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ОглавлениеTeil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 1. Tötungsdelikte › § 4. Fahrlässige Tötung (§ 222)
A. Grundlagen
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Die fahrlässige Tötung schließt den Sechzehnten Abschnitt des StGB ab. Wie die Vorsatztaten (§§ 211, 212 und 216; vgl. §§ 1 bis 3) schützt die Vorschrift das Rechtsgut Leben.
B. Tatbestand
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Auch § 222 erfordert die Tötung eines (anderen) Menschen (vgl. § 1 Rn. 5 ff.). Diese muss durch Fahrlässigkeit verursacht werden. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze.[1] Es bedarf somit einer – objektiven und subjektiven – Sorgfaltspflichtverletzung des Täters, die für den Tod kausal geworden ist und es erlaubt, diesen dem Täter zuzurechnen (zur Zurechnung vgl. Rn. 3).[2]
Beispiele:
A tritt dem am Boden liegenden B ohne Tötungsvorsatz mehrfach mit dem „bestiefelten“ Fuß gegen den Kopf, bis B das Bewusstsein verliert. Dieser stirbt wenig später infolge der erlittenen Verletzungen (zum § 227 vgl. § 7 Rn. 29 ff.).[3]
C verlässt ihre Wohnung, ohne sich um noch glimmende Zigaretten zu kümmern. Diese verursachen einen Brand, in dem die Kinder der C zu Tode kommen.[4]
Vertiefungshinweise:
Da aus medizinischen Maßnahmen besonders ernste, vom Patienten regelmäßig nicht einzuschätzende Folgen entstehen können, sind an die ärztliche Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen.[5] Im Übrigen kommen im Einzelfall spezielle Bestimmungen als Maßstab der erforderlichen Sorgfalt in Betracht, beispielsweise das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG)[6] oder die StVO, aber auch Sport- oder technische Regeln,[7] die Polizeigewahrsamsordnungen der Länder[8] sowie die Verpflichtung, Waffen und Munition sicher aufzubewahren (§ 36 Abs. 1 WaffG).[9]
Der Vollzugsbehörde kommt bei der Entscheidung, ob einem Strafgefangenen Vollzugslockerungen gewährt werden können, ein Beurteilungsspielraum zu, der hinsichtlich der Frage einer eventuellen Sorgfaltswidrigkeit vom überprüfenden Gericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist.[10]
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Der Pflichtwidrigkeits- bzw. Zurechnungszusammenhang kann durch Handlungen Dritter unterbrochen werden, insbesondere durch von diesen verübte vorsätzliche Straftaten, sofern der Täter mit deren Begehung nicht rechnen und die er somit nicht vorhersehen konnte.[11]
Beispiel:
A hat als Inhaber eines Mietshauses Renovierungsabfälle im Hauseingangsbereich zwischengelagert. Diese setzt B vorsätzlich in Brand. In den Flammen sterben sieben Hausbewohner.[12]
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Diesbezüglich können auch die Grundsätze des sog. erlaubten Risikos bedeutsam sein. Gleiches gilt für das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit.[13] Mangels einer Haupttat ist nicht strafbar, wer etwa eine auf freiem Willensentschluss beruhende Selbstschädigung oder gar -tötung (vgl. § 1 Rn. 20) vorsätzlich unterstützt. Eine Bestrafung wegen nur fahrlässiger Mitwirkung an einer solchen Selbsttötung verstieße mithin gegen das in den §§ 15 und 18 ausgedrückte Stufenverhältnis beider Schuldformen und bedeutete einen Wertungswiderspruch.[14]
Beachte:
Beim § 222 ist somit die Kontrollüberlegung erforderlich, ob der Täter strafbar wäre, wenn er – sogar – vorsätzlich gehandelt hätte. Denn die Haftung für fahrlässiges Verhalten darf nicht weiter gehen als für vorsätzliches.[15]
Vertiefungshinweis:
Die Richtigkeit dieser Ansicht zeigt die Überlegung, dass andernfalls ein Angeklagter sich mit der Behauptung verteidigen müsste, er habe den sich selbst tötenden Menschen nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich unterstützt.[16]
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Ist danach die Zurechenbarkeit des von einem Dritten selbst herbeigeführten Todes zu verneinen, fehlt es bereits am Tatbestand. Die Strafbarkeit beginnt nach gängiger Ansicht erst dort, wo der Täter kraft überlegenen Sachwissens das Todesrisiko besser erfasst als derjenige, der sich selbst gefährdet, weil er die Tragweite seines Tuns nicht erkennt.[17] Dies ist jedoch nur für die Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes zutreffend. Für den Tatbestand der fahrlässigen Tötung (oder Körperverletzung) genügt es nach zutreffender Ansicht hingegen bereits, wenn der Täter das Risiko bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt rechtlich erheblich besser als das Opfer hätte erfassen können.[18]
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Der Bundesgerichtshof schränkt die dargelegten Grundsätze dann ein, wenn der Täter „die naheliegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung dadurch schafft, dass er ohne Mitwirkung und ohne Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut des Opfers oder ihm nahestehender Personen begründet und damit für dieses ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft“.[19]
Beispiel:
A setzt das Wohnhaus des B in Brand. Dessen Sohn C erkennt das für ihn bestehende Risiko, eilt aber gleichwohl in das in Flammen stehende Gebäude, um dort befindliche Menschen zu retten. Dabei stirbt er.
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Die Einbeziehung sich in derartigen Situationen selbst gefährdender Personen in den Schutzbereich namentlich des § 222 hält der Bundesgerichtshof für sachgerecht, sofern es sich nicht „um einen von vornherein sinnlosen oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen Rettungsversuch handelt“.[20]
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Dieser – von der h.L. gebilligte –[21] Ansatz verdient keine Zustimmung. Er ist weder dogmatisch begründbar noch praktikabel. Denn für die Eigenverantwortlichkeit ist nur von Bedeutung, ob jemand sich in voller Kenntnis der Situation den sich aus ihr ergebenden Gefahren bewusst aussetzt.[22] Das Motiv dafür kann für die Strafbarkeit des Täters nicht von Bedeutung sein. Gleiches gilt für die – in der Praxis häufig kaum zu klärende – Frage, ob das Handeln des Getöteten „sinnlos“ und „unverhältnismäßig gewagt“ war oder noch „vernünftig“.
C. Täterschaft und Konkurrenzen
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Eine Beteiligung mehrerer an einer fahrlässigen Tötung ist als Nebentäterschaft möglich.[23]
Beispiel:
Jeweils sorgfaltswidriges Verhalten des Statikers und des Bauleiters führen zum Einsturz eines Hauses, der den Tod eines Menschen verursacht.
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Auf der Konkurrenzebene tritt § 222 hinter durch den Tod eines Menschen erfolgsqualifizierten Delikten (z.B. §§ 227, 251) als subsidiär zurück.[24] Werden durch eine fahrlässige Handlung mehrere Menschen getötet, liegt gleichartige Tateinheit vor (§ 52), die im Schuldspruch zum Ausdruck kommen muss.[25] Zu einem im Anschluss an einen tödlichen Unfall begangenen Verstoß gegen § 142 besteht in der Regel Tatmehrheit (§ 53; vgl. § 33 Rn. 54).
D. Kontrollfragen
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1. | Welche Maßstäbe sind beim § 222 an die Fahrlässigkeit anzulegen? → Rn. 2 |
2. | Wie wirkt sich das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit im Rahmen des § 222 aus? → Rn. 4 f. |
3. | Ist dieses Prinzip für bestimmte Fälle einzuschränken? → Rn. 6 ff. |
Aufbauschema (§ 222)
1. | Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Den Tod (2) Einen (anderen) Menschen (3) Durch (objektive) Fahrlässigkeit verursachen (4) Pflichtwidrigkeitszusammenhang b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz |
2. | Rechtswidrigkeit |
3. | Schuld |
Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:
Leitentscheidungen: BGHSt 24, 342 – „Selbstmordfall“; BGHSt 32, 262 – „Heroinspritzenfall“; BGHSt 39, 322 – „Brand-Retter-Fall“; BGH NStZ 1985, 25 – „Stechapfelteefall“
Aufsatz: Mitsch, Grundfälle zu den Tötungsdelikten, JuS 1996, 407
Übungsfallliteratur: Herles/Steinhauser, Übungsklausur Strafrecht: Ein folgenreicher Skitag, Jura 2013, 1281; Riemenschneider, Der praktische Fall – Strafrecht: „Ein Beifahrer steigt aus“, JuS 1997, 627; Siebrecht, Der praktische Fall – Strafrecht: Brutaler Besuch, JuS 1997, 1101