich bin nicht dumm, alter Mann! Natürlich helfen die Yankees uns nicht, weil wir so nette Leute sind. Nein, sie haben ihre eigenen Interessen. Sie kommen mit den Behörden in Peschawar nicht zurecht, das möchten sie ändern.“

„Und deshalb raten sie euch, gegen die pakistanische Regierung zu kämpfen?“

Banshef lächelte verlegen. Natürlich taten die Nordamerikaner genau das, was der Alte sagte. Doch was sollte ein junger Mann aus einem Panjshiri-Dorf heute wohl machen? Selbst die Großväter kämpften schon im Sold der Nordamerikaner. Wer sich geweigert hatte, war aus der Gemeinschaft ausgeschlossen worden. Kämpfte er mit, hatte er wenigstens die Aussicht, etwas zu verdienen und ein halbwegs angenehmes Leben zu führen. Bis ihn eine Kugel getroffen hat. Das Gesicht Banshefs verdüsterte sich. Er würde mit seinem Trupp südwärts ziehen, nachdem er die Lasten über die Grenze gebracht hatte. Und das Militär von Peschawar zog westwärts, hörte man. Es war eine Abstimmung über eine neue Regierung angekündigt worden und über ein Programm für die Entwicklung des Landes. Zu diesem Programm gehörte auch die Beseitigung der Bedrohung durch marodierende Banden, hieß es. Das sind wir. Wir werden ihnen entgegenziehen. Schöne Hinterhalte legen. Überfälle durchführen. Wir werden auch Tote haben, dachte er, doch das sagte er nicht. Er klopfte Jalaluddin auf die Schulter und riet ihm: „Mach dir keine Gedanken! Wir werden schon durchkommen.“

„Aber wir nicht“, gab Jalaluddin zurück. „Wenn es noch lange so weitergeht, wird der Hunger in Karambar Einzug halten.“

„Ist es so schlimm?“

„Schlimm genug. Wenn die Ernte vorbei ist, schicken wir ein paar Männer in den dschangal am Fuß der Berge. Vielleicht treiben sie eine Bergziege auf oder ein paar Kaninchen.“

Banshef schüttelte den Kopf. „Und was macht ihr mit dem Geld, das euch die Yankees für euer Opium bezahlen?“

„Sie bezahlen kein Geld“, brummte Jalaluddin grimmig.

Banshef erkannte, dass der Alte sich erregte. Er war das bei ihm nicht gewohnt, und er wunderte sich darüber. „Ich würde euch gern helfen“, sagte er betroffen. „Aber ich weiß nicht wie. Mir scheint, du hast Grund, unzufrieden zu sein.“

„Jeder in diesem Dorf hätte Grund, sich von einem hohen Felsen in eine Schlucht zu stürzen“, sagte Jalaluddin erbittert. „Aber das ist nicht deine Sorge. Ich glaube, deine Leute sind fertig. Ich wünsche euch guten Weg. Bamone khoda. Möge Gott euch geleiten.“

Er drehte sich um und ging. Banshef sah ihm ein paar Sekunden nach, mit den gemurmelten Worten: „Und auch mit dir sein“ und einem Ausdruck von Bedauern. Bald kamen seine Männer, und er gab ihnen das Kommando, die Packtiere anzutreiben und zu verschwinden.

Jalaluddin vergewisserte sich, dass die Säcke mit dem Opium in der Maschine lagen und schloss das Schott hinter sich. Er ging zu Mir Khaibars Haus und warf einen Blick in den Erdkeller. Den Sack mit dem verdorbenen Opium hatten die dozds stehenlassen. Jalaluddin legte die aus Bambus gefertigte Klappe auf den Einstieg und machte sich auf zu den Piloten.

Er hörte das Radio spielen, das sie mitgebracht hatten. Bevor er die Leiter emporkletterte, schaute er noch einmal zu seinem eigenen Haus hinüber. Dort war alles dunkel. Sanaubar hatte sich wohl mit Shanzai schlafen gelegt.

Afghanistan Dragon

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