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2.3 Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen

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Corporate Social Responsibility

Im Zuge der Globalisierung greifen nationalstaatliche Regelungen weniger, auch wenn die Regelungsdichte und der Einfluss der großen Wirtschaftsblöcke oder großer Wirtschaftsmächte wie etwa der Vereinigten Staaten von Amerika eher zugenommen haben. Damit erfolgt auch eine Angleichung an die US-amerikanischen Verhältnisse, in denen traditionell die Verantwortung der Firmen stärker betont wurde. Dass dabei Unterschiede zwischen US-amerikanischen und europäischen, speziell auch deutschen Firmen – etwa bei der Ausbildung des Nachwuchses und im Grad der Solidarisierung innerhalb der Belegschaften – bestanden und auch noch weiterhin bestehen, soll gar nicht bestritten werden. Die Debatte um die Corporate Social Responsibility (CSR) hat aber auch in Europa zugenommen und im letzten Jahrzehnt auch deshalb breiten Raum beansprucht, weil die Firmen gerade nicht mehr ihre Verantwortung in der traditionellen Weise wahrgenommen haben. Eine entscheidende Rolle spielten auch hier wieder Skandale in den Vereinigten Staaten wie z.B. der Bankrott der Firma Enron im Dezember 2001, die über Jahre mit Finanzmanipulationen und Bilanzfälschungen ihre Aktionäre und die Öffentlichkeit getäuscht hatte. Die Firmenrichtlinien für das Verhalten der Angestellten (Codes of conduct) hatten offensichtlich ganz und gar nicht für die Handlungsweise der führenden Manager gegriffen. Die öffentliche Empörung und der öffentliche Druck führten sehr schnell zu einem umfangreichen neuen Gesetzespaket, dem Sarbanes-Oxley Act (Juli 2002) mit einer Fülle von gesetzlichen Regelungen für das Management von Aktiengesellschaften. Verstöße gegen die neu formulierten Regeln werden in Zukunft mit horrenden Strafen – Geldstrafen für die Unternehmen und Gefängnisstrafen für die beteiligten Manager – geahndet. Entscheidend ist auch hier die Kontrolle durch eine breite Öffentlichkeit, die den Gesetzgeber bzw. die Strafverfolgungsbehörden oder die Konsumenten mobilisiert (vgl. [I–14], S. 211ff.).

Es ist nicht nur der Verstoß gegen bestehende Gesetze wie im Fall Enron, sondern auch ein öffentlich wahrgenommener Mentalitätswechsel in den Führungsetagen, der das Verhalten der Manager und die moralischen Erwartungen der Bürger aufeinanderprallen lässt und zumindest in Europa die gesellschaftliche Akzeptanz einer liberalen Wirtschaftsordnung in Frage stellt.

Die liberale Wirtschaftsordnung in der öffentlichen Wahrnehmung

Hintergrund dieser Verständigungsprobleme ist sicher nicht nur die Tatsache, dass Unternehmensmanager eine professionelle Ausbildung erfahren haben, die sie in den Kategorien der Ökonomie denken lässt. Auch Arbeitnehmer denken als Konsumenten in Kategorien des Wettbewerbs und sehen kein moralisches Problem darin, jeweils beim billigsten Anbieter zu kaufen. Es ist dann Sache des Unternehmens, wie es mit diesem Preisdruck umgeht. Konflikte entstehen, wenn die Maßnahmen des Unternehmens moralisch anstößig sind: Lohndumping, Werksschließungen, Ausbeutung der Rohstofflieferanten oder der Arbeiter im Verlauf der Wertschöpfungsketten. Eine moralisch sensibilisierte Öffentlichkeit, welche durch die Presse, über das Internet oder auch durch aktive Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sehr schnell mobilisiert werden kann, wird die betroffenen Unternehmen sehr wohl für Missstände in die Verantwortung nehmen. Der öffentliche Druck, der vom Boykottaufruf bis zur Erzwingung neuer politischer Rahmenbedingungen reichen kann, sanktioniert Firmen, die in den Verdacht geraten sind, unmoralisch zu agieren, und verschafft denen Wettbewerbsvorteile, die glaubhaft moralische Reputation erringen können. Man kann aus der Moral Kapital schlagen. Daher sollten Manager in der Lage sein, die normativen Vorgaben einer Marktwirtschaft und die sozialen Vorgaben und Grenzen freien Wirtschaftens zu sehen, in ihrem persönlichen Verhalten zu respektieren und öffentlich zu vertreten. Für eine verstärkte Beschäftigung der Betriebswirtschaft mit der Ethik spricht erstens die Tatsache, dass Ethik in einer modernen, demokratischen Gesellschaft mit einer funktionierenden Öffentlichkeit einen festen Einfluss auf den betrieblichen Erfolg hat. Zweitens verlangt die Tatsache, dass zunehmend Produktionen aufgenommen werden, die langfristig Schaden anrichten, nach einer erhöhten Aufmerksamkeit der Betriebswirtschaft für die Moral. Die ökonomischen, ökologischen und sozialen Nebenfolgen müssen bei der Berechnung von Wirtschaftlichkeit in die Kalkulation einbezogen werden (vgl. [I–15]; [I–16]; [I–17]). Die Frage, ob es nicht genügt, die Aufmerksamkeit auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben (compliance) zu lenken, dürfte sich damit erledigt haben. So wichtig die Rechtsordnungen sind: Zu den herkömmlichen Schwierigkeiten des Rechts, wie mangelnde Flexibilität, zu langsame Anpassung an die sich verändernden Verhältnisse und mangelnde Passgenauigkeit für den Einzelfall, kommt der Rückgang an Einfluss, den die Nationalstaaten als Garanten des Rechts hinnehmen müssen, wenn auf der Gegenseite international agierende Konzerne, Großbanken und Kapitalgesellschaften ganze Stäbe beschäftigen, um Rechtsregulierungen auszuhebeln. Die Regulierung nimmt zwar zu, aber das Recht greift in vielen Situationen nicht mehr oder ist nicht durchsetzbar. Daher wächst der Bedarf an freiwilligen Regelungen, auch wenn Zweifel bleiben, ob die Moral die Lücken füllen kann, die der Einflussverlust des Rechts hinterlässt.

Faktische Grenzen der Moral

Es bleibt die Frage, inwieweit die Moral im Bereich der Wirtschaft über ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten verfügt. Wenn es zum Schwur kommt, sind der Idealismus und die Integrität der Akteure nicht selten mit einer Realität konfrontiert, in der die Moral auf der Strecke bleibt. Wer z.B. Mitarbeiter, Waren oder erbrachte Leistungen nicht bezahlt, weil er damit rechnet, dass er rechtlich kaum dazu gezwungen werden kann, wird sich auch nicht durch moralische Überlegungen allein zu einem anderen Verhalten umstimmen lassen. Aber er scheut vermutlich die Öffentlichkeit, in der sein Ruf und seine Reputation als ehrlicher Arbeitgeber und Geschäftspartner auf dem Spiel stehen. Wer also auf der anderen Seite als Gläubiger weiß, dass im Zweifelsfall keine Möglichkeit zur rechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen besteht, wird umso mehr auf die moralische Reputation seiner Geschäftspartner achten. Berechtigtes Vertrauen in die Ehrlichkeit der Geschäftspartner gewinnt an Bedeutung.

Problem: Freiwilligkeit der Moral

Ein kritischer Punkt bleibt in jedem Fall die Freiwilligkeit der Moral. Anders formuliert: Die fehlenden Sanktionen bei Fehlverhalten stellen eine ständige Quelle der Beunruhigung für die Moral dar. Wer einseitig moralische Vorleistungen erbringt, muss befürchten, dass er in einer Wettbewerbsgesellschaft ausgebeutet wird. Allerdings kann das demonstrative Beharren auf moralischen Standards durchaus auch ein Wettbewerbsvorteil sein. Wenn führende internationale Firmen, die sich öffentlich verpflichtet haben, auf jede Form von Korruption beim Wettbewerb um Großprojekte zu verzichten, an bestimmten Bieterverfahren gar nicht erst teilnehmen oder sich demonstrativ zurückziehen, so ist das nicht nur für NGOs, wie etwa Transparency International, sondern auch für die beteiligten Regierungsinstanzen und für die Konkurrenten ein Alarmsignal. Firmen, welche die Kosten für die Korruption gar nicht erst in die Preise einkalkulieren, sind langfristig sicher die besseren Geschäftspartner.

Klassische Moralvorstellungen versus wirtschaftsethische Herausforderungen

Es bleibt die Frage, ob wir unsere alltägliche Vorstellung von Moral beibehalten können. Lassen sich die Moralvorstellungen einer Face-to-Face-Gesellschaft, in der man sich kennt, länger und immer wieder miteinander zu tun hat und in der die Folgen des Handelns jedenfalls im Großen und Ganzen für jeden überschaubar sind, auf moderne pluralistische Großgesellschaften übertragen? Für wirtschaftsethische Überlegungen reicht die Kenntnis traditioneller Moralvorstellungen und ihrer Begründungen allein nicht aus. So aktuell die klassischen Kardinaltugenden für die Individuen immer noch sind, wird es angesichts der Unüberschaubarkeit der komplexen Verhältnisse zunehmend schwieriger zu bestimmen, was im Namen der Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit oder Mäßigung konkret verlangt wird. Die neuen Herausforderungen verlangen zumindest nach einer eingehenden Behandlung der Umsetzungsprobleme von Ethik. Es ist notwendig, die Handlungsbedingungen der wirtschaftlichen Akteure sehr viel ausführlicher in die Überlegungen einzubeziehen, als dies die traditionellen philosophischen Ethiken tun. Zur Behandlung von moralischen Konflikten im Umfeld der Wirtschaft sind nicht nur philosophische Kompetenzen, sondern auch genaue Kenntnisse der wirtschaftlichen Abläufe erforderlich.

Wirtschaftsethik ist daher nicht nur eine auf das Gebiet der Wirtschaft konzentrierte Spezialdisziplin der allgemeinen Ethik, sondern konkrete Ethik, die – wie oben skizziert – lösungsorientiert und anwendungsorientiert ist, um im Sinne einer Kohärenztheorie das moralisch Gebotene zu erfassen und umzusetzen. Wieweit sind die vorhandenen unterschiedlichen Ansätze von Wirtschaftsethik gewappnet, um diese Herausforderungen zu meistern?

Einführung in die Wirtschaftsethik

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