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4.

Giunas Überraschung

Ohne Risiko bleibt der Gewinn aus, dachte Giuna Linh. Sofort kam ihr ein gegenteiliges Sprichwort in den Sinn: Wer sich unnötig gefährdet, braucht sich nicht zu wundern, wenn er desintegriert wird.

Keine Frage, welche dieser beiden Lebensweisheiten ihr momentan besser gefiel, während sie sich mutwillig in Gefahr begab.

Etappenkommandant Shad tan Haruul hatte ihr gerade erst eindeutig sein Vertrauen ausgesprochen ... und sie ging umgehend daran, sich dessen unwürdig zu erweisen, indem sie sich seiner Weisung widersetzte.

Konnte es so schwer sein, sich für die Dauer des cairanischen Besuchs nirgends blicken zu lassen? Aber sie musste Prioritäten setzen, und die Rettung ihres Mannes wog mehr als der Wille des Kommandanten. Also verkroch sie sich nicht in ihrem Quartier, sondern machte sich auf den Weg zum einzigen völlig fertiggestellten Ankunftshangar. Dort würde mit großer Wahrscheinlichkeit Kondayk-A1 einschleusen, der barnitische Abgesandte.

Sie suchte sich eine ruhige Ecke im anschließenden Korridor, aktivierte eines der Displays, das in Zukunft den Reisenden grundlegende Informationen vermitteln sollte, und tat, als wäre sie in die Arbeit daran versunken.

Eine braune Arbeitskluft sorgte dafür, dass sie nicht sofort erkannt würde, falls einer der führenden Akonen vorbeikäme. Oder, was irgendein Sternengott verhindern möge, ein Cairaner.

Nicht dass sie an irgendeinen Sternengott glaubte.

Ein graues Tuch schlang sich um ihren Kopf, hing auf Schultern und Rücken. Sie spürte, wie sich im Nacken Schweißtropfen sammelten und ihr über die Wirbelsäule rannen.

Giuna tippte sich durch die Infoholos, und um ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen, las sie tatsächlich, was diese anzeigten.

Der Etappenhof von Anyaart verbindet das Afallachsystem mit der Transmitterstrecke zwischen Eastside und Westside der Galaxis, auf dem Weg über Pspopta! Weil die Cheborparner sich maßgeblich an der Finanzierung beteiligt hatten, kam man ihrer Forderung nach, ihre Hauptwelt direkt anzuschließen. Das wusste Giuna, aber die Gästeinformation verschwieg es. Dieser letzte neu errichtete Etappentransmitter bildet das Ende einer Reisestrecke von beeindruckenden 612 akonischen Höfen, die über insgesamt etwa 50.000 Lichtjahre führen. Fast 50.000 Lichtjahre, ohne dass du in ein Fernraumschiff einsteigen und dich den Gefahren der Raumfahrt aussetzen musst!

Giuna las es nur, um sich abzulenken. Sie konnte dabei abschalten, mehr noch: ihr Denken ausschalten ... Sie kannte diese Info- und Werbetexte auswendig, viele stammten von ihr selbst.

Oder von Lanko.

Der Gedanke war wie ein Stich in ihre Seite: wie sie sich zu zweit in das wuchtige Mittelding zwischen Sessel und Liege gequetscht hatten, das sie auf Tranga gekauft und für viel zu viel Geld ins Afallachsystem mitgenommen hatten, wie sie die Texte entwickelt hatten – Lanko meistens mit einem Stift in der Hand auf Papier! Verrückt, wer machte das heutzutage noch?

Sie blinzelte, wischte das Holo beiseite und rief ein zweites auf.

Shad tan Haruul lächelte ihr entgegen. »Willkommen! Wende dich jederzeit an die Hauptpositronik meines Etappenhofs, wenn du Hilfe benötigst. Suche ein Infoterminal auf oder rufe einen Sprachbefehl an Posi-Afallach-1 – an vielen Orten ist eine direkte Spracheingabe möglich.«

Diese Aufzeichnung kannte Giuna ebenfalls. Es tat gut, nichts Neues zu hören, sondern einfach nur wahrzunehmen, denn das half ihr, im Hier und Jetzt anzukommen, nicht an die Zukunft denken zu müssen: das leicht arrogante Timbre in den Worten – der Kommandant hielt sich zurück, um auf all seine Gäste freundlich und nahbar zu wirken. Die Fältchen in der samtbraunen Haut über der Nasenwurzel. Beim linken Ohr standen einige Haare ab wie ein kleiner, rötlicher Fächer. Die Zähne waren ebenmäßig und stark.

Giuna hörte Stimmen, schloss die Augen, atmete einmal tief durch und wandte die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung zu. Die Aufzeichnung ließ sie weiter ablaufen, blendete sie jedoch gedanklich völlig aus. Sie drehte sich nicht um, sondern lauschte nur.

Zwei Personen näherten sich, vielleicht drei, mit leichten Schritten. Gar nicht barniterartig – nicht das Stampfen von massigen Gestalten.

Giuna kannte Holodarstellungen von Kondayk-A1. Der Händler wog mindestens 140 Kilogramm, eher mehr, und dank seines breiten Körperbaus wirkte er dabei nicht einmal sonderlich fett.

»Ich weiß nicht genau«, hörte sie. Eine Frauenstimme, zögernd, aber auf spielerische Art.

»Musst du auch nicht. Tu es einfach.« Ein Mann, schmeichlerisch und selbstbewusst.

Sie drehte leicht den Kopf. Zwei Akonen eilten mit raschen Schritten vorüber. Der Mann lächelte seine Begleiterin an, und Giuna zweifelte keine Sekunde daran, was sich in diesen Momenten abspielte: Er wollte die Akonin verführen, und seine Chancen standen offenbar nicht schlecht.

Giuna hakte es sofort gedanklich ab – es blieb bedeutungslos für sie, und sie musste ihren Kopf für Wichtigeres freihalten.

Sie hörte tan Haruul zu, bis sein Vortrag endete. Ein weiteres Holo öffnete sich automatisch. Es präsentierte einen Aufriss des Etappenhofs, die Scheibenform, wie sie aussah, wenn man aus einiger Entfernung aus dem Weltraum darauf schaute.

In der zentralen Öffnung mitten in der Scheibe waberte das Transmitterfeld, wie es nach der Eröffnung rund um die Uhr aktiv sein sollte. Perfekt realistische, aber simulierte Bilder zeigten eine Transportkapsel, groß genug für fünf Personen, wie sie in das Feld einflog und abgestrahlt wurde, gefolgt von einer Einzelkapsel.

»Die Leistungsfähigkeit wird durch allgemeine Sicherheitsüberlegungen begrenzt«, berichtete eine seelenlose Automatenstimme. »Theoretisch könnte eine Kapsel pro Sekunde in die Transmitterstraße eintreten, aber logistische ...«

Giuna blendete die Worte aus, konzentrierte sich auf ihren Atem, fühlte, wie sich ihre Lunge füllte, leerte, füllte, leerte ... kein Gestern, kein Morgen, keine Erinnerung, keine Angst – nur die Aufgabe, die sie genau in diesem Moment erfüllen musste.

»Vergiss es!«, hörte sie. »Ich bring diese Sache hinter mich, mache gute Miene zu dieser Farce, danach erledige ich das Geschäft. Du hältst den Kunden hin.«

»Aber ...«

»Du hältst ihn hin, kapiert?«

»Sicher.«

Diesmal handelte es sich um zwei Männerstimmen, die erste ein wenig dröhnend, die zweite in einem dumpfen Bass. Giuna erkannte sie aus den Trivids: Kondayk-A1 und sein Buchhalter, ein hagerer Terraner namens Cyprian Okri.

Sie drehte sich um. Die beiden kamen genau auf sie zu. Okri trug eine schlichte schwarze Hose und ein graues, eng geschnittenes Shirt; in natura sah er noch hagerer aus, geradezu dürr. Der Barniter neben ihm wirkte wie ein Koloss, und es war wohl kaum Zufall, dass er leuchtend bunte Farben für seine Kleidung gewählt hatte – er zog neben dem unscheinbaren Terraner alle Aufmerksamkeit auf sich.

Giuna stellte sich ihnen in den Weg. »Kondayk-A1, es ist mir eine Ehre, dich zu treffen. Ich ...«

»Was willst du? Ach, weißt du was? Das interessiert mich nicht. Einer aus eurem unfähigen Volk genügt mir!« Er lachte kehlig und hieb seinem Begleiter die Rechte auf die Schulter – offenbar bei Weitem nicht mit voller Kraft, denn der schmächtige Terraner steckte es weg, ohne auch nur in den Knien einzusacken.

»Ich biete dir ein gutes Geschäft an«, sagte Giuna ungerührt.

»Weißt du, was mich wundert?« Der Barniter, zwei Köpfe größer als Giuna und mit einem so dicken Hals, dass man wie die Cairaner vier Hände bräuchte, um ihn zu umfassen, hob die Arme, als wollte er seine eigene Genialität anbeten. »Nie kommt jemand zu mir, um mir ein schlechtes Geschäft vorzuschlagen!« Die Vorstellung brachte ihn zu noch lauterem Lachen.

»Nicht witzig«, sagte Giuna.

»Findest du? Das imponiert mir. Wenn ich Zeit hätte, würde ich dir sogar zuhören. Aber dort vorne ...« Er wies tiefer in Richtung Zentrum des Etappenhofs. »... wartet eine wichtige Aufgabe auf mich. Und da dieser Shad tan Huraal es offenbar nicht für nötig hält, mir jemanden zum Empfang zu schicken, muss ich sogar selbst den Weg suchen. Meine Laune ist im Keller!«

»Tan Haruul«, verbesserte sie.

»Wie bitte?«

»Sein Name. Haruul. Nicht Huraal.«

»Du willst etwas von mir, und dir fällt nichts Besseres ein, als mich zu korrigieren? Du musst noch viel lernen.«

»Das stimmt. Deshalb komme ich zu dir.«

»Es gibt eine alte Geschichte über ein Waisenkind, aber ich habe keine Zeit, sie dir zu erzählen. Mein Buchhalter wird das übernehmen.«

»Hm«, machte Okri. Es klang weniger wie Zustimmung als vielmehr nach äußerster Skepsis.

»Hör dir an, was sie anbietet. Sie gefällt mir.« Kondayk-A1 ging, ohne ein Wort der Verabschiedung und sich noch einmal umzudrehen.

Der terranische Buchhalter blieb bei Giuna zurück. Er hielt die Lippen zusammengekniffen. Graues Haar hing ihm fingerlang auf Stirn und Ohren. »Willst du die Geschichte wirklich hören? Ich rede nicht gerne und würde mir das lieber ersparen.«

Das wusste sie. Über ihn gab es zwar weit weniger zu erfahren als über Kondayk-A1, aber wenn man Mühe in die Recherche investierte, stieß man auf Beschreibungen wie maulfaul oder geradezu scheu. Ein Arkonide hatte ihn nach einem für alle Seiten lukrativen Geschäft als Sklave seines Herrn beschrieben.

»Du musst es mir nicht erzählen, Cyprian«, sagte Giuna.

»Du kennst meinen Namen?« Er sah nicht mehr ganz so verkniffen aus.

»Cyprian Okri. Du bist seit mindestens sechs Jahren sein Buchhalter. Eine genaue Zeitangabe habe ich leider nicht gefunden.«

»Zwölf«, erklärte er. »Oder dreizehn?« Er winkte ab. »Also, was bietest du an?«

»Ich würde gerne woanders darüber reden.«

»Ich bin zu alt für dich.«

Giuna brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er meinte. War es ein Versuch von ihm, witzig zu sein? Sie war zu nervös, um es einschätzen zu können. »Du schmeichelst mir, aber darum geht es nicht.«

»Hinter mir liegt eine lange Reise.«

»Ich kann dir etwas zu essen anbieten.«

»Trinken genügt.«

»Saft?«

»Alkohol.«

Giuna lächelte. »Ich glaube, ich habe das Richtige für dich.« In einer der Kantinen konnte sie sich momentan nicht blicken lassen. Dem Etappenkommandanten zu erklären, warum sie mit dem Buchhalter von Kondayk-A1 einen Drink nahm, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Also versuchte sie es ebenfalls mit einem Scherz. »In meiner Kabine. Ich verspreche, dass ich nicht versuche, dich zu verführen.«

In seinen Augen schien etwas aufzublitzen. »Ganz sicher«, sagte er.

Giuna war verblüfft, dass er so einfach darauf einging. Vielleicht waren er und sein Herr an möglichen lukrativen Geschäften doch stärker interessiert, als sie vorgaben.

*

In den Gläsern perlte es lilafarben, und ein herber Duft stieg davon auf. Stückchen einer Runda-Frucht schwammen auf der Oberfläche.

»Hier.« Giuna stellte die Drinks auf dem Tischchen ab und setzte sich ihrem Gast gegenüber. Seit Lankos Deportierung war der zweite Platz stets leer geblieben. Genau wie der Sessel dahinter ihr immer viel zu groß vorkam, wenn sie allein darinsaß.

Der Gedanke ließ ihre Finger zittern. Sie sah vor sich, wie die Cairaner in die Kabine eingedrungen waren und Lanko gepackt hatten. Wie seine dunklen Augen sich geweitet und er abwehrend die Arme gehoben hatte – doch sie hatten jede Gegenwehr im Keim erstickt, ihn geschnappt und nach draußen gezerrt. Giuna war verzweifelt gewesen, unsicher, was sie tun sollte. Widerstand zu leisten, wäre töricht gewesen. Also war sie stumm geblieben, regungslos, verzweifelt.

Sie scheuchte die Erinnerung weg.

Cyprian Okri machte ein skeptisches Gesicht. »Was ist das?«

»Der Lieblingscocktail der meisten Terraner hier im Etappenhof.« Das konnte sie leicht behaupten – nach Lankos Verhaftung gab es noch sie selbst und vielleicht ein oder zwei Robotaufseher, falls sie nach wie vor in den Baustellen arbeiteten. Sie hatte sie lange nicht mehr gesehen.

Okri hob das Glas, roch und stellte es mit unbewegter Miene wieder ab. »Ehe ich dich frage, wobei genau wir dir behilflich sein sollen, lass uns über die Bezahlung reden.«

Giuna wartete ein paar genau bemessene Sekunden, ehe sie antwortete. »Ich biete Zellaktivatoren.«

Der Buchhalter schwieg, setzte das Glas erneut an und trank. Sein Blick ging an ihr vorbei, entweder ins Leere oder zu dem Holo, das ein Fenster simulierte. Es zeigte eine Berglandschaft, hinter der eine braune Sonne aufging, wabernd in Gluthitze.

»Zwei davon, um genau zu sein«, ergänzte Giuna.

»Weiter.«

»Sie sind ausgebrannt.«

»Also handelte es sich um Überbleibsel der Geräte, die die Gemeni verteilt hatten?«

»Korrekt. Sie sind nach einigen Hundert Jahren ...«

»... nutzlos?«, unterbrach sie Cyprian Okri. »Ein seltsames Angebot. Ich habe dich für vernünftiger gehalten. So kann der erste Eindruck täuschen.«

Giuna hörte das Lauern in seiner Stimme, das genau das Gegenteil seiner Worte verriet. Er hatte angebissen.

»Nutzlos ist nicht die richtige Beschreibung«, sagte sie. »Die Gemeni hatten ein paar Hundert Zellaktivatoren verteilt. Die Träger genossen ein langes Leben, die meisten tauchten irgendwann unter. Soweit bekannt, sind alle nach einigen Jahrhunderten gestorben. Aber nur die wenigsten Aktivatoren wurden gefunden. Geborgen. Oder wie immer du es nennen willst. Die Geräte, die es noch gibt, werden für Unsummen verkauft, obwohl sie nicht mehr funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass sich die Wissenschaft sämtliche Finger danach leckt, weil sie sich durch die Untersuchung der Technologie Erkenntnisse erhofft.«

»Gute Predigt«, urteilte Okri. Er lachte. »Mein Herr ist Händler. Ich arbeite für ihn und habe seine Geschäftstaktik übernommen. Was uns angeboten wird, ist zunächst immer schlecht. Ein Grundgesetz, wenn man sich selbst einen Vorteil verschaffen will. Du bist eine harte Handelspartnerin.«

»Danke. Falls es ein Lob war.«

»War es.« Cyprian nestelte an der Lehne, stellte sie ein wenig aufrechter. »Ich halte dich für schlau genug, uns keine Fälschungen anzubieten. Wir würden es erkennen. Woher stammen die Aktivatoren?«

Giuna zögerte. »Es ist ... privat.«

»Und das hier ist ein Handel. Du willst etwas von uns. Also?«

»Meine Eltern«, sagte sie. »Sie trugen beide Zellaktivatoren. Sie haben sich tatsächlich erst etwa zwei Jahrhunderte nach dem Abzug der Gemeni kennengelernt. Und noch lange gelebt.«

Okri trank das Glas leer. »Offenbar sind sie bis ins hohe Alter potent geblieben. Du bist doch höchstens dreißig Jahre alt.«

»Achtundzwanzig. Meine Mutter ist vor zehn Jahren gestorben, mein Vater wollte danach nicht mehr und ...« Giuna stockte. »Meine Recherche legt nahe, dass sie von allen Zellaktivatorträgern am längsten gelebt haben.«

»Von den echten Unsterblichen abgesehen«, sagte Okri. »Wie zum Beispiel Perry Rhodan.«

»Glaubst du an ihn?« Die Frage rutschte ihr heraus, ehe sie es verhindern konnte. Sie fühlte einen Drang, sich zu erklären. »Du bist Terraner, wie ich. Unsere Heimat ist ein Mythos, und jemand wie Rhodan, der Terra angeblich noch gekannt hat, ist ...«

»Ja«, fiel Okri ihr ins Wort. »Ich ahne, was du meinst. Aber Glaube ist der falsche Begriff. Rhodan lebt, so einfach ist das. Genau wie zum Beispiel Reginald Bull, der Resident in der Zentralgalaktischen Bastion. Im Ephelegonsystem.«

»Hast du ihn gesehen?«

Der Buchhalter lachte. »Muss ich das, um zu wissen, dass es ihn gibt?«

Ja, wollte sie sagen, doch sie zögerte. »Ich weiß nicht«, gab sie zu. Diese Frage hatte sie sich nie gestellt. Es gab zu viele Geschichten. Zu viele Mythen um diese angeblichen Unsterblichen.

»Von Terraner zu Terranerin«, sagte Cyprian Okri. »Terra hat existiert!«

»Glaubst du?« Sie schloss die Augen. »Ich meine ... bist du davon überzeugt? Weißt du es? Man erzählt sich viel.«

»Warum arbeitest du hier, Giuna Linh? Ausgerechnet bei den Akonen?«

Sie verstand nicht. »Worauf willst du hinaus?«

»Wieso lebst du nicht irgendwo am anderen Ende dieser Kurztransmitterstrecke, oder bei den Cheborparnern? Du hättest dich den Cairanern anbiedern können, aber ...«

»He!«

»... aber nein, du suchst dir ausgerechnet die Akonen als Partner aus. Weshalb?«

Diese Frage brachte sie völlig aus dem Konzept. »Ich weiß nicht, warum du das wissen willst.«

»Weil ich dich verstehen möchte, ehe ich ein Geschäft mit dir abschließe. Zumal mich das Gefühl überkommt, dass du nicht einfach irgendeinen kleinen Tausch anstrebst. Nein, du hast Kondayk-A1 wegen seines Rufs angesprochen, wegen seiner Verbindungen. Seiner Möglichkeiten!«

Das stimmte so genau, dass sie ein Schauer überlief. Es kam ihr vor, als würde ihr Cyprian Okri mitten in die Seele blicken. »Es gibt keinen Grund«, sagte sie. »Ich habe mir die Akonen nicht ausgesucht. Ein Zufall.«

»Glaubst du?«

»Ich denke, es hat nichts mit Glauben zu tun?«

Ihr Gast lächelte schmallippig. »Lass mich dir erklären, was ich meine. Die Akonen teilen etwas mit uns.«

»Da fällt mir eine Menge ein. Sie sind humanoid, sie ...«

»Sei still«, bat er – oder befahl er es? »Sie stammen von dem Planeten Drorah, der verloren gegangen ist.«

»Er wurde zerstört«, sagte Giuna automatisch. »Im Jahr 1345 NGZ.«

»Du kennst dich gut aus.«

»Ich arbeite mit ihnen und ...« Sie stutzte. »Und will sie deshalb verstehen«, ergänzte sie leise. Genau wie Cyprian Okri sie verstehen wollte. »Und niemand kann begreifen, wie die Akonen denken, der nicht weiß, wie sehr sie die Zerstörung ihrer Heimatwelt schmerzt, obwohl dieses Ereignis etliche Jahrhunderte zurückliegt. Eine kollektive Wunde ihres Volkes.«

»Und exakt dasselbe gilt für die Terraner.«

»Wir haben unsere Heimat nicht verloren. Sie ist ein Mythos. Ich habe keine Ahnung, woher meine Vorfahren wirklich stammen.«

Nun lächelte er und stellte noch einmal dieselbe Frage: »Glaubst du?«

Sie antwortete nicht.

»Aber lassen wir das«, schlug der Buchhalter vor. »Du bietest Zellaktivatoren an. Welche Gegenleistung erhoffst du dir?«

»Ich möchte mit Kondayk-A1 persönlich darüber sprechen.«

»Mit mir – oder gar nicht.«

Giunas Gedanken überschlugen sich. »Du versuchst, mich zu verstehen. Bitte erlaube mir dasselbe.«

»Was willst du über mich wissen?«

»Wie stehst du zu den Cairanern?«

Er blieb völlig ruhig. »Du planst etwas, das sich gegen ihren Friedensbund richtet?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Dann sprich endlich offen!«

Sie sah ihm in die Augen. Es war das Fehlen jeglicher Angst, die absolute Gelassenheit, die den Ausschlag gab. Giuna entschloss sich, radikal ehrlich zu sein. »Ich möchte, dass ihr mich auf die Ausweglose Straße bringt.«

Nicht einmal nach dieser Offenbarung wirkte er verblüfft. Er sprang nicht auf. Er verdammte sie nicht. Er lachte sie nicht aus. »Warum?«, fragte er nur.

»Um meinen Mann zu befreien. Lanko Wor.«

Sie schwiegen.

Er deutete auf ihr Glas, das sie nicht angerührt hatte. »Trinkst du das noch?«

Giuna schob es ihm hin.

Er fuhr mit dem Finger über den Rand. »Unser Schiff steht ganz in der Nähe des Etappenhofs. Die TREU & GLAUBEN. Wenn Kondayk seine lästige Pflicht erfüllt hat, wird er mit dir sprechen. Ich sorge für einen dringenden Termin.«

»Diese angeblichen Friedensgespräche sind doch nur ein Schauspiel«, sagte Giuna. »Die Cairaner stiften Frieden, und weder die Barniter noch die Akonen haben etwas zu sagen. Auch dein Herr nicht!«

»Mein Herr?« Cyprian Okri kicherte. »Was glaubst du, wer ich bin? Ein Sklave?« Er blickte auf die Uhr. »Willst du wissen, wie es abläuft? Es müsste bald vorbei sein. Komm mit auf unser Schiff.«

Die plötzliche Einladung überraschte Giuna. So froh sie war, dass er sie nicht sofort abgewimmelt hatte, so unwirklich kam ihr diese Reaktion vor. Fast fühlte sie sich, als würde sie sich selbst dabei zusehen, wie sie dem Buchhalter aus ihrem Quartier folgte.

In was habe ich mich da hineingeritten?, fragte sie sich. Aber es gab kein Zurück mehr – sie hatte diesen Weg eingeschlagen, nun würde sie ihn verfolgen.

*

Sie setzten mit einem kleinen Beiboot der TREU & GLAUBEN über. Der Etappenhof blieb hinter ihnen zurück, sie näherten sich dem Schiff des Barniters Kondayk-A1.

»Du bist eine interessante Person, Giuna«, sagte Okri. »Das habe ich vermutet und Kondayk gesagt.«

»So?«, fragte sie und hielt zurück, was ihr auf der Zunge lag: Wann denn? Leise Angst kroch in ihr hoch. Sie unterdrückte die Empfindung. Im Unterdrücken war sie inzwischen eine wahre Meisterin.

Im Shuttle hätten außer Cyprian Okri und Giuna noch zwei weitere Personen Platz gefunden. Der Buchhalter übernahm die Steuerung – wobei er die eigentliche Arbeit wohl einem Autopiloten überließ, soweit Giuna das beurteilen konnte. Er sah jedenfalls sehr entspannt aus.

Das Handelsschiff bot einen imposanten Anblick ... alles andere hätte sie auch gewundert. Sie wusste, dass es sich um einen 1200 Meter durchmessenden Kugelraumer der DANTON-Klasse handelte. Am unteren Pol hatte ein übergroßer Scheibencontainer angedockt, wie bei Schiffen der Barniter durchaus üblich – in diesem Fall ein gewaltiges Gebilde von einem halben Kilometer Länge bei 300 Metern Durchmesser. Darunter wiederum hing ein kleinerer Container – immer noch ein Koloss.

»Wir steuern den größeren Container an«, sagte Cyprian. »Kondayk-A1 wohnt dort.«

»Sieht nach einem Palast aus. Zumindest vom Platzangebot her.«

»Er feiert darin Feste. Vertragsabschlüsse. Es gibt Büros. Solche Dinge.«

»Und der kleinere Container?«

»Das Kaufhaus. Die Abteilungen bieten so ziemlich alles, was dein Herz begehrt.« Er betrachtete sie angelegentlich. »Oder sagen wir so: Das gilt für die meisten Besucher. Für dich wohl nicht.«

Sie nickte.

Die TREU & GLAUBEN stand nur mehr einen Katzensprung entfernt im Schwarz des Alls. Rundum funkelten tausend ferne Sterne. »Noch kann ich umkehren und dich absetzen. In diesem Fall ist die Sache für dich gelaufen. Du wirst nie wieder von uns hören.«

»Ich habe keine Angst«, log Giuna.

Ein Schott öffnete sich vor ihnen, geschützt durch ein Energiefeld, das das Beiboot durchflog.

Sie landeten. Es rumpelte leicht. Giuna spürte ein flaues Gefühl im Magen.

Cyprian stand auf, verließ das Shuttle.

Sie folgte und betrat einen Hangar, umflutet von kaltem Kunstlicht.

Von der Umgebung nahm sie kaum etwas wahr, abgesehen von den beiden grob humanoid geformten Kampfrobotern, die ihr Waffenarme entgegenstreckten. Gleich vier Strahlermündungen zeigten auf sie.

Kondayk-A1 kam mit schweren Schritten zu ihnen, stellte sich zwischen die Kampfmaschinen. Er trug noch immer die bunte Kleidung, und er überragte die Roboter, sah allein wegen seiner Körperfülle bedrohlicher aus als die Maschinen.

»Willkommen in meinem Schiff«, sagte er, und der eisige Tonfall strafte die höflichen Worte Lügen.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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