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2. Das europäische Modell der Gestaltungsverwaltung
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Das Unionsrecht setzt demgegenüber stärker auf ein Modell der Gestaltungsverwaltung. Dieses Modell folgt anderen Akzenten wie Bürgernähe, Transparenz, faire Verfahrensbeteiligung und Ergebnisoffenheit rechtlicher Entscheidungen einerseits. Andererseits betont es damit aber zugleich auch in stärkerem Maße, als es der deutschen Verwaltungstradition entspricht, das politische Element von Verwaltung.[626]
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Die genannten Unterschiede zeigen sich repräsentativ anhand der europäisierungsbedingten Verschiebungen in der allgemeinen Strukturierung der administrativen Entscheidungsprogramme. Dazu zählen die Ersetzung gebundener Entscheidungen durch Ermessensentscheidungen oder Planungsentscheidungen, die Nivellierung der traditionellen, wenngleich zu keinem Zeitpunkt unumstrittenen[627] deutschen Dichotomie von Tatbestand (unbestimmter Rechtsbegriff) und Rechtsfolge (Ermessen)[628] sowie der Rückzug aus der konditionalen (unmittelbar verhaltensbezogenen) zugunsten einer finalen (unmittelbar zielbezogenen) Programmierung des Verwaltungshandelns[629]. Dies zeigt sich gerade im Umweltrecht, wo namentlich durch UVP-, IVU- und SUP-Richtlinie die Fokussierung auf finale Regelungsstrategien[630], die Konzentration auf integrierte (statt sektorale) Regelungsansätze[631] sowie die Prozeduralisierung und Qualitätsorientierung[632] bislang am deutlichsten ausgeprägt sind.
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Die an der Frage administrativer Entscheidungsprogramme festgemachten Detailbeobachtungen lassen sich verallgemeinernd als vorsichtiger Trend zu einer Ablösung des Modells der rein vollziehenden Verwaltung durch eine europäisierte Gestaltungsverwaltung beschreiben.[633] Mit einer solchen Gewichtsverschiebung gehen zwangsläufig eine Steigerung der Aufgabenkomplexität, eine Betonung planerischer Elemente des Verwaltungshandelns[634] sowie eine Verlagerung der Kompetenzen auf die Exekutive einher.[635] Welche Auswirkungen diese Entwicklung im Einzelnen auf das deutsche traditionell rechtsschutzzentrierte Verwaltungsrechtsverständnis, aber auch auf Fragen der demokratischen Legitimation und Kontrolle hat, ist dabei bislang noch nicht abschließend analysiert.