Читать книгу Sag mir, was du wirklich meinst - Oren Jay Sofer - Страница 8
Einleitung
ОглавлениеWas wir sagen, ist bedeutsam. Wir alle haben schon einmal die Kraft der Worte gespürt, die uns heilen, beruhigen oder fröhlich stimmen kann. Selbst eine einzige warmherzige Bemerkung kann entscheiden, ob wir aufgeben oder ob wir die Kraft finden, uns den Herausforderungen des Lebens zu stellen.
Wir alle haben auch schon erlebt, welch großer Schaden durch Sprache angerichtet werden kann. Bissige Worte, mit Zorn oder Grausamkeit gespickt, können eine Beziehung zerbrechen lassen und jahrelang unheilvoll nachwirken. Sprache kann missbraucht werden, um Massen zu manipulieren und sie unter Druck zu setzen, um Ängste zu schüren, Unterdrückung auszuüben und zu Krieg, Terror und Völkermord aufzuhetzen. Wenige Dinge, die so mächtig sind, sind gleichzeitig so alltäglich.
Sprache ist in den Stoff unseres Lebens eingewoben. Die erste Liebe. Der erste Job. Die Abschiedsworte an einen geliebten Menschen. Unsere Anfänge und Enden und auch die unzähligen Momente dazwischen sind durchzogen vom Spiel der Worte, in dem wir unsere Gedanken, Gefühle und Wünsche miteinander teilen.
Meine Eltern erzählen, dass ich ein durchaus mitteilungsbedürftiges Kind gewesen sei. »Iss, Oren!«, ermahnten sie mich immer wieder eindringlich bei den Mahlzeiten in dem Versuch, den Strom von Fragen, der aus meinem kleinen Mund nur so hervorquoll, ins Leere umzulenken und mich daran zu erinnern, dass ich essen sollte. Meine Faszination für Worte begann schon früh. Ich kann mich noch gut an die Begeisterung erinnern, die ich verspürte, wenn ich die Bedeutung eines einfachen Kompositums wie etwa »Seegras« oder »Sonnenuntergang« entdeckte – diesen Aha-Moment, wenn abstrakte Bestandteile sich mit einem Mal in vertrautere Klänge verwandelten.
Worte sind gewissermaßen Magie. Zu leben und sich seiner selbst bewusst zu sein auf diesem bemerkenswerten Planeten mit seinen Wäldern und Seen, seinen Meeren und Bergen, in diesem weiten Universum mit Milliarden von Galaxien ist an sich schon mysteriös genug. Was für ein Wunder, sich einen Moment lang in die Augen blicken und Worte formen zu können, mit denen wir etwas von unserem Leben erzählen.
Die Schöpfungsmythen vieler Kulturen und Religionen aller Epochen, seien sie östlichen, westlichen oder indigenen Ursprungs, wissen seit jeher um die generative Kraft von Sprache und sprechen der Macht der Worte eine Schlüsselrolle in den Anfängen des Kosmos zu. In der Tat haben Worte die Kraft, unsere Realität zu formen. So wie wir denken, so nehmen wir wahr; so wie wir wahrnehmen, so handeln wir. Darüber hinaus spiegelt sich in den Lehren aller Weltreligionen ein universelles Verständnis der ethischen Implikationen von Sprache wider – ihr Potenzial, Gutes oder Schädliches zu bewirken –, weswegen sie moralische Vorgaben zur richtigen Wahl unserer Worte machen.
Meine kindliche Faszination für Sprache kristallisierte sich später zu dem festen Vorsatz, verstehen zu wollen, wie man Worte weise gebraucht, während ich an einem Meditations-Retreat mit dem vietnamesischen Zen-Meister, Dichter und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh teilnahm. Seine moderne Interpretation von Buddhas Leitlinien zum »rechten Sprechen« brachten eine Seite tief in meinem Inneren zum Schwingen und motivierten mich, so viel ich nur konnte, über Kommunikation zu lernen. Ich finde sie nach wie vor sehr inspirierend.
Im Bewusstsein des Leides, das durch unachtsame Rede und aus der Unfähigkeit, anderen zuzuhören, entsteht, bin ich entschlossen, liebevolles Sprechen und tief mitfühlendes Zuhören zu entwickeln, um meinen Mitmenschen Freude und Glück zu bereiten und ihr Leiden lindern zu helfen. Da Worte sowohl Glück als auch Leiden hervorrufen können, bin ich entschlossen, nichts Unwahres zu sagen und Worte zu gebrauchen, die Selbstvertrauen, Freude und Hoffnung wecken. Ich werde keine Nachrichten verbreiten, für deren Wahrheitsgehalt ich mich nicht verbürgen kann, und ich werde nichts kritisieren oder verurteilen, worüber ich selbst nichts Genaues weiß. Ich will Äußerungen unterlassen, die zu Zwietracht oder Uneinigkeit führen oder zum Zerbrechen von Familien oder Gemeinschaften beitragen können. Ich will mich stets um Versöhnung und Lösung aller Konflikte bemühen, seien sie auch noch so klein.1
Was wir sagen, zählt – vielleicht heute mehr als je zuvor.
Wir leben in Zeiten großer Umbrüche, in denen uns viel abverlangt wird. Es ist eine Zeit, in der wir in unserer Gesellschaft immer weniger in der Lage sind, zuzuhören und einander wirklich zu hören, eine Zeit, in der diejenigen mit anderen Meinungen, Überzeugungen oder Hintergründen (wieder einmal) einfach als »die anderen« abgetan werden. In dieser Zeit, in der die enormen Kräfte politischer, sozialer, ökonomischer und ökologischer Umschwünge über den Globus fegen und unsere gefühlte Trennung von uns selbst, den anderen und dem Leben noch verstärken, müssen wir lernen, auf eine neue Weise zu sprechen und zuzuhören. Wir müssen lernen, unsere Welt mit frischen Augen neu wahrzunehmen, jenseits von vererbten historischen und ökonomischen Strukturen, die auf Wettbewerb und Trennung ausgelegt sind und so leicht auch unsere Beziehungen beherrschen. Wahrer Dialog ist mehr als ein bloßer Austausch von Gedanken. Es ist ein transformativer Prozess, der auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt beruht und in dem wir einander auf neue und genauere Weise kennenlernen. Der Theologe David Lochhead meint: »Es ist ein Weg, eine Wahrheit zu erkennen, die keine der beiden Parteien vor dem Dialog kannte.«2
Es kann einem schier das Herz brechen zu wissen, zu wie viel Gutem wir imstande sind, und dennoch so viel Zerstörung und Gewalt zu sehen. In Japan gibt es ein Sprichwort: Kirschblüten sind so schön, weil sie vergänglich sind. Wir alle haben die Möglichkeit, die uns gegebene Zeit und Energie mit Integrität zu nutzen. Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch auf seine eigene bescheidene Weise dazu beiträgt, unser menschliches Potenzial zum Guten zu verwirklichen, indem wir lernen, mehr Mitgefühl, Weisheit und Güte in jene Beziehungen zu bringen, die unser tagtägliches Leben ausmachen. Ich hoffe, dass es uns dabei hilft, die Mechanismen in unseren Gedanken und unserer Wahrnehmung, die Gewalt als plausible Strategie erscheinen lassen, zu transformieren. Möge es ein Schritt dazu sein, eine Welt zu erschaffen, in der alle gut leben können.