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Im Brennpunkt des Helldunkel

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Caravaggio

Die Hell-Dunkel-Malerei besitzt ihren ersten Heros in Caravaggio um 1600, im 17. Jahrhundert ihren zweiten in Rembrandt. Zahlreiche Schüler und Nachahmer lassen sich europaweit um diese beiden Protagonisten, den Italiener und den Holländer, gruppieren. Vieles an Caravaggio war bemerkenswert, in seinem Leben und in seiner Kunst. Letztere weist etliche Innovationen auf und gehorcht einem Naturalismus bzw. Realismus, der sich zum Verismus von oft schockierender Hässlichkeit steigert. Am folgenreichsten aber wurde Caravaggios noch nie da gewesene, früher höchstens ansatzweise erprobte Lichtregie, die Figuren und Details in Lichtkegeln scheinwerferartig aus den Schattenpartien herausgreift, in den Vordergrund eines meist engen, undefinierten, dunklen Bildraums rückt und das Close-up der Fotografie und des Films vorwegzunehmen scheint. Die Lichtbahnen steuern die Blickbahnen, die das Auge des Betrachters zu den ikonografischen Zentren des Geschehens gleich einem Leitstrahl hinführen, und zwar nicht selten von der Seite her. Man darf Caravaggios Werke ihrer Komposition nach als Atelierbilder bezeichnen (auch wenn viele von ihnen funktionell Altarbilder waren), rekapitulieren sie doch die künstliche Lichtführung im abgedunkelten Atelierraum. Lokalfarben, d.h. die einem konkreten Gegenstand zukommenden Farben, die nicht modelliert, schattiert oder tonig angeglichen sind, kommen nicht mehr vor, alle Töne (und Caravaggios Palette verfügte über eine große Bandbreite von Pigmenten) sind in den dramatischen Inszenierungen vor allem seines Spätwerks zum Licht, zum Weiß hin gehöht, oder aber sie versinken im selbstherrlichen Dunkel und in der Nichtfarbe Schwarz. In der scharfen Kontrastierung der farbigen, weil angestrahlten, und der lichtabgewandten unfarbigen Partien gehen Zwischenwerte wie Reflexlichter und Halbschatten fast gänzlich verloren.


Caravaggismus

„Exzentrisch“ nennt man heutzutage gern Caravaggios provokante Licht- und Farbdramaturgie, die sich an der Epochengrenze zwischen Spätrenaissance bzw. Manierismus und Frühbarock entfaltete. Zwar bewunderten schon manche zeitgenössische Connaisseure, hochrangige Förderer und Sammler seine undogmatische Kunst. Doch dann gestaltete sich die Rezeption zwiespältig. Während das Helldunkel und der Realismus seiner Gemälde breiteste Nachfolge in Europa fanden, bei vielen durchschnittlichen Tenebristen, aber auch bei Größen wie dem Spanier Jusepe de Ribera, dem Franzosen Georges de La Tour, bei den Holländern Jan Vermeer und Rembrandt, geriet Caravaggio selbst derart in Vergessenheit, dass seine Arbeiten häufig dem Utrechter Maler Gerard van Honthorst zugeschrieben wurden, der im 17. Jahrhundert als ein Hauptrepräsentant des „Caravaggismus“ fungierte.

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