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1.

12. November 2046 NGZ

Was Perry Rhodan erlebte

Die Umgebung verschwand, als Iwán Mulholland teleportierte. Da Körperkontakt bestand, nahm der Mutant, der sowohl Mann als auch Frau war, Perry Rhodan mit sich. Der unterirdische Hochsicherheitsraum in der Maurits-Vingaden-Klinik blieb zurück, und mit ihm der tote Topsider, Farye Sepheroa und die anderen.

Mulholland und Rhodan erreichten nicht sofort ihr Ziel wie bei einer normalen Teleportation. Iwán war Schmerzensteleporter – er versetzte sich, indem er ein fremdartiges Gefilde durchwanderte, für eine quälende Zeit, bis er ins Standarduniversum zurückkehrte.

Rhodan hatte bereits den Mausbiber Gucky bei einer solchen Schmerzensteleportation begleitet; aber als Passagier von Iwán Mulholland fühlte es sich anders an.

Er sah selbstverständlich nichts, weil er sich in einem Zustand befand, der einer Bewusstlosigkeit glich. Nur seine Gedankenwelt blieb aktiv.

Wohin bringst du uns, Iwán?

Siehst du es nicht?, fragte Mulholland.

Rhodan teilte ihm mit, dass er blind war, taub und stumm. Nur seine Gedanken verbanden ihn mit der Außenwelt, und das auch nur, weil es mit dem Mutanten jemanden gab, der sie auffing und antwortete.

Er war bereits einmal mit Iwán schmerzensteleportiert – im Heimatuniversum. Damals hatte er den Eindruck gehabt, neben dem Mutanten durch eine graue Welt herzugehen und gleichzeitig getragen zu werden. Letzten Endes glich offenbar keine Schmerzensteleportation einer anderen – möglicherweise kam es darauf an, in welchem kosmischen Gefilde die Versetzung stattfand. Schließlich hatte es Rhodan nie zuvor in diesem Zwillingsteil des Dyoversums erlebt oder davon gehört.

Der Transmitter hat Palotta mit dem Suspensionsalkoven und den TARAS versetzt. Ich folge ihnen.

Wie kannst du das?

Die Energie der Transmitterverbindung wabert auf der anderen Seite der Ebene, hinter meinem Zielpunkt. Dort, wo der Ausgang liegt, den ich erreichen muss. Ich eile dorthin.

Aber verlierst du diesen Blick nicht?, fragte Rhodan. Palotta hat doch sein Ziel inzwischen erreicht.

Jede Schmerzensteleportation nahm exakt zwei Minuten und neun Sekunden in Anspruch, egal wie lange der Teleporter diese Zeitspanne auf seinem Weg durch die Zerozone subjektiv empfand – sogar, wenn er sich gefühlt für Stunden durch die fremde Landschaft schleppte. Ein Transmittervorgang hingegen geschah nahezu in Nullzeit.

Wir werden einhundertneunundzwanzig Sekunden nach ihm ankommen, ja, sendete Iwán einen Gedanken. Weshalb sollte mich das daran hindern, ihm dorthin zu folgen?

In dieser Vorstellung lag eine solche Unbekümmertheit, dass Rhodan nur staunen konnte. Der Mutant betrachtete offenbar Dinge als selbstverständlich, die Rhodan nicht für möglich gehalten hätte. Wie genau sahen seine Fähigkeiten aus?

Er gab einige Rätsel auf – unter anderem die Frage, warum er zwischen den Geschlechtern changierte und Männer ihn meist als männlich, Frauen eher als weiblich wahrnahmen – als Iwán oder als Iwa, je nachdem. Auch in der Eigenwahrnehmung hatte er keine festgelegte sexuelle Identität; er bezeichnete sich als es.

Aber – und das war momentan viel wichtiger – was würde geschehen, wenn sie ihr Ziel erreichten?

Der Verräter Gorin Palotta, ein TLD-Agent, hatte sie alle überrascht und Chaos in der Klinik angezettelt, in der Homer G. Adams in einem Alkoven in Suspension lag. Von Palotta kontrollierte Kampfroboter waren eingedrungen, hatten einen Transmitter rund um den Suspensionsalkoven errichtet – und diesen samt des Verräters und dreier TARA-C-Roboter abgestrahlt.

Sobald Iwán und Rhodan ebenfalls am Ziel ankamen, wo immer es liegen mochte, würden genau diese Gegner angreifen. Dank der SERUN-Kampfanzüge konnten die beiden einen offenen Kampf sogar gewinnen. Falls nicht weitere Feinde warteten. Und falls Palotta nicht erneut den Supsensionsalkoven mit dem entmaterialisierten Homer G. Adams als Geisel nutzte.

Zu viel Unsicherheit.

Ganz zu schweigen von den Sorgen, die Rhodan plagten, weil die anderen in der Klinik zurückgeblieben waren, in der – sofern die Worte des Verräters stimmten – sämtliche Maschinen Amok liefen. Andererseits konnten sich seine Enkelin, Rico und die TLD-Agenten durchaus selbst schützen.

Siehst du, wohin der Transmitter Palotta gebracht hat?, fragte er in Gedanken. Seinen Mund vermochte er nicht zu bewegen. Er spürte nicht einmal, dass er überhaupt einen Mund hatte.

Nein. Die Energie wird blasser. Ich kann sie bald nicht mehr sehen und werde den richtigen Ausgang aus dem Blick verlieren. Ich muss mich beeilen und dich zurücklassen, um schneller zu sein. Ich komme zurück und hole dich ab. Bist du einverstanden, hier zu warten?

War er das?

Die Vorstellung zurückzubleiben, blind, taub, stumm, ohne etwas zu fühlen, darauf angewiesen, dass es Iwán gelänge, ihn wiederzufinden, entsetzte Rhodan. Zumal er von Gucky wusste, dass ein Passagier, den der Mausbiber zurückgelassen hatte, verweht war.

Kann ich denn ohne dich in diesem Gefilde bestehen?

Sicher. Ich ... impfe dich. Jedenfalls etwas in dieser Art, mangels eines besseren Begriffs.

Gibt es keinen anderen Weg?, fragte Rhodan, der sich von Sekunde zu Sekunde mehr wunderte, wozu Iwán in der Lage war und wie sehr sich diese Schmerzensteleportation von allem unterschied, was er bislang gekannt hatte.

Solange ich dich trage, bin ich zu langsam.

Sobald du ankommst, werden Palotta und die Roboter dich angreifen.

Ich muss nur kurz bestehen, dann teleportiere ich wieder. Nach jeder Schmerzensteleportation brauchte Iwán eine Erholungspause, weil der Weg über die Landschaft ihn extrem auszehrte. Nach der ersten Teleportation benötigte er zwei Minuten – und diese Zeit verdoppelte sich bei jeder direkt anschließenden Etappe. Wenn mich jemand entdeckt, werde ich sie ablenken und irgendeine Lügengeschichte erzählen, bis ich wieder verschwinden kann. Sobald ich weiß, wo das Ziel liegt, kann ich dich holen und mit dir dorthin zurückkehren. Aber wir müssen uns entscheiden, sonst verliere ich den Anschluss!

Tu es!, dachte Rhodan.

Obwohl er keinen Körper hatte, fühlte er, wie er losgelassen wurde, wie er abstürzte, wenige Zentimeter und ein Lichtjahr tief, und wie er aufschlug.

Im selben Moment, als er allein dort lag, endete seine Blindheit.

Er sah die Landschaft der Schmerzensteleportation, mehr noch, er roch sie, schmeckte sie, spürte und hörte sie. Sie schrie ihn an, dass sein Verstand zitterte.

Plötzlich umgaben ihn Türen – sie alle sahen aus wie jene in seinem Kinderzimmer vor so vielen Jahrhunderten. Dies war die Krücke, die sein Bewusstsein formte, um die Milliarden Ausgänge abzubilden, hinter denen jeweils ein anderes Ziel lag.

Rhodan sah Berge, Städte, Wasserfluten, Planeten und die glühenden Zentren von Sternen. Er hörte Lachen und Schreien und den Lärm von Schüssen; er vernahm Stille in unendlich weiten Gefilden und ausgedehnt über Jahrmillionen. Helligkeit überflutete ihn, und Dunkelheit blendete ihn so sehr, dass alle Farben erstickten, das Prisma des Regenbogens und noch viel mehr.

Durch jede Tür könnte er diese Landschaft verlassen, wenn er ein Schmerzensteleporter wäre. Doch ihm fehlte die Gabe, und er vermochte sich keinen Millimeter zu bewegen. Nur die Möglichkeiten rissen und zerrten an seinem Bewusstsein, und er glaubte, seine Seele müsste zerbrechen.

Wie hielt Iwán das aus? Oder empfand er es nicht so? Sah er nur das eine Ziel, dem er entgegenstrebte, und war blind für alles sonst?

Aber wieso ging es Rhodan anders?

Weitere Türen entstanden, nebeneinander, hintereinander, über- und untereinander, sogar ineinander, als es keinen freien Platz mehr gab.

So viele Möglichkeiten. Sie drohten ihn zu überwältigen, doch er hielt stand.

Er war Perry Rhodan!

Terraner.

Mensch.

Er hatte sich vor Superintelligenzen behauptet und mit Kosmokraten gesprochen. Er kannte fremde Universen und das Arresum. Seine Entscheidungen hatten das Schicksal ganzer Galaxien bestimmt. Er hatte den Berg der Schöpfung erblickt, Kosmonukleotide gesehen und war mit der Endlosen Armada gereist.

Perry Rhodan erhob sich. Rechts und links neben seinen Füßen führten Türen in die Tiefe, genau wie vor und hinter ihm. Und über ihm.

Er ging einen Schritt.

Die Türen wichen zurück. Er mochte ein kosmisches Wesen sein, doch die Gabe der Schmerzensteleportation, die ihn von diesem Ort hätte führen können, blieb ihm verwehrt.

Düfte wehten ihm entgegen, nach Zimt, Feuer und Wüstensand. Er schmeckte Salz auf den Lippen, die Ahnung eines Meeres in einer fernen Galaxis. Er empfand eine Geburt, aber er wusste nicht, ob es die eines Lebewesens war oder ob eine Sonne zündete.

»Ich habe keine Angst«, sagte er und lauschte dem Klang seiner Stimme nach, die in den Weiten verhallte. Ob diese Worte durch die Ausgänge in tausend Welten getragen wurden?

»Wieso solltest du?«, fragte Iwán, der plötzlich bei ihm stand und ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er hörte sich nicht erstaunt darüber an, dass Rhodan reden konnte. »Ich bringe dich ans Ziel.«

»Wohin ist Gorin Palotta geflohen?«

»Das Ziel liegt in einem Raum mit fünf Personen und vier Kampfrobotern«, sagte der Mutant. »Mach dich bereit! Wir müssen kämpfen.«

Was Farye Sepheroa erlebte

Das Transmitterfeld, das den Suspensionsalkoven, die drei TARA-C-Roboter und Gorin Palotta einschloss, hatte aufgeleuchtet und dematerialisiert, was sich in seinem Inneren befand. Palotta hatte die Maurits-Vingaden-Klinik verlassen, und mit ihm der Alkoven mit Homer G. Adams und die Kampfroboter.

»Was können wir ...«, setzte Farye Sepheroa an, brach jedoch mitten im Satz ab. Perry Rhodan war ebenfalls verschwunden, und mit ihm Iwa Mulholland. Sie verstand sofort – die Mutantin war teleportiert und hatte Rhodan mitgenommen. Nur – wohin? Hatte sie sich in den Transmittervorgang eingeklinkt? War das möglich?

Im Raum verblieben waren neben Farye selbst nur noch Rico, der Geheimdienstchef Sloud Silverman und der Ara Ammun-Si, der die Klinik leitete.

Außerdem die Leiche des Topsiders Grechta-Tsurg.

»Palotta hat uns verraten. – Wo ist er hin?«, rief Silverman, während sich Rico bereits am Transmitter zu schaffen machte. Wenn jemand diese Technologie durchschauen und Informationen über den Zielort des Transports herausfinden konnte, dann der arkonidische Roboter.

Farye verkürzte die Wahrheit ein wenig: »Iwa ist Teleporterin, sie ist offenbar mit Perry gesprungen.« Dass Mulholland nur die spezielle Abart der Schmerzensteleportation und darüber hinaus weitere Parafähigkeiten beherrschte, verschwieg sie.

»Ein geheimnisvoller Mensch, nicht wahr? Manche sehen ihn als männlich, andere weiblich, er ist Mutant ...« Silverman eilte zu den zerfetzten Überresten der Tür und ergänzte in ätzendem Tonfall: »Kann er vielleicht auch fliegen oder ... Beim Aktivator des Advisors! Dort draußen wird gekämpft, und ein Energieschirm versperrt den Weg!«

»Der Transmitter lässt sich nicht mehr aktivieren«, sagte Rico, »und es gibt keinen Zielspeicher. Was hier vor uns steht, ist für uns völlig nutzlos. Wie kaum anders zu erwarten.«

Alles andere wäre in der Tat überraschend gewesen. Gorin Palotta war ein Profi, er hatte Adams' Entführung offenkundig perfekt geplant und außerdem Zugang zu hochwertiger Technologie. Eine derart offensichtliche Möglichkeit, ihn zu verfolgen, hätte nicht ins Gesamtbild gepasst.

Ammun-Si stellte sich neben Silverman. »Soll ich den Energieschirm desaktivieren?«

»Das wird dir wohl nicht gelingen«, prognostizierte der TLD-Chef. »Wenn es stimmt, dass in der Klinik sämtliche Maschinen Amok laufen, hat Palotta alle Systeme infiltriert.«

Farye und Rico gingen ebenfalls zum Ausgang. Es stank verschmort, und noch immer hing Rauch in der Luft. Der erste Schuss, der Grechta-Tsurg getötet hatte, lag weniger als fünf Minuten zurück.

Im Korridor blitzten Energieschüsse auf. Ein Mann stand mit dem Rücken zur Wand, hielt einen Strahler und feuerte. Als er mit verzerrtem Gesicht den Kopf zur Seite drehte, erkannte Farye ihn – Joel Palotta, der Sohn des Verräters, ebenfalls ein TLD-Agent. Zwei Roboter attackierten ihn, keine TARAS, sondern schlanke, humanoide Modelle. Sie streckten Funktionsarme aus. Vor den detailliert ausgearbeiteten Fingern flirrte die Luft.

Der Ara nahm den schwarzen Zylinder ab, wendete ihn um und griff hinein. Nach einigen Sekunden zog er die Hand wieder heraus, wobei er ein Metallstäbchen zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und sich dicht vor die Lippen führte. »Positronik, Überrangcode Ammun-Si, Passwort Aralon-Ostiam-Meharro. Energieschirm um diesen Raum desaktivieren!«

Der Schirm erlosch.

»Es ist eine Kombination aus diesem speziellen Gerät«, sagte der Ara, »dem Codewort und einer Stimmerkennung, die ...«

»Ich helfe Palotta«, unterbrach Rico. »Kümmert euch um Ammun-Sis Möglichkeiten!«

Er eilte los, dem Agenten entgegen, der sich gegen die beiden angreifenden Maschinen wehrte. Was er mit den Möglichkeiten des Klinikleiters meinte, erklärte der Roboter nicht genauer.

Farye begriff auch so augenblicklich, worauf er hinauswollte, und Silverman offenbar ebenso. Der TLD-Direktor packte den Ara an der Schulter. »Gibt es einen Generalbefehl, um alle Maschinen in der Klinik abzuschalten?«

»Unmöglich, es würde Patienten töten, wenn ihre Lebenserhaltung ...«

»Wäre es besser, wenn diese Maschinen ihre Patienten stattdessen umbrächten?«, fragte Silverman.

Ammun-Si ächzte. »Ich kann es nicht riskieren.«

»Dann schalte sämtliche nicht-medizinischen Geräte ab.«

Der Ara zögerte, aber nur kurz. »Positronik, Operation Schlaf.«

»Zugriff verweigert«, schallte es aus dem Metallstab zurück.

»Desaktiviere alle Roboter, die aktuell nicht zu lebenswichtigen Behandlungen eingesetzt werden.«

»Zugriff verweigert.«

»Überrangbefehl Ammun-Si.«

»Autorisation ungültig.«

Die blasse Gesichtshaut des Aras verfärbte sich zornesrot, bis sie in der Farbe fast seinem Vollbart glich. »Desaktiviere die beiden Chirurgenroboter im Korridor vor dem Sicherheitsraum!«

»Autorisation ungültig.«

»Stell eine Sprechverbindung mit ...«

»Deine Befehlsgewalt wurde gelöscht.«

Wenige Meter entfernt stellte sich Rico schützend vor Joel Palotta. Einmal in der Nähe der angreifenden Roboter, bewegte sich Rico unfassbar schnell; seine bronzefarbene Metallhaut leuchtete aus sich heraus. Offenbar handelte es sich um eine Art Schutzfunktion, vielleicht um einen eng konturierten Schutzschirm.

Rico packte den vorgestreckten Arm der ersten Maschine und riss ihn mit brachialer Gewalt ab. Nun sah Farye, warum die Luft vor den Fingern geflirrt hatte – die Roboterhand hielt ein Vibromesser, das nun stillstand.

Rico ließ den Arm achtlos fallen und sprang den zweiten Roboter an. Ein hohes, kreischendes Sirren ertönte, als dieser mit seinem Vibroskalpell zustieß. Die Klinge schrammte über die leuchtende Bronzehaut, ohne Schaden anzurichten.

Im Gegenangriff rammte Rico die Faust in den Brustkorb des maschinellen Gegners und zertrümmerte offensichtlich dessen Energiekern. Die Maschine fiel in sich zusammen. Auf Kampf und Verteidigung waren diese Medoroboter offenbar nicht optimiert – dennoch hätten sie Palotta leicht töten können.

Vor Faryes Augen stiegen albtraumartig ähnliche Szenen im gesamten Klinikgelände auf. Dort herrschte zweifellos ein tödliches Chaos.

»Warum konnte ich den Energieschirm löschen?«, fragte Ammun-Si. »Wenn Gorin Palotta mir sämtliche Befehlsgewalt entzogen hat, weshalb ...«

»Weil der Schirm uns geschützt hätte«, sagte Sloud Silverman. »Und das wäre nicht in Palottas Sinn. Versuch, ihn wieder zu aktivieren. Wahrscheinlich wird es nicht gelingen.«

Der Ara folgte der Aufforderung, erhielt jedoch keinerlei Reaktion.

Joel Palotta kam mit Rico zu ihnen. »Du hast mich erwähnt, Direktor? Wieso sollte das nicht in meinem Sinn sein?«

»Nicht du«, stellte Silverman klar. »Dein Vater.«

»Warum ... was ...«

»Er hat Adams entführt.«

Palotta sah völlig fassungslos aus. »Was? Mein Vater ... ein Verräter?«

»Sieht ganz so aus. Falls du vom Verrat deines Vaters gewusst haben solltest«, sagte der TLD-Direktor, »such dir eine gute Religion und bete zu deren Göttern, dass ich das niemals herausfinde. Sonst töte ich dich.«

»Das muss ein Irrtum sein. Eine Geheimoperation viell...« Er begriff wohl noch bei seinen Worten, dass er auf verlorenem Posten für die Ehre seines Vaters stand und verstummte.

Sloud Silverman drehte sich von ihm weg. »Was ist dort draußen los?«

»In den ersten Momenten stand ich in Funkkontakt mit den Sicherheitsleuten. Es gibt Angriffe in der gesamten Klinik – sämtliche Maschinen laufen Amok. Ich habe versucht, den Einsatz zu koordinieren, aber die Verbindung ist ausgefallen. Eine Störstrahlung überlagert jede Kommunikationsverbindung. Intern wie extern.«

»Wir müssen nach oben«, sagte Farye, »und das beenden.«

»Ammun-Si bleibt bei mir!«, forderte Rico. »Palotta hat die Positronik infiltriert und die Autorisationskette überschrieben. Ich dringe in das System ein und brauche ihn, falls es mir gelingt, alte Rechte wiederherzustellen.«

Silverman nickte. »Farye, Joel – ihr kommt mit mir! Wir retten, was zu retten ist.«

Was Ghizlane Madouni erlebte

Mit dem Adrenalinstoß schoss Übelkeit durch ihren Körper, und für einen Augenblick fühlte sie sich, als gäben alle Gelenke nach, und sie würde einfach in sich zusammenfallen.

Aber Ghizlane Madouni, die Kommandantin des Liga-Flaggschiffs, hielt sich aufrecht, als sie in das Transmitter-Entstofflichungsfeld trat. Sie wusste nicht, wohin es sie führte, doch es gab keine Wahl – ein notwendiges Risiko.


Illustration: Swen Papenbrock

Sie hatte Nigella Schöman und Ove Heller, die verräterischen Raumjägerpiloten, nicht bis in die verlassene Onryonenstadt Iacalla verfolgt, um sie am Ende entkommen zu lassen. Sie musste wissen, was die beiden planten, mehr noch, musste deren Plan vereiteln!

Ihr Sicherheitschef Torr Nishal blieb beim Sendetransmitter zurück und wartete auf eine Funknachricht, von der Ghizlane hoffte, sie am Zielort absenden zu können.

Wo immer dieser liegen mochte.

Schöman und Heller waren bereits vor einigen Minuten durch den Transmitter gegangen. Die Kommandantin rechnete sich eine Chance aus, dass sich die beiden nicht mehr in unmittelbarer Nähe des Empfangsgeräts aufhielten. Und dass dort auch sonst keiner wartete.

Sie hob die Waffe schussbereit, als sie in der neuen Umgebung rematerialisierte.

Wenigstens in der ersten Sekunde griff niemand sie an, obwohl das Gerät zweifellos im Vorfeld Empfangsbereitschaft gemeldet hatte. Sie trat aus dem Käfig des Empfangstransmitters, der weit größer war als das Gegenstück in Iacalla. Ghizlane schätzte, dass fünfzehn, vielleicht zwanzig Menschen gleichzeitig darin Platz finden konnten oder Güter von einigem Umfang.

Der Raum war quadratisch im Grundschnitt und bis auf den Transmitter völlig leer – so gut einsehbar, dass kein Zweifel bestand: Die Kommandantin war allein.

Es gab nur eine Tür, die nach draußen führte.

Von der Atmosphäre her könnte es sich um eine verlassene Lagerhalle handeln, in einer Fabrik. Oder einem Schiff, vielleicht einem Handelsraumer.

Wie auch immer – noch war sie nicht entdeckt worden, und das musste sie ausnutzen. Sie ging in die einzige Deckung, die der Raum bot und stellte sich so hinter den Empfangstransmitter, dass sie nicht zu sehen wäre, sollte jemand durch die Tür kommen.

Sie versuchte, eine Funkverbindung zu Torr Nishal aufzubauen, indem sie mit seiner Kennung auf der abgesprochenen Frequenz sendete. Ob sie sich nach wie vor auf Luna befand? Auf Terra, einem der anderen solaren Planeten oder einem Raumschiff im freien All?

Ihr Sicherheitschef meldete sich nicht, auch konnte sie keine Verbindung zu sonst jemandem aufbauen. Womöglich gab es eine Abschirmung um diesen Raum.

Sie setze sich eine Prioritätenliste.

Zuerst musste sie ein Versteck suchen und abklären, wo sie herausgekommen – oder hineingeraten – war. Danach würde sie versuchen, Schöman und Heller ausfindig zu machen und zu überwältigen, sich gegebenenfalls um weitere Gegner kümmern und eine Nachricht absenden.

Das klang nach einem straffen Programm. Sie warf einen beiläufigen Blick auf die Uhr ihres Kommunikationsarmbands – wenige Minuten bis Mitternacht nach Terrania-Zeit.

Der Raum jedenfalls bot keine dauerhafte Versteckmöglichkeit, und es gab nur den einen Ausgang. Sie atmete tief durch und eilte mit schnellen Schritten dorthin. Zu ihrer Überraschung ließ sich die Tür problemlos öffnen.

»Willkommen an Bord«, sagte eine dunkle Stimme.

Ghizlane blickte in den Lauf dreier auf sie gerichteter Energiewaffen.

Eine hielt ein ihr unbekannter Mann, und sie hätte eine Chance gesehen, ihn mit einem Überraschungsangriff zu überwältigen. Nicht jedoch im Fall der beiden anderen Mündungen, die am Ende der Waffenarme eines TARA-C-Kampfroboters saßen.

»Ghizlane Madouni«, sagte der Fremde. Seine Stimme klang dumpf und rau, als wäre er erkältet. Er hatte ein hageres Gesicht mit auffallend grünen Augen und trug die Uniform eines Flottenangehörigen. »Kommandantin unseres Flaggschiffs und zugleich eine Närrin ohnegleichen. Wer hätte das gedacht? Wie konntest du glauben, niemand würde deine Ankunft bemerken?«

Weil ich nicht wusste, wohin der Transmitter führt, dachte sie. Und das galt leider nach wie vor. Und weil Hoffnung ein verzweifelter Ratgeber ist. In der Tat lagen Torheit und Mut manchmal dicht beisammen.

»Das wirst du nicht verstehen«, sagte sie.

»Woher kommst du?« Er bedeutete ihr, in den Raum zurückzugehen, und folgte mit dem Kampfroboter. Die Tür blieb offen, ein Detail, das Ghizlane nicht entging. Vielleicht ergab sich die Gelegenheit zur Flucht. »Wie hast du uns gefunden?«

Er wusste es folglich nicht. Interessant.

»Bist du Schöman und Heller gefolgt?«

Wahrscheinlich vermutete er das nur aufgrund der zeitlichen Nähe – die beiden waren erst vor wenigen Minuten angekommen.

»Oh, die beiden sind auch hier?«, fragte Ghizlane unschuldig.

»Das weißt du genau.« Das war Ove Heller, der nun ebenfalls den Raum betrat. »Madouni war zuletzt bei Kommandant Jindo Kubertin auf Luna. Sie ist uns nach Iacalla gefolgt und hat den Transmitter entdeckt. Verflucht, wir hätten ihn besser sichern müssen, aber seit Jahren hat ihn keiner gefunden! Wer weiß außer dir davon?«

»Niemand«, sagte Ghizlane und dachte an Torr Nishal, der beim Transmitter auf eine Nachricht oder ihre Rückkehr wartete. Ohne Hinweis konnte er allerdings nichts tun – es war ihm unmöglich, Ghizlanes Standort ausfindig zu machen.

Heller gab ein gekünsteltes Seufzen von sich, als bedauere er, zu den folgenden Worten gezwungen worden zu sein: »Schieß ihr ins Bein, Barron.«

»Aber ...« Der zweite Mann zögerte. »Ich kann doch nicht ...«

»Tu es!«

»Keine Zeit für so etwas!«, rief eine dritte Stimme, und Nigella Schöman betrat ebenfalls den Raum.

Ghizlane unterdrückte mühsam ein Zittern.

»Du wirst reden, Kommandantin!« Das letzte Wort sprach die Pilotin spöttisch aus. »Glaub nur nicht, dass ich mich auch später noch für dich einsetzen werde. Dafür ist die Sache viel zu wichtig. Aber gleich müsste unser wertvoller Gast ankommen.«

»Ich bin doch bereits da«, presste Ghizlane zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.

Als hätte der Transmitter nur auf diese Ankündigung gewartet, aktivierte sich erneut das Empfangsfeld.

Diesmal nahm die Sendung den gesamten Platz im Empfangskäfig ein: ein Mann, drei TARA-Kampfroboter und eine wuchtige, röhrenförmige Maschine mit metallener Oberfläche.

Der Neuankömmling verließ den Transmitter. »Was ist hier los?«

»Eine lästige Besucherin«, sagte Ove Heller.

»Oder eine wertvolle Geisel«, verbesserte Nigella Schöman. »Nicht so gut wie das Geschenk, das du uns mitgebracht hast, Gorin, aber dies ist Ghizlane Madouni, Flaggschiffkommandantin.«

»Eine hochrangige militärische Gefangene.« Der Neuankömmling – Gorin – lachte. »Die Topsider werden begeistert sein.«

Die Topsider!

Obwohl Ghizlane nach wie vor nicht wusste, wo sie gelandet war, und nicht durchschaute, was gespielt wurde, stand damit fest, dass diese Leute mit den Echsen paktierten. Das machte die Situation für sie keineswegs besser, aber sie musste Informationen sammeln.

»Bringen wir Madouni weg«, sagte Ove Heller. »Soll sie erst mal in einer Zelle ...«

»Lass sie hier«, unterbrach Gorin. »Ich könnte mir vorstellen, dass wir sie gleich gebrauchen können.«

»Gab es Schwierigkeiten in der Klinik?«

»Alles gut gelaufen.«

»Was ist mit Rhodan?«, fragte Nigella Schöman.

»Er lebt noch.«

Klinik ... Rhodan ...

Aus den wenigen Stichworten konnte sich Ghizlane etwas zusammenreimen. Sie wusste, dass Perry Rhodan mit der Residentin und Rico nach Neu-Atlantis unterwegs gewesen war, um die Maurits-Vingaden-Klinik aufzusuchen, in der Homer G. Adams in Suspension lag.

Adams!

Dieser Gedanke stieß eine Erkenntnis an – ein weiteres Glied in der Kette. Ghizlane erinnerte sich, ein Bild des Gerätes gesehen zu haben, das noch immer im Empfangskäfig stand. Es war ein Suspensionsalkoven – nein, der Suspensionsalkoven, der den Advisor in dematerialisiertem Zustand hielt.

Gorin hatte Homer G. Adams entführt!

Ghizlanes Handinnenflächen fühlten sich feucht und schwitzig an. Diese Verschwörung – das Wort erschien ihr passend – nahm von Minute zu Minute größere Ausmaße an.

Einer der beiden TARAS, die Ghizlane noch immer anvisierten, gab plötzlich Alarm. »Eindringling«, meldete die Maschine und wandte sich um.

Der Kampfroboter zielte auf eine Person, die unvermittelt im Raum stand, nahe einer der Seitenwände. Sie wankte einen Schritt, krümmte sich leicht zusammen, stützte die Hände auf die Oberschenkel.

»Nicht schießen!«, sagte sie schwer atmend. »Ich bin gekommen, um euch zu warnen.« Sie sah sich hektisch um.

Ghizlane traute ihren Augen nicht. Das war ... Iwa Mulholland aus Perry Rhodans Einsatzteam! Sie wusste, dass sie dieses Wesen nur deswegen als weiblich wahrnahm, weil sie selbst eine Frau war.

»Eine verdächtige Bewegung, und du bist tot!«, stellte Nigella Schöman klar.

»Ich bin nicht euer Feind!« Iwa schnappte nach Luft, hob die Hand an die Kehle und brach zusammen. Sie krümmte sich am Boden.

»Wenn das ein Trick ist, erschieß ihn«, befahl Ove Heller dem TARA. Er näherte sich vorsichtig.

»Ihn? Sie ist eine Frau«, sagte Schöman verwirrt.

»Er war bei Rhodan in der Klinik«, sagte Gorin. »Gemeinsam mit Silverman und Rico! Er ist mir gefolgt – aber wie, verdammt?«

»Du bist Gorin Palotta.« Iwa Mulholland stützte sich mühsam ab, kam so immerhin in eine sitzende Position. »Ich muss dir erklären ... der Liga-Dienst ist ...« Erneut brach sie zusammen.

Palotta packte sie an der Schulter, riss sie wieder hoch. »Wie bist du hierhergekommen? Wissen die anderen, wo wir sind?«

»Nein, ich ... ich kann ... der Transmitter hat mich mitgezogen, aber ...«

»Unfug!«, schrie Palotta und stieß Iwa Mulholland zurück. »Red jetzt!«

»Unfug«, stimmte Iwa zu, plötzlich mit weitaus kräftigerer Stimme.

Und verschwand.

»Er ist teleportiert«, rief Ove Heller. »Verflucht! Der Kommandant soll sofort den Schutzschirm aktivieren. Rhodan hat einen Teleporter in seinem Team.«

»Ich kümmere mich darum«, sagte Nigella Schöman, trat ein paar Schritte beiseite und tippte auf ihrem Armbandkommunikator.

Ove Heller hielt Ghizlane einen Strahler vor die Brust. »Erzähl mehr über ihn!«

»Ich wusste nicht, dass ...«

»Lüg nicht!«

»Ich habe diese Frau nur kurz gesehen. Sie heißt Iwa Mulholland. Manche sehen einen Mann in ihr, sie selbst hält sich keinem Geschlecht für zugehörig und ...«

»Das ist mir egal! Wie weit ist seine Sprungreichweite? Hat Rhodan weitere Mutanten bei sich?«

»Ich weiß darüber nichts. Er hat es für sich behalten.« Kluger Mann.

»Schutzschirm ist aktiviert«, meldete Schöman. »Ich bin noch mit der Zentrale in Kontakt. Gorin, sorg dafür, dass der Transmitter auf keinen Fall mehr auf Empfang gehen kann!«

Palotta machte sich an dem Gerät zu schaffen, während die drei mittransportierten TARAS die gewaltige Röhre packten und anhoben. Menschen wären dazu nicht in der Lage gewesen. Die Kampfroboter schleppten die Maschine an die Seite des Raumes und stellten sie dort ab.

Gorin Palotta folgte und sah durch die Sichtscheibe in den Alkoven. »Adams ist rematerialisiert.«

Zu früh!, dachte Ghizlane. Der Advisor musste noch einige Tage in Suspension verbringen, damit sich sein Zellaktivator wieder aufladen konnte. Aber sie begriff – die Technologie funktionierte abseits der energieversorgenden Anlagen in der Maurits-Vingaden-Klinik nicht.

»Er schläft«, sagte Palotta. »Als die Energieversorgung abgeschnitten wurde, fiel er aus der Suspension, aber der Alkoven hat ihm ein Schlafmittel injiziert – die programmierte Notfallprozedur, sollte es eine ungeplante Unterbrechung geben. So könnte die Suspension am leichtesten wiederhergestellt werden, ohne Stress für seinen Körper und Energieverlust für den Zellaktivator. Ich wecke ihn gleich auf. Notfalls können wir Madouni nutzen, um ihm klarzumachen, wie ernst seine Lage ist. Sie ist entbehrlich, im Gegensatz zu ihm.«

Schöman stand noch immer mit der Zentrale in Funkverbindung. »Wir entfernen uns mit Maximalbeschleunigung. Eintritt in den Linearraum in vier Minuten.«

Alarm heulte auf.

Schöman fluchte. »Eindringlinge direkt in der Zentrale. Es ist Rhodan!«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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