Читать книгу Einführung in die Wirtschaftsethik - Norbert Herold - Страница 21
4. Zusammenfassung, Lektürehinweise, Fragen und Übungen Zusammenfassung
ОглавлениеEthik und Moral sind zwar vom Wortursprung her gleichbedeutend, aber heute ist die Differenzierung zwischen der Moral als gelebter Sittlichkeit und der Ethik als Theorie der Moral üblich geworden. Wirtschaftsethik wurde eingeführt als eine Angewandte Ethik. Sie kann in der favorisierten Form des Kohärentismus nur beraten und als Teil eines moralischen Diskurses argumentative Hilfestellung leisten. Das ist aber nicht wenig, zumal der Bedarf an Moral in der Gesellschaft allgemein und in der Wirtschaft speziell zunimmt, während gleichzeitig das Recht in einer globalisierten Welt an seine Grenzen stößt.
Diese wachsende Bedeutung der Moral verdankt sich Veränderungen im Zuge der Moderne: der zunehmenden Komplexität der Wirtschaftsprozesse und der zu fällenden Entscheidungen, der Individualisierung und der zunehmenden Subjektivierung, schließlich der im Zuge der Globalisierung wachsenden Verantwortung der Unternehmen, deren Aktionsradius nationalstaatliche Regelungen sprengt. Wirtschaftsethik versucht, in diesem Prozess der Moralisierung eine Orientierung über das im Kontext der Wirtschaft Gebotene zu geben.
Mit dem Bedarf an Moral in der Wirtschaft wächst auch die Notwendigkeit, sich trotz persönlicher und kultureller Unterschiede über moralische Fragen zu verständigen. Wirtschaftsethik als Angewandte Ethik soll dies ermöglichen, muss dazu aber plausibel machen, dass wirtschaftliches und moralisches Denken keinen Gegensatz darstellen. Das scheint dem Augenschein zu widersprechen, ist aber die „Geschäftsbasis“ der unterschiedlichen Versionen, in denen heute Wirtschaftsethik vertreten wird. Eine Einführung in die Wirtschaftsethik versucht, einen ersten Überblick über die unterschiedlichen Ansätze zu geben. Zugleich wirbt sie für die Einnahme eines „moral point of view“ und versucht konkret zu zeigen, wie wirtschaftliches und moralisches Handeln zusammen gedacht und im Konfliktfall auf einen Nenner gebracht werden können.
Um zu prüfen, wieweit Wirtschaftsethik in den moralischen Debatten der Gegenwart zur Klärung beitragen kann, wurden verschiedene Faktoren untersucht: Zwei Umfragen unter Managern im Abstand von 15 Jahren (1992 und 2007) zeigen, dass die Bedeutung der Moral für die Wirtschaft gestiegen ist. Aus der skeptischen Sicht vieler Praktiker stellt sich allerdings die Frage, ob sie sich Moral leisten können. Dagegen steht die Überzeugung des Ethikers, dass sich eine Gesellschaft eine Wirtschaft ohne Moral erst recht nicht leisten kann.
Der Vergleich mit den in den USA entwickelten Business Ethics zeigt deren große Nähe zur Praxis und die Konzentration auf aktuelle Fragen. Es bestehen auch Unterschiede in der Auswahl der Basiswerte, in konkreten Verhaltensmustern und Grundüberzeugungen. Der Mentalitätsunterschied wirkt sich auf die Art und Weise aus, wie Wirtschaftsethik betrieben wird. Die Ausweitung der Forschungsanstrengungen im deutschen Sprachraum und die Annäherung zwischen akademischen Vertretern der christlichen Soziallehre und Fachvertretern der Wirtschaftswissenschaften lassen sich an Gemeinschaftsprojekten wie dem Lexikon der Wirtschaftsethik oder dem Handbuch der Wirtschaftsethik ebenso ablesen wie an Tagungsbänden, in denen Vertreter unterschiedlicher Fakultäten zusammenarbeiten. Hinter den wirtschaftsethischen Bemühungen im deutschsprachigen Raum steht das gemeinsame Anliegen, eine Antwort auf die Ordnungs- und Integrationsprobleme zu finden, mit denen sich eine individualisierte Gesellschaft konfrontiert sieht. Wirtschaftsethik kann sich daher nicht auf eine individualistische Ethik beschränken, sondern ist nur als institutionelle Ethik sinnvoll. Die unterschiedlichen Schulen in Deutschland sind sich einig in dem Anliegen, den auf einen instrumentellen Gebrauch verengten Begriff von wirtschaftlicher Rationalität wieder so weit zu fassen, wie es nötig ist, um die Wirtschaft „zur Vernunft“ zu bringen.