Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil - Olaf Hohmann - Страница 58
1. Körperliche Misshandlung (§ 223 Abs. 1 1. Alt.)
Оглавление3
Eine körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt.[2] Diese Voraussetzung ist jedenfalls erfüllt, wenn es infolge einer Einwirkung auf den Körper eines anderen zu einem Substanzschaden oder gar -verlust kommt.
Beispiele:
B erleidet durch einen Tritt des A einen Armbruch.
C verliert durch einen Faustschlag des D einen Zahn.
4
Eine Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 1. Alt. kann aber auch ohne Verletzung der körperlichen Integrität vorliegen. Beispielsweise ist die Begehungsvariante zu bejahen, wenn der Täter einem anderen Benzin oder Brennspiritus über den Kopf gießt,[3] ihm an Haaren und Bart zieht[4] oder ihn mit Teer beschmiert,[5] selbst wenn es zu keiner Schädigung etwa von Augen oder Haut kommt, nicht aber generell bei jedem Schlag oder Stoß.[6]
5
Eine Beeinträchtigung lediglich des seelischen Wohlbefindens durch eine vom Täter verursachte psychisch-emotionale Reaktion (z.B. Schreck, Angst, Ekel) ist grundsätzlich nicht ausreichend.[7] Anderes gilt aber dann, wenn die Reaktion zugleich zu körperlichen Nebenwirkungen führt, etwa starke Magenbeschwerden, langanhaltende Schlafstörungen,[8] einen Brechreiz[9] oder einen behandlungsbedürftigen Schock hervorruft.[10]
Beispiel:
In nächtlichen Telefonanrufen bedroht A die B. Diese hat große Angst und erleidet infolgedessen einen Nervenzusammenbruch mit 20minütigem Weinkrampf.[11]
Vertiefungshinweis:
§ 30 WStG stellt die körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung eines soldatischen Untergebenen durch einen Vorgesetzten unter Strafe, § 31 WStG die ggf. auch durch psychische Einwirkung begangene entwürdigende Behandlung.[12]
6
Da es sich um eine üble unangemessene Behandlung handeln muss, scheiden dagegen unerhebliche Einwirkungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift aus, beispielsweise ein leichter Klaps auf den Po sowie ein kurzes Anstoßen oder Kratzen. Gleiches gilt für ein einmaliges Anspucken (insoweit kommt § 185 in Betracht; vgl. § 14). Für die aus Sicht eines objektiven Dritten zu beantwortende Frage der Erheblichkeit spielt es im Übrigen keine Rolle, ob das Vorgehen des Täters Schmerzen hervorruft[13] oder vom Opfer überhaupt wahrgenommen wird.
Beispiele:
Auch ein schlafender, bewusstloser oder allgemein schmerzunempfindlicher Mensch kann körperlich misshandelt werden. Schmerzloses Vorgehen wie das Abschneiden von Haaren kann genügen.[14]
Vertiefungshinweise:
Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit Maßnahmen an vom Körper abgetrennten Körperteilen und -substanzen (z.B. kurzzeitig entnommenem Augapfel, Eigenblutspende oder eingefrorenem Sperma) eine Körperverletzung darstellen können.[15] –
Der Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225) enthält drei Begehungsvarianten; er ist wesentlich enger gefasst als § 223 Abs. 1 1. Alt.: Quälen (§ 225 Abs. 1 1. Var.) bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden, die über die typischen Auswirkungen einzelner Körperverletzungen hinausgehen.[16] Dieses Merkmal wird typischerweise durch mehrere Handlungen verwirklicht, die dann als auf Dauer angelegter Komplex eine Handlungseinheit bilden.[17] Roh ist eine Misshandlung (§ 225 Abs. 1 2. Var.), wenn sie aus einer gefühllosen, gegen die Leiden des Opfers gleichgültigen Gesinnung heraus erfolgt,[18] beispielsweise ein Kind massiv getreten und mit Fäusten geschlagen sowie an den Haaren gerissen und ihm der Mund mit trockenem Brot vollgestopft wird.[19] Anders als das Quälen bezieht sich diese Tatvariante stets auf ein einzelnes körperverletzendes Geschehen.[20] Eine Verwirklichung dieser beiden Tatbestände ist unter den Voraussetzungen des § 13 auch durch Unterlassen möglich,[21] wobei bedingter Vorsatz ebenfalls genügt.[22] Aus einem verwerflichen Beweggrund und damit böswillig vernachlässigt seine Sorgepflicht (§ 225 Abs. 1 3. Var.), wer etwa von Bosheit, Lust an fremdem Leid, Hass oder Geiz bestimmt wird,[23] namentlich aus Eigensucht nach außen als lebenstüchtig erscheinen und seine Unfähigkeit zur Alltagsbewältigung nicht offenbaren will.[24] Bei dieser Begehungsvariante handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt.[25] Die Qualifikationen des § 225 Abs. 3 müssen vorsätzlich verwirklicht werden; § 18 ist nicht anwendbar.[26] § 225 Abs. 3 Nr. 2 verdrängt auf der Konkurrenzebene § 171.[27]