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Hoboken und Alkuin

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Gegen Mittag trafen Fett und Schmelzer in Aachen ein. Das Appartement von Dr. Brauers wirkte aufgeräumt. Eine Musterwohnung der gehobenen Preisklasse: Möbel aus Italien, Chuck Close und Neo Rauch an den Wänden, Toplage am Lousberg, Blick auf die Stadt. Die KTU nahm das Notebook und einige Aktenordner mit. Fett schaute die CD- und Plattensammlung durch. Brauers besaß einen exklusiven Plattenspieler für die alten Vinylscheiben. Franz Zappas »Over-Nite Sensation« lag obenauf. Nicht schlecht, dachte Fett. Lange nicht mehr gehört.

»Lebte er allein?« Fett blickte zu Schmelzer.

»Sieht so aus.« Schmelzer öffnete die Schubladen des Designerschreibtisches und wühlte in den Unterlagen.

»War geschieden. Frau und Tochter leben in einem Penthouse in Hoboken mit Blick auf Manhattan. Feine Adresse in New York.«

»Hoboken? War ich noch nie. Nachbarrevier von Popeye Doyle. French Connection.« Schmelzer schüttelte den Kopf über Fetts Assoziationen. »Brauers habe ich doch oft in der Zeitung gelesen. Immobilien, Messen, Kunst und Kultur. War er mal Karnevalsprinz?« Fett sprach mehr zu sich als zu Schmelzer.

»Kann sein. Jeder war mal Prinz. Zumindest von den ganz, ganz wichtigen Herren in der Kaiserstadt. Quasi alle Nachfolger Karls des Großen.«

»Was Sie alles wissen, Schmelzer. Fast so gut wie Einhard.«

»Besser als Einhard. Alkuin.«

»Wow. Wie der Hund vom Dompropst. Dann mal los, Alkuin. Bin auf Ihre These gespannt.«

»Alkuin – Hund vom Dompropst? Eher der Spindoctor von Karl dem Großen. Also: viele Jobs, viele Feinde. Neid, Konkurrenz, Rache, Gier, Eifersucht. Bei Brauers kommt alles zusammen. Suchen Sie sich was aus. Ein Tausendsassa, sagte man doch früher so. Der machte Geld aus allem.«

»Sehr konkret. Besten Dank, Alkuin vom Steppenberg. Fangen wir mal ganz klein an. Freitagsprogramm von Brauers. Gibt es einen Terminkalender oder steht alles im Handy? Haben wir sein Handy? Gibt es eine Chefsekretärin?«

»Marion Schnell. Sie leitet sein Büro im Kapuziner Karree. Brauers Handy haben wir nicht gefunden. Treibt vielleicht gerade in Richtung Urfttalsperre.«

»Rufen Sie Frau Schnell an. Hurtig. Um nicht zu sagen schnell.«

Fett ging durch die Zimmer. Ihm kam es so vor, als ob er in eine Musterwohnung für »Schöner Wohnen« eingedrungen sei. Nicht nur aufgeräumt, sondern steril. Er dachte an sein eigenes Arbeitszimmer. Immer kippte ein Stapel mit Büchern um. Ständig waren die alten Schallplatten in falschen Hüllen. Irgendwo lagen seine Socken verstreut. Hier nicht. Alles an seinem Platz. Vielleicht ist das das Geheimnis des Erfolgs. Alles an seinem Platz. Ordnung als oberstes Prinzip. Auch am Bücherregal. Klassiker des ökonomischen Denkens. »Feuchtgebiete« neben dem Krimi »Allerseelenschlacht«. Managerbücher wie »Heute arm, morgen reich. Karriere ohne Kurven« und Alltagsweisheit wie »Glücklichsein mit ernster Heiterkeit«, mehrere Exemplare seiner Doktorarbeit im Fach Wirtschaftsgeografie zum Thema »Landschaftsraum, Ökologie und Tourismus. Eine Symbiose.« Kein großer Leser, der große Macher. Die DVD-Sammlung bestand aus Arthaus-Klassikern von der ZEIT. Manche noch verschweißt. Woran hatte Dr. Brauers Freude? Am Kontostand? An Zeitungsartikeln? An VIP-Einladungen? An einer Jacht, an Häusern? War er ein Wohltäter? Sammelte er Orden? Oder alles zusammen?

»Mit wem haben wir es zu tun, Schmelzer? Wer war der Mann, was trieb ihn an?«

Schmelzer staunte im Bad über die Pflegeserie für Männer, während er seit Jahren zum Schrecken seiner Ehefrau Anne immer noch Old Spice benutzte.

»Ich tippe auf Macht. Macht macht mächtig und sexy. Da gehen alle Türen schnell auf. Keine Wartezeiten. Sofort Termine. VIP-Lounge am Airport. Businessclass bei der Lufthansa. Premierenabo im Stadttheater. Eigene Lounge am Tivoli, na, darauf kann man ja jetzt verzichten. Vielleicht steht auf dem Flugfeld von Merzbrück eine Cessna. Wer weiß? Antrieb? Gestalten, machen, bewegen, schaffen, nicht vergessen werden. Etwas hinterlassen. Was treibt die Menschen an? Ruhm, Ehre, Geld, Ansehen.«

»Nicht schlecht, mein lieber Alkuin. Wie kam er so weit? Hochgearbeitet? Schauen Sie sich seinen Lebenslauf an. Hier finden wir nichts mehr. Eher noch die KTU auf seinen Computern und dem technischen Gedöns. Auf zu seiner Sekretärin. Die wissen alles, auch das, was nicht in der Zeitung steht.«

Tote Biber schlafen nicht

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