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5. Glaube und Zweifel

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Denken und Nachdenken schließt den Zweifel mit ein. Denn bei fortschreitendem Erkenntnisgewinn und beim Reflektieren des Erkannten stellen sich Fragen ein: Habe ich die Beobachtung und die Erfahrung richtig interpretiert? Habe ich etwas übersehen? Waren meine Schlussfolgerungen richtig? Der Zweifel ist geradezu kennzeichnend für das Wesen des Menschen.

Bei René Descartes findet sich die Forderung, „sich einmal im Leben zu entschließen, an allem zu zweifeln, worin man auch nur den geringsten Verdacht der Ungewissheit trifft.“7 Mit dieser Forderung geht es Descartes nicht um den Zweifel um des Zweifelns willen. Es geht ihm im Gegenteil darum, „festen Halt für etwas Unerschütterliches und Bleibendes in den Wissenschaften“ zu gewinnen.8

Der Zweifel besitzt im Glaubensleben und -bekennen eine heilsame Funktion. Er kann meinen unkritischen Enthusiasmus ent-täuschen. Er kann desillusionieren. Er kann Irrungen aufzeigen. Der ernsthaft glaubende und denkende Mensch darf das Nachdenken über Glaubensfragen nicht den Profis überlassen, sondern muss selbst seinen ihm gegebenen Verstand einsetzen, um „alles zu prüfen“ und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,21). Die Einbindung des Zweifels in das Nachdenken über Gott und seine Botschaft an die Welt gehört darum zur Aufgabe der Theologen und aller, die sich ernsthaft mit dem tradierten Glaubensgut befassen. Theologie definiert sich seit alters her als gläubige und zugleich vernünftige „Rede von Gott“. „Fides quaerens intellectum“ (der Glaube sucht den Verstand), so formulierte es Anselm von Canterbury (1033–1109). Glaube soll sein ein „obsequium rationabile“, ein von der Vernunft getragener sittlicher Akt, so sahen es die mittelalterlichen Theologen.

Jede gläubige Christin und jeder gläubige Christ haben das Recht zu zweifeln an dem, was ihr und ihm an christlichem Glaubensgut überliefert ist. Ein lebendiger und gereifter Glaube darf nicht blind und unvernünftig sein. Der Zweifel ist ein Zeichen dafür, dass etwas anziehend und interessant auf mich wirkt, dass mir etwas nicht gleichgültig erscheint. Ich beginne, darüber nachzudenken. Ich fühle mich genötigt, meinen bisherigen Standpunkt zu verlassen und auf die Sache zuzugehen, mich in eine Auseinandersetzung mit ihr einzulassen. Weil mir die Sache wichtig ist, beginne ich sie zu untersuchen, zu prüfen. Der Zweifel regt mich zu einer intensiveren Beschäftigung an. „Glaube ist Ungewissheit und Wagnis“, hat der Philosoph Peter Wust gesagt.9 Weil ich mitten im Leben stehe, habe ich das Recht, unsicher zu sein. Auf alles eine Antwort zu haben, heißt meistens Antworten zu haben, die zu keinen Fragen wirklich passen.

Der Zweifel ist kein Feind des Glaubens, sondern sein Schutz:

 Der Zweifel schützt davor, Geltungsansprüchen oder Heilsversprechungen zu schnell und leichtfertig Glauben zu schenken.

 Er schützt davor, Aussagen ungeprüft zu übernehmen und schlechte Argumente mit guten zu verwechseln.

 Er schützt vor allzu forschem Auftreten und vor übertriebener Selbstsicherheit, denn er lehrt mich, dass sich dahinter nicht selten Unsicherheit oder gar gähnende Leere verbergen.

Der Zweifel muss ein Hausrecht beanspruchen dürfen in unserem Glauben, in den Gemeinden, in der Kirche. Der Zweifel ist in seinem Element, wenn der Glaube durch mangelhafte geistige Anstrengung und Denkfaulheit am Leben gehalten wird. Wir dürfen ihn nicht aussperren, weil er uns unbequem erscheint, weil er unsere Selbstgewissheit durchkreuzt, weil er uns in unserer Scheinsicherheit verunsichert.

Allerdings ist auch zu beachten: Auch am Zweifel muss ich immer wieder zweifeln. Denn auch der Zweifel „glaubt nur“.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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