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Vorwort

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Wirtschaftsethik kommt im Studienprogramm der meisten Philosophiestudenten eher am Rande vor, auch wenn entsprechende Veranstaltungen, sofern sie denn angeboten werden, reges Interesse finden. Für Wirtschaftsstudenten gilt Ähnliches. Zusatzveranstaltungen von studentischen Gruppen oder Sonderveranstaltung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten sind rege besucht, aber Regelveranstaltungen zu wirtschaftsethischen Fragen eher selten und dann fakultativ. Über die Gründe für das gewachsene Interesse der Studenten braucht man nicht lange zu rätseln: der hohe Orientierungsbedarf angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Umbrüche, die öffentlichen Irritationen angesichts der nahezu regelmäßig auftretenden und immer dramatischeren Wirtschaftskrisen, Empörung über weit verbreitete und öffentlich zutage tretende moralische Skrupellosigkeit, jugendlicher Idealismus, der sich nicht mit Resignation oder blankem Zynismus abspeisen lassen will. Kann Wirtschaftsethik eine Antwort auf die moralischen Fragen geben, die sich im Kontext der Wirtschaft stellen?

Die Konflikte und Sprachprobleme einer modernen, mediengesteuerten Öffentlichkeit spiegeln sich auch in den Diskussionen, die im geschützten Raum akademischer Unterrichtsveranstaltungen stattfinden. Aber im Unterschied zur Wirtschaftspraxis und zum Streit in einer politisierten Öffentlichkeit besteht im philosophischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Seminar die Chance, sich in unterschiedliche Rollen zu versetzen, mit der Distanz des Theoretikers verschiedene Positionen auszuloten und ohne direkten Handlungszwang nach Lösungen zu suchen. Wenn, wie es Ludwig Wittgenstein plastisch in seinen Philosophischen Untersuchungen formuliert hat, die Aufgabe des Philosophen darin besteht, der Fliege den Weg aus dem Fliegenglas zu zeigen, dann setzt das nicht unbedingt die überlegene Außensicht eines Betrachters voraus, der selbst nicht gefangen ist. Über eine derartige Übersicht verfügen auch die Philosophen nicht. Aber sie haben die Möglichkeit, mit den Beteiligten über die verschiedenen Varianten eines gesellschaftlichen oder persönlichen Dilemmas und über mögliche Auswege nachzudenken. Sie treffen sich dabei mit den Wirtschaftsethikern, die moralische oder soziale Fallen zum Thema machen. Statt des wenig weiterführenden Lamentos über den Sündenfall der Wirtschaft, die Gier der Manager und den Verlust der Tugend steht der Versuch im Vordergrund, durch genauere Analysen wirtschaftlicher Handlungsbedingungen und Strategien ökonomisches Profitstreben und moralische Lebensführung in Einklang zu bringen.

Die vorliegende Einführung zielt auf dreierlei: Als Einführung in die Wirtschaftsethik (WE) soll sie zunächst einen kurzen Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Positionen geben, sie soll zweitens zur Einsicht in die Unverzichtbarkeit eines normativen Ansatzes auch im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Handeln führen sowie drittens zumindest in Ansätzen das Instrumentarium zur Verfügung stellen, das für die Identifizierung und Klärung von Wertkonflikten sowie für die Teilnahme an moralischen Debatten erforderlich ist. Eine Einführung kann nur der Orientierung dienen und versuchen, Ordnung in die moralischen Problemstellungen und Ansprüche im Zusammenhang mit wirtschaftlichem Handeln zu bringen sowie an einigen ausgesuchten Beispielen moralische Reflexionen in Gang zu setzen.

Der Standpunkt der Moral ist kein Luxus, den wir uns an Feiertagen leisten. Richtig verstanden gibt die Moral dem Leben des Einzelnen Halt und ermöglicht ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit. Nicht nur der Einzelne, der sich ein gutes Leben wünscht, auch die Vielen, die für die Erreichung ihrer Ziele aufeinander angewiesen sind, müssen ein Interesse daran haben, dass die Moral ihren Platz im Leben jedes Einzelnen und einer Gesellschaft erhält und behält. Wenn ein einzelner Wirtschaftsstudent den Standpunkt vertritt: Wichtig ist nur, dass mein Unternehmen Geld verdient, warum soll ich mich mit Ethik beschäftigen? – dann ist das verzeihlich, wenn auch reichlich kurzsichtig. Wenn allzu viele nach dieser Devise verfahren, ist das eine Fehleinschätzung, die nicht mehr verziehen wird und sich rächt. Der Zusammenhang zwischen Leben und Zusammenleben gerät dann aus dem Blick und früher oder später auch aus den Fugen. Eine allgemeine Kultur des Wegschauens und Ausblendens führt, wie das Lehrstück Finanzkrise gerade gezeigt hat, am Ende zu einem Verlust des Vertrauens, das gerade die notwendige und unverzichtbare Basis für gesellschaftliche Zusammenarbeit und für gemeinsames Handeln und Wirtschaften darstellt. Die Einsicht, dass die moralischen Grundlagen des Zusammenlebens und eben auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht ungestraft ausgeblendet werden können, ist also im öffentlichen wie im privaten Bewusstsein wachzuhalten. Moral im Wirtschaftskontext sollte weniger als problematischer Eingriff von außen verstanden werden, sondern eher als Teil der Lösung des Problems, das wir haben, sofern wir frei und selbstbestimmt handeln wollen, entsprechend wirtschaftlich aktiv sind und uns gleichwohl als abhängig von einer funktionierenden Wirtschaft erfahren.

Adressaten dieses Buches sind einerseits Philosophiestudenten und zukünftige Lehrer der Praktischen Philosophie und Ethik, andererseits angehende oder praktizierende Volks- und Betriebswirte, die sich in einer breiten öffentlichen Debatte mit moralischen Ansprüchen konfrontiert sehen und in der Lage sein wollen, ihr Tun und ihre Entscheidungen in und vor dieser Öffentlichkeit argumentativ zu rechtfertigen. Nicht zuletzt dieses zunehmende öffentliche Interesse zeigt ja, dass keiner, der am öffentlichen Leben Anteil nimmt, sich den Fragen der Wirtschaftsethik entziehen kann. Wenn das Buch einen Beitrag dazu leisten könnte, die Kluft zwischen ökonomischem und moralischem Denken, aber auch das gegenseitige Unverständnis der unterschiedlichen Interessengruppen im öffentlichen Dialog zu verringern, wäre schon viel gewonnen.

Einführung in die Wirtschaftsethik

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