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c) Begründung subjektiver öffentlicher Rechte, insbesondere Grundrechtswirkungen

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Auf der Grundlage eines weiten Verständnisses von Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) hat das BVerfG dem Einzelnen einen grundrechtlichen Anspruch darauf zugesprochen, „durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist“ (sogenannte Freiheit von ungesetzlichem Zwang).[519] Eine praktische Folge dieser Rechtsprechung liegt darin, dass zumindest eine staatliche Regelung, die den Einzelnen zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet, im Rahmen einer individuellen Anfechtungsklage auf ihre formelle und materielle Vereinbarkeit mit dem gesamten öffentlichen Recht zu überprüfen ist. Ansätze zu einer Verringerung des Schutzumfangs auf die Normen, die speziell dem Schutz der Freiheitssphäre des Adressaten zu dienen bestimmt sind,[520] haben sich bisher nicht durchzusetzen vermocht. Auf der Ebene der Klagebefugnis wirkt sich das dahingehend aus, dass die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts des Adressaten eines belastenden staatlichen Handelns immer möglich, die Klage also insoweit zulässig ist (sogenannte Adressatentheorie).[521]

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Auch der Rechtsschutz des Dritten, der ein eingreifendes staatliches Handeln begehrt oder sich gegen die Begünstigung eines anderen zur Wehr setzt, wird vielfach grundrechtlich determiniert. So ist etwa die partielle subjektiv-rechtliche „Aufladung“ von Normen des Bauplanungsrechts mit Hilfe des Topos des sogenannten Rücksichtnahmegebots[522] in der Sache nichts anderes als eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Rechts (norminterne Wirkung der Grundrechte). Bevor das BVerwG zu dem (vordergründig) einfachrechtlichen Drittschutzmodell des Rücksichtnahmegebots überging, leitete es den Rechtsschutz des Nachbarn des Bauherrn unmittelbar aus dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) her (normexterne Wirkung der Grundrechte). Hiervon hat es mittlerweile – mangels praktischen Bedürfnisses – weitgehend Abstand genommen; auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG spielt in der baurechtlichen Drittschutzjudikatur keine große Rolle mehr.[523]

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Jenseits solcher bereichsspezifischen Dogmatiken zeigt sich die „Versubjektivierung“ des deutschen Öffentlichen Rechts daran, dass unter dem Grundgesetz jedermann, dessen Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützte Interessen konkret gefährdet oder gestört sind, ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Polizei- oder Ordnungsbehörden über ein Einschreiten (formelles subjektives öffentliches Recht), gegebenenfalls (Ermessensreduzierung auf Null, insbesondere im Lichte der Grundrechte) sogar auf behördliches Handeln (materielles subjektives öffentliches Recht) zusteht. Dieses subjektive Recht schließt auch ein Einschreiten der Behörde gegen einen anderen Grundrechtsträger ein.[524]

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