Читать книгу Sieben glorreiche Western Oktober 2018 - Pete Hackett - Страница 11
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ОглавлениеWenig später preschten sie beide die Brücke entlang, die über den Rio Bonito führte. Dahinter begann die eigentliche Stadt Lincoln. Eine Main Street, daran aufgereiht wie Perlen an einer Schnur die Häuser.
Archie Wayne blieb immer ein paar Meter hinter Clay Braden zurück, auch wenn sich der Deputy redlich Mühe gab, sein Pferd ebenso anzutreiben, wie es der Town Marshal tat.
Der Abstand vergrößerte sich zusehends.
Wayne zeterte herum, aber Braden achtete nicht darauf.
Er jagte am Dolan Store vorbei, dem größten Gebäude der Stadt, und die Leute auf der Main Street sahen ihm verwundert nach.
Vor dem HAPPY SINNER Saloon machte er halt. Er sprang aus dem Sattel, machte das Pferd fest und passierte dann die Schwingtüren. Mit einer wuchtigen Bewegung stieß er sie zur Seite. Die Rechte blieb reflexartig in der Nähe des Revolvergriffs, der aus dem tiefgeschnallten Holster herausragte.
Auf dem Boden lag ein Toter in seinem Blut.
Clay kannte ihn.
Es war Saul Jackson, ein Cowboy aus der Umgebung. Clay hatte ihn mal wegen einer wüsten Schlägerei ins Jail bringen müssen, aber abgesehen davon war Jackson ein netter Kerl gewesen.
Ein finster wirkendes Quartett stand am Schanktisch. Der einäugige Reilly und seine Meute blickten den Marshal abschätzig an.
Genüsslich tranken sie ihre Gläser leer.
Einer der Kerle verlangte, dass man ihm nachschenkte.
Eddie Cameron kam jetzt hinter dem Schanktisch hervor.
Der Saloonbesitzer hatte bisher keine Gelegenheit ausgelassen, um Clay Braden das Leben schwer zu machen. Zu gerne hätte der Besitzer des Saloons HAPPY SINNER auch die Sundance Ranch besessen. Und das deren Besitzer gleichzeitig auch der Town Marshal war wurmte ihn zusätzlich.
Allerdings konnte er da wenig machen.
Da Clay seinen Job gut im Griff hatte und das Gesindel der Umgebung gehörigen Respekt vor ihm zeigte, war er bei den Bürgern von Lincoln unumstritten.
Aber irgendwann würde sich auch das ändern! Jedenfalls hatte Eddie Cameron sich das geschworen.
Systematisch arbeitete er daran, dass Clay Braden irgendwann zu Fall kam und nie wieder aufstand.
Dass man dabei Geduld haben musste, war Cameron klar.
Schließlich war Clay Braden seinerseits ein zäher Bursche, der sich nicht so einfach aus dem Weg räumen ließ...
Im HAPPY SINNER Saloon herrschte jetzt vollkommene Stille.
Eddie Cameron nahm die Zigarre aus dem Mund, auf der er bis dahin herumgekaut hatte. Ein Muskel etwas unterhalb seiner hässlichen Gesichtsnarbe zuckte unruhig.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Clay Braden, wie eines der Saloongirls hastig sein Mieder wieder zuschnürte, das ein fingerfertiger Gast in mühsamer Kleinarbeit endlich hatte öffnen können. Aber er sah auch noch etwas anders.
Einen Mann mit schulterlangen blonden Haaren und einem beinahe bis zu den Stiefelschäften reichenden Raincoat. Er stand oben an der Balustrade, stieß das heiße, halb ausgezogene Saloongirl, für das er sich vor wenigen Augenblicken noch heftig interessiert hatte, brüsk zur Seite und fingerte an dem 45er herum, den er an der Seite trug.
Clay hatte ihn schon ein paar mal gesehen. Immer in Gesellschaft von Eddie Cameron oder einem seiner Vertrauten.
Auf den werde ich aufpassen müssen!, dachte Clay.
Er hatte einen sechsten Sinn dafür. Andernfalls wäre er längst auf dem Boothill von Lincoln beerdigt worden.
"Erstaunlich, wie schnell das Auge des Gesetzes im HAPPY SINNER ist!", stellte der Saloonbesitzer süffisant fest.
"Nachrichten verbreiten sich schnell in Lincoln!", erwiderte Clay Braden.
"Sie sagen es."
"Sonst sind Sie doch schneller damit, die Toten aus Ihrem Saloon zu räumen, Cameron!"
"Ich wollte Ihnen die Aufklärung des Verbrechens erleichtern, Marshal."
"Das ich nicht lache!"
"Der tote Gentleman hier hat falsch gespielt, wollte mit dem Geld davon und hat die Waffe gezogen, als seine Mitspieler damit nicht einverstanden waren..."
Clay wandte sich an das finstere Quartett um den Einäugigen.
Er hatte diese Männer aus der Postkutsche steigen sehen und es war ihm von der Sekunde an klar gewesen, mit wem er es zu tun hatte. Mit Leuten, die auf Ärger aus waren.
"Wer hat ihn erschossen?", fragte Clay.
"Ich!", erklärte der Einäugige. "Mein Name ist John Reilly. Und alle hier im Raum können bezeugen, dass dieser Bastard da auf dem Boden zuerst gezogen hat..."
Clay drehte sich herum.
Die Rechte blieb immer in der Nähe des Revolvergriffs. Den Kerl hinter der Balustrade behielt er auch im Auge.
"Ist es wahr, was der Mann hier sagt?", rief der Marshal. "Hat Mr. Reilly in Notwehr gehandelt?"
Nacheinander bestätigten einige der Gäste dies. Auch die Saloon-Girls wollten genau gesehen haben, wie Jackson als Erster seine Waffe gezogen hatte.
Ein grimmiger Zug erschien in Clays Gesicht.
"Ich frage mich, ob mancher hier im Raum nicht ein bisschen zu beschäftigt gewesen ist, um das wirklich so genau mitgekriegt zu haben!"
Clays Blick blieb für einen kurzen Moment bei einem dicken Mann hängen, auf dessen Schoß eine Rothaarige mit endlos langen Beinen saß.
Jetzt schaltete sich Eddie Cameron ein.
"Sie gehen entschieden zu weit, Marshal!", rief er. "Oder wollen Sie wirklich allen ernstes die Ehrenhaftigkeit meiner Gäste anzweifeln?"
Clay gab dem narbengesichtigen Saloonbesitzer darauf keine Antwort.
Er ging zu dem Toten, beugte sich nieder.
"Zwei Einschüsse", stellte er fest. "Ein bisschen viel für reine Notwehr", stellte er fest.
"Sie werden schwer das Gegenteil beweisen können, Marshal!", meldete sich der einäugige John Reilly zu Wort.
"Aber wenn Sie unbedingt wollen, dann nehmen Sie uns fest und machen sich zum Gespött des Gerichts!"
Innerlich kochte Clay.
Aber nichts davon ließ er nach außen dringen.
Er blieb vollkommen beherrscht.
Das Schlimme war, dass Reilly sogar recht hatte.
Angesichts der Zeugenaussagen konnte dem einäugigen Gunslinger nichts passieren. Würde mich nicht wundern, wenn Eddie Cameron dich und deine Meute angeheuert hat, um hier Ärger zu machen!, ging es dem Town-Marshal durch den Kopf.
In diesem Augenblick betrat Deputy Archie Wayne den Raum.
Er hielt die Schrotflinte unter dem Arm. Der Deputy-Stern prangte an seiner Brust. Den übergroßen Stetson trug er in den Nacken geschoben.
"Alles klar, Clay?", fragte er.
Clay nickte und erhob sich dabei.
"Alles klar."
Waynes Blick wandte sich für ein paar Augenblicke dem toten Saul Jackson zu. Der Deputy runzelte die Stirn dabei.
Eddie Cameron ging auf den Deputy zu.
"Wie wäre es, wenn Sie Ihr Schießeisen in eine andere Richtung zeigen ließen", schlug er vor. "Sie würden damit die Verletzungsgefahr für uns alle erheblich verringern - Sie eingeschlossen!"
Camerons Tonfall troff nur so vor ätzender Ironie.
Einige der Männer grinsten, ein barbusiges Girl kicherte schrill.
Archie Wayne lief rot an.
"Ich habe das Gefühl, dass ich hier nicht so richtig ernst genommen werde!", stellte er fest. Er tickte gegen den Blechstern an seiner Weste. "Das ist Missachtung der Justiz, würde ich sagen!"
Camerons Augen blitzten.
"Was Sie nicht sagen, alter Mann!"
Clay kümmerte sich nicht weiter um Cameron.
Er ging auf das finstere Quartett um den Einäugigen zu.
Reilly lachte zynisch. Aber als Clay Bradens eisiger Blick ihn traf, verstummte er augenblicklich. "Ich kann Ihnen diesmal nichts nachweisen, aber ich möchte, dass Sie eins wissen: Ich beobachte Sie! Wie lange wollen Sie in der Stadt bleiben?"
"Wir haben uns noch nicht so recht entschieden. Aber da es hier zumindest einen annehmbaren Salloon mit hübschen Girls gibt, bleiben wir vielleicht länger", meinte John Reilly.
Er schob sich den Hut in den Nacken. Seine Hand berührte den Griff des Revolvers an seiner Seite. "Hübsche Girls soll es hier in der Gegend übrigens noch anderswo geben... Auf einer Ranch, die sich Sundance Ranch nennnt, drüben auf der anderen Seite des Rio Bonito..." Er blickte sich zu seinen Begleitern um, in deren Gesichtern sich ein dreckiges Grinsen breitmachte.
"Vielleicht sehen wir uns dort ja auch mal um!", lachte einer von ihnen.
"Verlassen Sie besser die Stadt!", riet Clay. "Sonst wird es Ihnen leid tun."
"Wollen Sie mir drohen?", zischte Reilly.
"Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, Reilly!" Clay wandte sich an Cameron. "Das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen!"
"Hunde, die bellen beißen nicht, Braden. Das wissen Sie doch!", versetzte der Saloonbesitzer.
"Beziehen Sie das besser nicht auf mich, Cameron!"
Cameron atmete tief durch. Seine Nasenflügel bebten. Aber er schwieg.
Clay Braden drehte sich herum, ging in Richtung Tür.
In diesem Moment zog der Blonde oben hinter der Balustrade seinen Revolver. Es war langer Army-Colt. Clay hatte die Bewegung aus den Augenwinkeln heraus gesehen. Er ließ sich zur Seite fallen, während die erste Bleibohne haarscharf an seinem Oberkörper vorbeizischte und ein Loch in den Holzboden stanzte.
Ein zweiter Schuss folgte, verfehlte aber ebenfalls sein Ziel.
Clay ließ sich fallen, rollte sich auf dem Boden ab und feuerte hinauf zur Balustrade.
Der Schuss erwischte den Blonden im Bauch.
Er stand schwankend da. Seine Augen quollen hervor. Er presste die Linke gegen den Bauch. Blut quoll zwischen seinen Fingern hindurch.
Der Blonde versuchte noch, den Lauf des Army Colts auf Braden auszurichten. Es gelang ihm nicht. Ein Schuss löste sich, ließ der Kronleuchter des HAPPY SINNER zu Bruch gehen.
Dann stürzte der Blonde vornüber, kippte über die Balustrade und fiel wie ein toter Stein hinunter.
Er landete auf einem der Tische, dessen Beine knickten unter der Wucht des Aufpralls ein. Der Tisch krachte zu Boden. Ein schwarzhaariges, großbusiges Saloongirl mit großem Dekolletee sprang kreischend zur Seite. Der Stutzer mit Melone, dem sie am Hals gehangen hatte kippte mitsamt seinem Stuhl hinten über.
Clay stand auf.
Er steckte den Colt zurück ins Holster, trat dann auf den Blonden zu.
"Keine Bewegung!", rief unterdessen Archie Wayne, der stocksteif dastand und den Lauf der Schrotflinte hin und her schwenkte. "Niemand rührt sich oder macht irgendwelche Dummheiten!"
Clay drehte inzwischen den Blonden an der Schulter herum. Er war tot.
"Kennt jemand diesen Gentleman?", fragte Clay.
Niemand sagte einen Ton. Zumindest für ein paar Augenblicke. Clay durchsuchte die Taschen des Toten, um irgendeinen Hinweis zu finden. Aber da war nichts.
"Möglicherweise war dieser Mann jemand, der mit Ihnen noch eine Rechnung offen hatte, Braden!"
Clay bedachte ihn mit einem kühlen Blick. "Sie scheinen näheres darüber zu wissen!"
"Unterstellen Sie mir nichts!"
"Eines Tages bekommt jeder seine Rechnung präsentiert", erwiderte Clay.
"Wem sagen Sie das..."
Clay drehte sich herum, schlug Archie Wayne auf die Schulter.
"Komm, wir gehen, Archie."
Zusammen traten sie ins Freie.
"Der Kerl, der auf dich geschossen hat...", begann Wayne und brach dann ab. "Ich wette, dahinter steckt unser ach so ehrenwerter Mr. Cameron!"
"Natürlich tut er das!", nickte Braden.
"Und warum unternimmst du dann nichts?"
"Weil ich es ihm dann beweisen müsste. Und das kann ich nicht."
Sie schwangen sich auf ihre Gäule, die an einer Querstange festgemacht waren. Archie steckte sein Schrotgewehr in den Sattelschuh.
"Wir werden auf dieses finstere Quartett am Schanktisch aufpassen müssen", sagte Clay Braden. "Die sind nur auf Ärger aus!"
"Wahrscheinlich hat Cameron diese Gunslinger für irgendeine Teufelei angeheuert!", vermutete Archie Wayne.
Clay zuckte die Achseln.
"Möglich, Archie."
"Der Kerl oben an der Balustrade hätte dich übrigens so oder so nicht erwischt. Ich hatte ihn nämlich schon im Visier."
Clay grinste.
"Es geht doch nichts über einen Deputy, auf den man sich verlassen kann!"
"Wenn du das mal richtig zu schätzen wüsstest!", meckerte Archie. "Manchmal hat man den Eindruck, als würdest du mich nicht so ganz für voll nehmen... und gerade hast du dich selbst unnötig in Gefahr gebracht, in dem du mir davongeprescht und allein in den HAPPY SINNER Saloon gegangen bist!"
Clay lachte. "Ich werde mich bessern", versprach er scherzhaft.
"Der Langhaarige, der auf dich geschossen hat, kam mir übrigens irgendwie bekannt vor."
"Ach, ja?"
"Ich glaube, es war auf einem Treck ins Arizona Territory. Muss noch vor dem Bürgerkrieg gewesen sein. Ich hatte als Treckbegleiter angeheuert und dann tauchte irgendwann ein Kerl auf, der diesem Gunslinger zum verwechseln ähnlich sah... nur jünger natürlich."
Clay schnitt ihm das Wort ab.
"Keine Story, Archie! Nicht jetzt! Dafür habe ich im Augenblick einfach keine Nerven!"
Archie verzog das Gesicht.
Er war ganz offensichtlich ein bisschen beleidigt.
Aber Clay wollte sich jetzt die Geschichte seines Deputys nicht anhören, bei der er ohnehin wusste, was ihn erwartete. Ausgedehnte Schilderungen seiner früheren Abenteuer als Indianerkämpfer, Kavallerist, Revolverheld und was sonst noch alles. Clay glaubte im übrigen kein Wort davon.
Schließlich war Archie Wayne noch nicht einmal in der Lage, mit einem Revolver umzugehen, ohne dass die Gefahr für ihn selbst und seine Freunde dabei wesentlich geringer gewesen wäre als für seine Gegner. Daher benutzte er vorzugsweise eine Schrotflinte. Damit konnte sogar ein Blinder sein Ziel kaum verfehlen.
Als sie den Dolan Store erreichten, zügelte Clay sein Pferd.
"Ich will noch ein paar Besorgungen machen", meinte er.
"Kommst du mit?"
Aber Archie Wayne schüttelte den Kopf.
"Mir knurrt der Magen nach dem Schrecken eben. Ich werde mir in Paco's Bodega die letzten Zähne an einem Steak ausbeißen."
Clay grinste.
"Viel Vergnügen dabei!"