Читать книгу Der Stand der Dinge - Odd Klippenvåg - Страница 11
ОглавлениеEr wird vom Rascheln geweckt, mit dem die Vorhänge geöffnet werden.
«Guten Morgen, Simon!», sagt die junge Neue. «Bist du wach?»
Ehe er antworten kann, ist sie verschwunden. Er kann über der Schirmwand ihre struppigen Haare sehen und hört, wie sie mit Hermansens Waschschüssel klirrt. Dann dreht er den Kopf und betrachtet die Hochhäuser auf der Anhöhe in der Ferne. Obwohl das Tageslicht trübe ist, sieht er, wie es über die schmale Fensterbank fällt und auf dem Boden ein viereckiges Lichtfeld bildet.
«Du kommst allein zurecht, Simon, ja?»
Jetzt steht sie beim Waschbecken und sieht ihn im Spiegel an.
«Mit etwas Hilfe wohl», antwortet er und hört das Wasser aus dem Hahn laufen.
Für einen Moment ahnt er einen Schatten an der Wand, als sie Hermansen die Decke wegzieht, so dunkel ist es also. Der arme Mann, denkt er und versucht, sich vorzustellen, was werden soll, wenn die Zeit kommt, in der er selbst so hilflos sein wird. Dass Hermansen dort auf dem Rücken liegt. Die dünnen, weißen Beine ausgestreckt. Sein Glied unter dem Nachthemd.
«Bist du eingeschlafen, Simon?»
«Nein, das nun wirklich nicht», antwortet er.
«Willst du dann nicht aufstehen?», fragt sie.
«Du musst mir dabei helfen, bitte», sagt er.
Sie ist zu abrupt und grob, das merkt er, und weil sie ihn an der Raubvogelkralle hochziehen will, muss er Protest einlegen.
«Die andere», sagt er.
Ihm wird immer ein wenig schwindlig, wenn er sich aufrichtet, und immer hat er Angst zu fallen.
«Kannst du jetzt von selbst stehen?», fragt sie.
«Das hoffe ich», antwortet er.
Dann lässt sie ihn los und geht zum Waschbecken, um für ihn Wasser einlaufen zu lassen.
Im Spiegel sieht er die runzligen Tränensäcke unter seinen Augen, die Altersflecken auf den Wangen und die viel zu struppig gewordenen Augenbrauen. Als er seinen elektrischen Rasierapparat hervornimmt, fällt ihm ein, dass Annar den für ihn gekauft hat; ein Geschenk zum sechzigsten Geburtstag, wenn er sich nicht irrt.