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»NUR EIN VORSPIEL«, KLAUS-PETER SCHMID

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KLAUS -PETER SCHMID

2.5.2002

»NUR EIN VORSPIEL«

Wie sich Berlins Finanzsenator Sarrazin bewusst unbeliebt macht

Thilo Sarrazin, Berlins Finanzsenator, zieht durch die Hauptstadt und hält Vorträge. Immer dabei: ein Packen Folien für seine Präsentationen. Die künden von unverantwortlichem Haushaltsgebaren, von mangelnder Einsicht und vom nicht allzu fernen Ruin Berlins. Sarrazin ist angetreten, das Schlimmste zu verhindern. Er hat seinen ersten Haushalt vorgelegt, und seitdem jagt eine Protestaktion die nächste. Warnung vor »Massenkinderhaltung« in Berliner Kitas, Proteste gegen die drohende Schließung eines Theaters, gegen Kürzungen bei Unis und Krankenhäusern – sparen ja, aber niemand will Opfer des Sparzwangs sein. Nach hundert Tagen im Amt ist Sarrazin das unbeliebteste Mitglied des neuen Senats.

Das stört den SPD-Mann wenig, zumal er weiß, dass alles noch viel dicker kommt. Unerschrocken predigt er: »Das ist nur ein Vorspiel zu den eigentlichen Strukturentscheidungen, die im kommenden Jahr im Haushalt umgesetzt werden müssen.« Auf der passenden Folie steht dann: »Die Sozialverwaltung in Berlin ist besonders ineffizient.« Es fallen Bemerkungen über die »schlechte Arbeitsqualität der Berliner Lehrerschaft« oder darüber, dass »der Wohnungsbau die größte finanzpolitische Katastrophe der letzten Jahre« sei.

Fast zehn Milliarden Euro neue Schulden wird Berlin in den kommenden beiden Jahren aufnehmen müssen, und Sarrazin sagt klipp und klar: »Damit bin ich nicht zufrieden, aber ich musste akzeptieren, dass mehr einigungsfähige Sparvorschläge zurzeit nicht auf dem Tisch liegen.« Bis zur Verabschiedung des Doppelhaushalts 2002/03 Ende Juni ist Zeit für Verbesserungen. Aber statt sich um Kürzungen zu kümmern, muss Sarrazin drohende Risiken deckeln.

Beispiel Immobilienmarkt: Dem Land Berlin gehören 17 kommunale Wohnungsbaugesellschaften mit knapp einer halben Million Wohnungen. Die erwirtschaften jedes Jahr Verluste, zusätzlich zu den zehn Milliarden Euro, die sie bereits an Schulden angehäuft haben. Nicht nur weil sie miserabel wirtschaften, sondern auch weil sich der Senat jahrelang aus ihren Kassen bediente. Pech für Sarrazin: Das Land Berlin haftet für alle Schulden seiner Wohnungsunternehmen.

Dann der Berliner Risikofaktor Nummer eins: die marode Bankgesellschaft. Von ihr stammen Milliardenkredite an den öffentlichen Wohnungssektor – zusätzlich zu den dubiosen Forderungen, die den Berliner Steuerzahler schon eine Menge Geld gekostet haben. Was da noch auf die Bürger zukommen könnte, zeigt die im April von Berlin übernommene Garantie von 21,6 Milliarden Euro.

Viele Berliner fürchten, dass sie auch noch der Bau des künftigen Großflughafens in Schönefeld teuer zu stehen kommt. Miserable Planung und fehlerhafte Ausschreibung machen es immer wahrscheinlicher, dass aus der einträglichen Privatisierung nichts wird und der Bau sich am Ende mit drei oder vier Milliarden Euro im Haushalt niederschlägt.

»Die Lage ist in vollem Umfang selbst verschuldet«, erklärt Sarrazin seinen Berlinern. Aber ein hoffnungsloser Fall? Das sieht der Finanzsenator anders: »Natürlich kann das so nicht weitergehen, denn es gibt in dieser Stadt überhaupt keine Chance, ohne eine Lösung der Finanzprobleme Wahlen zu gewinnen.« Zweifler verweist er an den Regierenden Bürgermeister: »Da bin ich mir mit Herrn Wowereit ganz einig.«

Die Sarrazin-Debatte

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