Читать книгу Wildwest Großband September 2018: Sammelband 8 Western - Pete Hackett - Страница 55
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Zwei Tage waren vergangen, seit die Apachen Cole McPherson verschleppt hatten. Das Lager der Apachenbande lag in einer schwer zugänglichen Schlucht. Es gab hier eine Quelle und einige Sträucher. In dem Lager befanden sich nur Krieger. Cole schätzte ihre Zahl auf etwa zwei Dutzend.
Mitten im Lager hatten sie vier Pfähle in den Boden gerammt. Coles Hände und Füße waren an den Pfählen festgebunden worden. Wie ein fleischgewordenes X lag er auf dem Schluchtgrund. Ungefähr vier Stunden am Tag war er der prallen Sonne ausgeliefert. Vormittags und nachmittags fiel der Schatten der Felswände zu beiden Seiten auf ihn. In seinem Gesicht zeichneten sich Sonnenbrandblasen ab. Zu trinken bekam er einmal am Tag.
Cole sollte langsam und qualvoll sterben.
Er musste sich hohnvolle, gehässige Bemerkungen gefallen lassen. Manchmal spuckten sie ihn an. Manchmal traten sie ihn.
Die Nächte waren kühl. Die Kälte schien aus dem Boden und durch seine Kleidung zu kriechen. Er fror erbärmlich.
Cole dämmerte dahin. Angst empfand er schon keine mehr. Irgendwann in den zurückliegenden Stunden war seine letzte Widerstandskraft erschöpft gewesen. Er hatte begriffen, dass es unmöglich war, gegen diesen Strom von vernichtender Brutalität und mörderischem Hass anzuschwimmen. Die Ausweglosigkeit seiner Situation hatte jede Art von Empfindung von ihm genommen. Er spürte nicht einmal mehr die Schmerzen vom Sonnenbrand in seinem Gesicht. Er hatte aufgegeben. Nur der Durst, der quälende Durst machte ihn fast verrückt.
Die dritte Nacht brach an.
In die Schlucht schlich sich die Dunkelheit. Es wurde merklich kühler. Ein Stück entfernt wurde ein Feuer entfacht. Licht- und Schattenreflexe huschten über Felswände und Boden. Ein Krieger kam mit einem Wassersack und schüttete einen Teil der lebensnotwendigen Flüssigkeit auf Coles Gesicht hinunter. Cole riss den Mund weit auf, um Wasser in seine ausgedörrte Kehle zu bekommen. Er schluckte gierig.
Der Apache lachte höhnisch und entfernte sich.
Die kühle Luft und das Wasser mobilisierten Coles Widerstandswillen und seine Kraft. Er dachte an Kelly und fragte sich besorgt, was wohl aus ihr geworden ist. Der Magen krampfte sich ihm zusammen, wenn er sich ausmalte, dass sie den vier Kriegern nicht entkommen war.
Du musst in dieser Nacht die Flucht versuchen, Cole!, peitschte es durch seinen gemarterten Verstand. Noch einmal vierundzwanzig Stunden hältst du nicht durch. In vierundzwanzig Stunden bist du wahrscheinlich tot oder wahnsinnig. Tagsüber aber hast du keine Chance. Zwei Dutzend Rothäute beobachten dich mit Argusaugen.
Er drehte ein wenig den Kopf. Um das Lagerfeuer hockten die Apachen im Schneidersitz herum. Ihre Gesichter muteten im Wechselspiel von hell und dunkel an wie aus Holz geschnitzt. Sie rauchten und palaverten.
In Coles Augen glühte der Wille zum Überleben auf. Er wollte sich nicht mit dem Gedanken abfinden, hier elend vor die Hunde zu gehen. Sein Widerstandwille überwand Erschöpfung und Resignation. Er aktivierte seine Sinne und spannte seine Muskeln. Mit aller Kraft begann er, den rechten Arm an sich heranzuziehen. Er merkte den Widerstand, der von dem Pflock ausging, an den sein Handgelenk gefesselt war. Er biss die Zähne zusammen und zog stärker. Tief schnitten die Riemen in seine Haut. Seine Hand wurde taub, weil die Durchblutung abgeschnürt wurde.
Cole ignorierte es. Er machte eine Pause. Seine Brust hob und senkte sich unter keuchenden Atemzügen. Schließlich versuchte er, den Pfahl mit einem Ruck aus der Erde zu hebeln. Um ein Haar hätte er seinen Schmerz hinausgebrüllt, weil er dachte, die Hand würde ihm vom Arm getrennt. Er würgte den Schrei hinunter, konnte aber nicht verhindern, dass ein gequältes Stöhnen über seine Lippen platzte.
Aber der Pfahl hatte sich etwas bewegt.
Er musste Kraft schöpfen. Die Dunkelheit in der Schlucht nahm schnell zu. Cole sah zwischen den Schluchträndern ein Stück des Himmels und nahm einige glitzernde Sterne wahr. Der Mond würde noch auf sich warten lassen.
Ein Krieger mit einem Gewehr kam und prüfte seine Fesseln. Dann entfernte er sich zum östlichen Eingang in die Schlucht. Ein anderer würde an der Westseite Stellung beziehen.
Verbissen begann Cole an dem Pfosten zu zerren. Und es gelang ihm, das Stück Holz mehr und mehr im harten Erdreich zu lockern. Und schließlich konnte er den Pflock herausziehen. Aber er ließ sich Zeit. Noch saßen die Apachen am Feuer. Ihre kehligen Stimmen erreichten ihn, was sie sprachen, konnte er nicht verstehen. Er ließ den Pflock stecken und blieb still liegen.
Noch einmal kam ein Krieger her. Es war der Anführer der Horde. Cole kannte seinen Namen nicht. Er wollte ihn auch gar nicht wissen.
"Weißer Hund!", schnappte der Mescalero. "Morgen Abend wirst du schon dem Tod näher sein als dem Leben. Du musst für vieles büßen, was uns die Bleichgesichter angetan haben."
Cole schwieg.
Wie Glaskugeln glitzerten die Augen des Apachen in der Dunkelheit.
"Deinen Kadaver werden wir den Aasgeiern und Wölfen zum Fraß vorwerfen!", zischte der Krieger.
Cole ächzte wie ein Mann, der am Rande der Besinnungslosigkeit dahinvegetierte.
Der Apache trat ihm in die Rippen.
Dann kehrte er zum Feuer zurück.
Die Versammlung löste sich auf. Die Mescaleros krochen unter Felsen und Büsche um zu schlafen.
Cole wartete noch eine Viertelstunde, dann zog er vorsichtig den Pfahl aus dem Boden. Er setzte sich auf. Den anderen Pfosten aus dem Boden zu reißen war weniger problematisch, hatte er ja die freie Hand zur Verfügung. Er löste die Fesseln. Seine Hände waren frei. Schmerzhaft setzte die Durchblutung ein. In seinen Fingerkuppen stach es wie von tausend Nadeln und der Schmerz trieb ihm das Wasser in die Augen. Er massierte seine Hände, und als der tobende Schmerz nachließ, löste er seine Fußfesseln.
Er sicherte um sich, witterte, lauerte. Dann kroch er davon. Sich ein Pferd zu beschaffen wagte er nicht, denn der Lärm, den die Mustangs verursachten, würde ihn verraten.
Fast fünfzig Schritt kroch er auf allen vieren. In der tintigen Finsternis im Schlagschatten der rechten Felswand richtete er sich auf. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Felsbrocken, vor Urzeiten in die Tiefe gestürzt, versperrten ihm den Weg. Er pirschte um sie herum. Das Herz klopfte dumpf in seiner Brust; das Pochen in seinen Schläfen war das Echo seiner Pulsschläge. Die Anspannung krümmte seine Gestalt.
Irgendwo vor ihm war der Wachposten, irgendwo in der Finsternis, die so dicht war, dass sie greifbar anmutete. Der Mond war noch immer im Osten hinter der Felswand verborgen. Das Sternenlicht reichte nicht aus, um den Grund der Schlucht zu erreichen.
Es war eine nervliche Zerreißprobe.
Manchmal schälte sich ein Busch aus der Nacht, manchmal ein Felsbrocken, dem die Finsternis die Form eines sitzenden Menschen verlieh. Und jedes Mal hielt Cole den Atem an.
Er schlich weiter. Plötzlich nahm er eine Bewegung wahr. Er stockte im Schritt. Möglich, dass ihm seine überreizten Sinne diese Bewegung vorgegaukelt hatten. Er ließ seinen Instinkten freien Lauf. Er huschte zu einem Felsen und tauchte dahinter ab.
Ein Stein klackte. Rauer Stoff schabte aneinander. Ein Schemen glitt aus der Finsternis. Die Gestalt nahm Formen an.
Cole machte sich sprungbereit.
Es war der Wachposten. Und er war arglos. Wahrscheinlich war es ihm kalt und deshalb bewegte er sich. Oder er war auf dem Weg ins Lager, um seine Ablösung zu wecken. Cole hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seit er sich von seinen Fesseln befreit hatte.
Er ließ den Krieger vorbei. Als dieser ihm den Rücken zuwandte, stieß Cole sich ab. Sein linker Arm schlang sich um den Hals des völlig überraschten Indsmen. Den linken Unterarm presste ihr ihm gegen den Nacken. Er riss den Kopf des Indianers mit einem Ruck nach hinten. Ein Gurgeln, ein trockenes Knacken, die Gestalt erschlaffte. Das Gewehr klirrte auf den steinigen Boden.
Cole ließ den Toten zu Boden gleiten, riss das Gewehr an sich und rannte dem Ausgang der Schlucht entgegen. Schließlich endeten die Felswände und vor Cole lag eine Senke im Mondlicht. Dunkel und schweigend erhoben sich die mächtigen Berge und säumten drohend das Tal.