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1 Das Zentrum unseres Lebens
Оглавление»Sprache ist sehr mächtig. Sprache beschreibt die Realität nicht nur. Sprache erschafft die Realität, die sie beschreibt.«
Desmond Tutu
Wir kommen auf diese Welt verletzlich, vollkommen abhängig und bestens darauf vorbereitet, sprechen zu lernen. Von dem Moment unserer Geburt an steht Kommunikation im Zentrum unseres Lebens.
Ein Menschenkind wird mit dem Potenzial geboren, jede der rund siebentausend Sprachen auf dieser Welt zu lernen. In den ersten Wochen und Monaten haben wir jedoch nur zwei Mittel zur Verfügung, um unsere Bedürfnisse auszudrücken: Weinen und Lächeln. Das ist die Ausgangsbasis für unsere Gehirnentwicklung. Die Neuronen sind darauf angelegt, die menschliche Sprache nach Rhythmus, Klang, Ton und Lautstärke zu unterscheiden. Und in diesem frühen Alter lernen wir sehr schnell – unabhängig davon, in welche Sprache die Umstände (oder das Schicksal) uns hineinfallen lassen.
Mittels dieses Systems aus Klängen, Worten und Grammatik lernen wir, unsere Gefühle auszudrücken, um das zu bitten, was wir brauchen, und das zu bekommen, was wir wollen. Schließlich, wenn alles gut läuft, lernen wir, zu lesen und komplexere soziale Signale einzusetzen; wir lernen Metaphern, Idiome und Humor. Und all dies lernen wir durch Zuhören, Nachfragen, Beobachten und Wiederholen.
Wenn wir mithilfe der Sprache unseren Platz in der Menschenfamilie einnehmen, greifen wir ganz natürlich jene Kommunikationsmuster auf, die nun mal in unserer jeweiligen Herkunftsfamilie, ethnischen Gruppe, sozialen Schicht, Geschlechtszugehörigkeit, Gesellschaft und dominanten Kultur vorherrschen. Manche von uns lernen, dass es nicht sicher ist, Bedürfnisse auszudrücken, und versuchen dann zu bekommen, was sie brauchen, indem sie sich um andere kümmern. Andere lernen, gewaltsam zu bekommen, was sie wollen; also setzen sie sich durch und versuchen, als die Stärksten oder Klügsten dazustehen. Wieder andere lernen, dass ihre Bedürfnisse von der Gesellschaft nicht geschätzt werden, und werden dann innerlich hart und schneiden sich von ihrer Verletzlichkeit ab. Und manchmal lernen wir zum Glück auch, dass es Raum gibt, um das zu bitten, was wir brauchen, und dabei mit den anderen in Verbindung zu bleiben und gemeinsam eine Lösung zu finden.
Die meisten Menschen vereinen mehrere dieser Strategien, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, doch egal, was wir gelernt haben, wir alle haben eine Kommunikationsschulung durchlaufen, wenn auch zumeist eine unbewusste. Der Kontext unseres sozialen Umfeldes und kulturellen Milieus bestimmt den Rahmen und prägt unsere Überzeugungen, und unsere Lebenserfahrung bestätigt und verstärkt diese. Zumindest geschieht dies so lange, bis etwas in unserem Inneren wach wird und sagt: »Das geht so einfach nicht!« Diese Erkenntnis mag durch eine gescheiterte Beziehung oder eine schwierige Ehe befördert werden, durch einen Streit, der in dem Verlust einer Freundschaft endet, oder durch ständige Kommunikationsprobleme bei der Arbeit, durch das Ringen ums Überleben in einem System, das nicht darauf angelegt ist, unsere menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen, durch die missliche Lage unserer Welt – oder einfach dadurch, dass wir die Tyrannei der Stimme in unserem eigenen Kopf satthaben.
Die gute Nachricht bei alldem lautet: Da Sprache etwas Erlerntes ist, da unsere Kommunikationsmuster und die emotionalen Gewohnheiten, die sie am Laufen halten, angelernt sind, können sie auch verlernt und neu gelernt werden. Wir können lernen, auf eine neue Weise zu sprechen und zuzuhören, die dem Leben dient, das wir führen wollen, und der Gesellschaft, die wir schaffen wollen, zuträglicher ist.6 Wir können lernen, unsere Stimme zu finden, zu sagen, was wir meinen, und eine tiefere Art des Zuhörens entdecken.