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Sanaubar und Shanzai hatten indes alles beobachtet, was vorgegangen war, nachdem die Piloten angekommen waren. An der Lehmwand von Jalaluddins Haus sitzend hatten sie durch einen Riss hinausgespäht. Sie hatten Banshefs Leute gesehen, wie sie die Kisten aus der Maschine geladen und später die zehn Säcke mit dem Opium aus dem Keller geschleppt hatten. Dabei hatte Sanaubar sogar so etwas wie Sympathie für die Männer empfunden, weil sie Jalaluddin diese Arbeit abgenommen hatten. Schließlich war Jalaluddin von dem Landeplatz zurückgekommen und zu den Piloten gegangen. Einen Augenblick hatte Sanaubar noch hinausgeblickt und überlegte, dass Jalaluddin sicher eine Weile bei den Piloten bleiben würde. Es würde Bier geben, ja. Und es wäre auch unhöflich gewesen, die beiden Fremden allein zu lassen. Schon wollten die beiden jungen Frauen sich auf die Schlafpritsche legen, weil sie müde waren, da stieg einer der Piloten die Stufen von Mir Khaibars Haus herab und kroch in den Erdkeller. Sanaubar wunderte sich, was er dort wohl wollte. Sie konnte sich auch nicht erklären, was es zu bedeuten hatte, dass der Mann einen der großen Plastiksäcke mit ins Haus hinaufnahm. Shanzai war derweil eingenickt, und schließlich schlief auch Sanaubar im Sitzen ein.

Als sie wach wurde, war es bereits Tag. Über dem Landefeld lag noch ein dünner Nebelschleier, der sich jedoch in der Sonne auflöste, die über die Bergspitzen im Osten klomm. Das Geräusch des Helitriebwerks hatte Sanaubar geweckt. Also starteten die Nordamerikaner. Shanzai schlief noch. Doch wo war Jalaluddin?

Die junge Frau blickte sich im Haus um. Nichts ließ darauf schließen, dass er dagewesen war. Hatte er in Mir Khaibars Haus geschlafen, zusammen mit den Piloten? Warum kam er jetzt nicht zurück? Sanaubar blickte hinüber zum Landeplatz. Dort war Jalaluddin nicht zu sehen. Die Maschine ruckelte gerade an. Ihre Motoren dröhnten auf, und der schwere Vogel bewegte sich immer schneller aufwärts.

Das Mädchen kletterte in Mir Khaibars Haus hinauf, fand jedoch nichts, was Aufschluss geben konnte. Die Schlafsäcke der Piloten lagen zusammengerollt auf Mir Khaibars Schlafpritsche. Ein paar leere Bierbüchsen standen herum. Reste einer Mahlzeit waren auf dem roh zusammengezimmerten Holztisch zurückgeblieben. Von Jalaluddin keine Spur.

Sanaubar lief von einem Ende der Siedlung zum anderen, während der Helikopter dröhnend davonzog und schnell an Höhe gewann. Als das Getöse des Triebwerks nur noch wie ein leises Grollen in der Morgenluft hing, blieb Sanaubar am Rand des Landefeldes stehen und überlegte. Es war möglich, dass Jalaluddin sie nicht hatte wecken wollen und sogleich zu den Mohnfeldern aufgebrochen war. Hatte er nicht schon gestern dorthin gehen wollen?

Die junge Frau lief schnell zurück, um Shanzai bei einem kleinen Plausch Essen und Trinken hinzustellen, und machte sich auf den Weg. Sie hatte noch nichts gegessen, eigentlich auch gestern nur sehr wenig, doch sie rannte los und riss unterwegs, als sie an der Schlucht vorbei war, ein paar Wildgranatäpfel von den niedrig wachsenden Baumästen. Sie schmeckten nicht besonders gut und hatten nur kleine Beeren, dabei freilich Kerne, so groß wie Streichholzkuppen. Sanaubar knabberte auf der Frucht herum und stillte den ärgsten Hunger damit.

Ihre Gedanken gingen wiedereinmal zu Khaled. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn auf einer Decke zu ihren Füßen liegen. „Warum lächelst du, Geliebte?“ fragte er. Sanaubar sank auf die Knie, umschlang ihn mit den Armen. „Weil ich da bin, wo ich hingehöre, Khaled jo, bei meinem flachnasigen Lieblingsmann.“ Sie kreischten auf vor Lachen, wiegten sich hin und her wie Kinder. „Weil ich so glücklich bin.“ Sie legte den Kopf auf seinen Schoß. Als sie, ein Mädchen von zwölf Jahren, ihn damals gesehen hatte, war ihr das Herz zusammengezuckt und hatte gepocht, als hämmere von innen jemand gegen ihre Brust – wie auch in diesem Augenblick, wenn sie nur daran dachte. Sie hatte gewusst, er würde ihr Freude schenken, sie jedoch auch auf die Probe stellen.

Als sie beim ersten Feld ankam, fragte sie die Leute, ob sie Jalaluddin gesehen hatten. Niemand wusste, dass er überhaupt schon aus Faïzabad zurück war. Sanaubar lief weiter. Die Entfernungen zwischen den Feldern waren groß, und als sie das letzte Feld erreichte, war Mittag vorbei. Jalaluddin war nirgendwo zu finden. Erschöpft setzte sich das Mädchen abseits des Feldes auf einen Felsbrocken. Sie grübelte und grübelte. Wo war Jalaluddin? Eine Antwort auf diese Frage gab es hier nicht.

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