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II. Die Welt als Schöpfung Gottes? 1. Ein konfliktreiches Feld: Kirche und Naturwissenschaften a) Kopernikus und die Folgen

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Seit alters hat den Menschen die Frage bewegt, wie und warum die Welt entstanden sein könnte. Warum ist eigentlich etwas und nicht nichts? Ist der Kosmos das Produkt von „Zufall und Notwendigkeit“ (Jaques Monod) oder stellt er die geniale Inszenierung eines göttlichen Schöpfers dar?

Die Wurzeln von Kosmologie und Schöpfungstheologie führen interessanterweise etwa in die gleiche Zeit zurück – ins 6. vorchristliche Jahrhundert.

 Damals betrachteten in Süditalien Pythagoras (ca. 580–500 v. Chr.) und seine ordensähnliche Schülergemeinschaft den Sternenhimmel als Beweis für die Existenz eines harmonischen Weltganzen und entwarfen ein geometrisches Kosmosmodell.

 Während der Zeit des jüdischen Exils (597–538 v. Chr.) wurde im Zweistromland Babylonien in einer Priesterschule der Text des biblischen Schöpfungshymnus (Gen 1–2,4a) verfasst, der zur Grundlage jüdisch-christlicher Schöpfungstheologie wurde.

Die Pythagoreer begründeten mit ihrer Auffassung von den sich um die Erde drehenden himmlischen Sphären die Kosmologie. Zur Artikulation ihrer Vorstellung von einer mathematisch strengen Weltordnung benötigten sie eine sprachliche Chiffre, die sie in dem griechischen Wort „Kosmos“ fanden, das ursprünglich Ordnung, Schönheit und Zierde bedeutete. In einer ähnlichen Situation befanden sich die jüdischen Priester. Sie mussten für die Schöpfer-Tätigkeit Gottes eine angemessene Sprachregelung finden. Auch ihre Darstellung vom Entstehen der Welt zeichnet sich durch eine Hervorhebung der darin anzutreffenden Ordnung und Harmonie aus.

Im 2. Jh. n. Chr. fand die antike Kosmologie in Alexandria unter Claudius Ptolemäus ihre strengste mathematische Form: Das Himmelsgewölbe hat Kugelgestalt und dreht sich wie eine Kugel; ihrer Gestalt nach ist die Erde für die sinnliche Wahrnehmung, als Ganzes betrachtet, gleichfalls kugelförmig; ihrer Lage nach nimmt sie, einem Zentrum vergleichbar, die Mitte des ganzen Himmelsgewölbes ein; sie bewegt sich nicht und hat keinerlei Ortsveränderung.

Diese Vorstellung übernahm weitgehend auch die christliche Theologie. Sie begnügte sich bis ins Hochmittelalter hinein mit einer Vorstellung vom Kosmos, die aus der wörtlichen Interpretation der ersten biblischen Schöpfungserzählung (Gen 1–2,4a) hervorging.

Das änderte sich mit der Gründung der ersten Universitäten im 12. Jahrhundert, an denen sich eine der vier Fakultäten, die Artistenfakultät, besonders dem Studium antiker Mathematik, Astronomie und Naturphilosophie widmete. Der griechische Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) wurde „wiederentdeckt“ und intensiv diskutiert. Sein Postulat der unerschaffbaren und unzerstörbaren Welt, die einzig und ewig ist (so in seinem Buch „Über den Himmel“) und die gängige theologische Interpretation der Schöpfung führten im 13. Jh. zum Konflikt, der seinen Höhepunkt an der führenden Pariser Universität, der Sorbonne, erreichte. Auf kirchlich-theologischer Seite kam nämlich die Furcht auf, dass die säkulare Naturphilosophie den Glauben gefährden könnte. Andererseits gab es auf beiden Seiten Bestrebungen, Theologie und Naturphilosophie miteinander in Einklang zu bringen.

Die Auseinandersetzungen endeten mit einer Art von Kompromiss. Dabei kam ein ganzheitliches, antike Kosmologie und christliches Welt- und Gottesverständnis umfassendes Weltbild zustande, das rund drei Jahrhunderte in seinen Grundlagen unangefochten blieb. Der endliche Kosmos zu Füßen des göttlichen Thrones war sphärischsymmetrisch um die Erde angeordnet. Außerhalb der Fixsternsphäre, welche die natürliche Welt begrenzte, war ausreichend Raum für Gott und seine Engelwelt vorhanden. Die göttliche Allmacht war der Garant einer Weltordnung, in der alles für alle Zeiten seinen festen Platz hatte.

Eine entscheidende Wende brachte das 17. Jahrhundert. Astronomen und Physiker gelangten zu dem Schluss, dass die ptolemäische Astronomie und die aristotelische Kosmologie nicht mehr haltbar seien, weil sie nur den Augenschein, nicht aber die zu Grunde liegende Wirklichkeit beschrieben. Nikolaus Kopernikus (1473–1543) beobachtete, dass die Bewegung der Himmelskörper auf keine gleichförmige Kreisbewegung zurückzuführen ist. Die von Physikern und Mathematikern vorgenommenen komplizierten „Rettungsversuche“ des geozentrischen Weltbildes konnten ihn nicht überzeugen. Er fand die einfachere Erklärung und Lösung in der Tatsache, dass sich die Erde und die anderen Planeten um die Sonne drehen („heliozentrisches Weltbild“).

Für die meisten seiner Zeitgenossen war eine Bewegung der Erde allerdings schwer vorstellbar. Sie stand außerdem im Widerspruch zu wörtlich interpretierten Bibelaussagen (z.B. Josua 10,12–14 [„… die Sonne blieb stehen“] und Psalm 104,19 [„… die Sonne weiß, wann sie untergeht“]). Auch erschien ihnen die „Abwertung“ der Erde zu einem Planeten unter anderen theologisch problematisch. Nicht nur die päpstlichen Instanzen und Inquisitionstribunale, auch namhafte Männer der Reformation stellten sich unter Berufung auf die Bibel gegen die neue Lehre. Martin Luther hielt das Weltsystem des Kopernikus für schriftwidrig, und Melanchthon schrieb: „Es ist eine Schande und ein Ärgernis, so unsinnige Meinungen der Öffentlichkeit zu unterbreiten.“

Die Überlegenheit der heliozentrischen Theorie wurde jedoch deutlich erkennbar, nachdem Johannes Kepler (1571–1630) endgültig mit den antiken Vorstellungsmustern gebrochen hatte.

Doch die römische Kirchenleitung gab sich noch nicht geschlagen. Sie sah ihr Wahrheitsmonopol bedroht. Sie hatte schon durch die Reformation erheblich an Einfluss verloren. Darum versuchte sie, durch den Einsatz all ihrer Machtmittel die neue „Irrlehre“ zu bekämpfen. An Galileo Galilei (1564–1642) wurde ein Exempel statuiert. Papst Paul V. verurteilte ihn 1616 zum ersten Mal wegen seines Eintretens für das Kopernikanische Weltbild. Eine zweite Verurteilung folgte 1633 durch Papst Urban VIII., der Galilei dazu nötigte, seinem angeblichen Irrtum abzuschwören. Die römische Kirche hatte einen Pyrrhus-Sieg errungen, der für lange Zeit die völlige Entfremdung zwischen Naturwissenschaft und Theologie zur Folge hatte. Ob Galilei auf dem Totenbett widerrufen hat („Und sie bewegt sich doch“), ist historisch nicht nachweisbar. Erst 1992 wurde er durch Papst Johannes Paul II. rehabilitiert.

Die Wirkungsgeschichte dieses unseligen Konflikts ist bis heute spürbar, obwohl die Kirche inzwischen erkannt hat, dass sie nicht mit der Bibel gegen die Naturwissenschaften operieren kann, weil die Bibel nicht die Aufgabe hat, Menschen über naturwissenschaftliche Fakten aufzuklären. Die Theologie hat gelernt, unwiderlegbare naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse zu respektieren, auch wenn dies manche Wandlungen in der Gottesvorstellung und im Menschenbild zur Folge hat. Andererseits hat sich auch bei den Naturwissenschaften die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie die Antwort auf letzte Fragen nach dem Warum und Wozu des Kosmos, nach dem Woher und Wohin der Evolution, nach Sinn und Ziel menschlicher Existenz nicht zu geben vermag.

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