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McQuade – das Recht hat einen Namen Western von Pete Hackett

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Pete Hackett Western - Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien "Der Kopfgeldjäger", "Weg des Unheils", "Chiricahua" und "U.S. Marshal Bill Logan".

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

****

Der Mann hinter der Rezeption blickte über die Ränder seiner Drahtgestellbrille McQuade entgegen. Zwei senkrechte Unmutsfalten bildeten sich über seiner Nasenwurzel, als er die Schlamm- und Wasserspuren auf dem gewiss nicht teuren, doch sehr pompös wirkenden weinroten Teppich wahrnahm, die der Kopfgeldjäger und Gray Wolf hinterließen. Doch der Hotelier verkniff es sich, etwas zu sagen.

McQuade erreichte die Rezeption und ließ seine Stimme erklingen: „Guten Tag. Ich möchte die Nacht hier in Sentinel verbringen. Haben Sie ein Zimmer für mich?“

„Sicher.“ Der Hotelier griff unter die Rezeption und holte das Gästebuch hervor, schlug es auf, drehte es herum und schob es McQuade hin, der sich den Tintenstift angelte und die Mine mit der Zunge befeuchtete.

Er schrieb seinen Namen unter den letzten Eintrag, und der Mann hinter der Rezeption gab sich Mühe, ihn verkehrt herum zu lesen. McQuade studierte die letzten Eintragungen. Den Namen allerdings, den er suchte, fand er nicht.

Er legte den Stift zur Seite und sagte: „Ich verfolge einen Banditen. Er reitet einen Schecken. Seine Spur führt in diese Stadt. Er könnte vor einem oder zwei Tagen in Sentinel angekommen sein.“ McQuade griff unter den Regenumhang und holte einen zusammengelegten Steckbrief aus der Tasche seines Staubmantels, faltete ihn auseinander und hielt ihn dem Hotelier hin. „Das ist der Mann. Können Sie mir möglicherweise weiterhelfen?“

„Sind Sie ein Marshal oder Sheriff?“ Der Owner, es handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen Mann mit grau melierten Haaren, die kurz geschnitten waren, drehte das Gästebuch herum und las den Namen.

„Nein.“

„Ich verstehe.“ Der Owner nickte wiederholt und schaute McQuade mit müden, blauen Augen verschwörerisch an. „Es ist eine persönliche Rechnung, nicht wahr?“ Plötzlich stutzte der Hotelier, der, während er sprach, seinen Blick auf den Steckbrief geheftet hatte. „Der Bursche ist tausend Dollar wert. Jagen Sie ihn der Dollars wegen?“

„James Frazer ist ein Mörder und Vergewaltiger, und darum bin ich hinter ihm her.“

„Heiliger Rauch! Er ist vorgestern Vormittag in Sentinel angekommen. Ich habe ihn am Hotel vorbeireiten sehen. Und gestern sah ich ihn in Begleitung Brian Hansens. Die beiden kamen zusammen in die Stadt, vergnügten sich die halbe Nacht im Saloon, und sie vermittelten ein hohes Maß ein Eintracht.“

„Wer ist Brian Hansen?“, fragte McQuade. Gray Wolf rieb seinen mächtigen Kopf an seinem Bein und der Kopfgeldjäger kraulte das Tier zwischen den Ohren. Der Hund begann leise zu fiepen.

Die Mundwinkel des Hoteliers sanken geringschätzig nach unten. In seine müden Augen trat ein leidenschaftliches Funkeln. „Hansen ist Vormann auf der Painted Rock Ranch und erledigt für Dave Lewis die Schmutzarbeit. Ich habe ihm …“ Der Hotelier verstummte und winkte ab. „Er ist ein dreckiger Hurensohn, und ich wünsche ihm, dass er bald in der Hölle schmort.“

Der Hass, der im Tonfall der Stimme des Mannes lag, war unüberhörbar. Hass wühlte auch in seinen Augen und prägte jeden Zug seines Gesichts.

McQuades Aufmerksamkeit war erregt. „Werden Sie deutlicher. Weshalb wünschen Sie ihn zum Teufel? Erzählen Sie mir mehr über Brian Hansen.“

„Was interessiert er Sie, Mister? Seien Sie froh, wenn Sie nichts von ihm wissen, und danken Sie Gott, wenn Sie nichts mit ihm zu tun bekommen.“

„Sie hassen ihn, nicht wahr?“

„Ja.“ Der Hotelier machte eine kurze Pause. Sein Blick schien sich nach innen zu verkehren. Sekundenlang schien er in Nachdenklichkeit versunken zu sein, dann hub er noch einmal zu sprechen an. „Vielleicht sollten Sie wirklich mehr über Hansen wissen, außer dass er eine der miesesten Figuren in diesem Landstrich ist.“ Jedes Wort schien tonnenschwer zu wiegen in seinem Mund. „Er sitzt in Carter Lewis’ Sattel und ist Lewis’ Bluthund, den man nur von der Leine zu lassen braucht, damit er alles zerfetzt und zerfleischt, was ihm in die Quere kommt. Seine Sprache ist die der Gewalt, er besitzt keinen Ehrenkodex und Fairness ist für ihn ein Fremdwort.“

„Weshalb beschäftigt Carter Lewis einen solchen Mann?“, fragte McQuade.

„Lewis ist der Große und Mächtige in diesem Landstrich. Er hat angefangen, die Heimstätter und Siedler an seinen Weidegrenzen zu bekämpfen. Und wenn ich es richtig einschätze, dann ist James Frazer dem schießwütigen Haufen von Carter Lewis beizutreten. Sollte das der Fall sein, dann wird es sicherlich höllisch hart für Sie, wenn Sie ihn sich vor die Mündung holen.“

McQuade zuckte mit den Schultern. „Danke für die Hinweise. Ich kann mich jetzt darauf einstellen, dass Frazer möglicherweise Freunde hat, die ihm beistehen werden.“ Nach dem letzten Wort nahm er den Schlüssel für das Zimmer in Empfang, wandte sich der Treppe zu und stieg nach oben.

Der Hotelier schaute ihm mit einem grüblerischen Ausdruck im Blick hinterher.

*

Es regnete mit unverminderter Heftigkeit. Von der Fensterscheibe perlte das Wasser. Im Zimmer war es düster.

Der Kopfgeldjäger war müde und wollte schlafen. Tagelang war er auf der Fährte James Frazers geritten. Erst hatten ihm mörderische Hitze und Staub zugesetzt, am Morgen hatte es dann zu regnen begonnen.

McQuade zog den imprägnierten Regenumhang aus, entledigte sich auch des Staubmantels, nahm den Revolvergurt ab, schleuderte seinen durchgeweichten Stetson auf den Tisch, schlüpfte aus den Stiefeln, ging zum Bett und warf sich darauf. Gleich darauf war er eingeschlafen. Forderndes Pochen an der Tür riss ihn aus dem Schlaf. Gray Wolf, der neben dem Bett auf dem Boden gelegen hatte, erhob sich, dehnte seinen muskulösen Körper und gähnte.

McQuade richtete den Oberkörper auf. „Wer ist da?“

„Der Hotelier. Ich muss mit Ihnen sprechen, Mr. McQuade.“

„Warten Sie!“ McQuade drückte sich hoch, ging zur Tür, öffnete sie und vollführte eine einladende Handbewegung. Der Owner betrat das Zimmer, der Texaner drückte die Tür wieder ins Schloss. „Weswegen möchten Sie mit mir sprechen?“, erkundigte er sich ahnungsvoll.

Der Hotelier war stehen geblieben und fixierte misstrauisch Gray Wolf, der ihn unverwandt anstarrte.

Dem Texaner entging nicht die Unsicherheit des Mannes und er gebot dem Wolfshund, sich niederzulegen. Gray Wolf gehorchte aufs Wort. Der Hotelier entspannte sich und schaute den Kopfgeldjäger an. „Vielleicht sollte ich mich Ihnen zunächst einmal vorstellen, Mr. McQuade“, begann er dann zu sprechen. „Mein Name ist Newman – Craig Newman.“

„Es ist wegen Brian Hansen, wie?“

„Das ist richtig, Mr. McQuade. Hansen hat meinen Sohn ermordet. Bill, mein Junge, bekam mit ihm im Saloon Streit. Hansen beleidigte meine Tochter. Er nannte sie ein Flittchen. Das wollte Bill nicht schlucken. Nun …“

Die Stimme des Mannes brach.

„Sie sprechen von Mord, Newman“, murmelte McQuade. „Eine schwerwiegende Anklage.“

„Bill ging mit den Fäusten auf Hansen los. Es kam zum Kampf. Hansen schlug meinen Jungen nieder. Einige Zeugen sagten aus, dass mein Sohn zum Revolver gegriffen hat und dass Hansen in Notwehr schoss. Allerdings waren es fast ausschließlich Reiter der Painted Rock Ranch, die dies bestätigten.“

„Also waren es nicht nur Reiter der Painted Rock Ranch“, konstatierte der Kopfgeldjäger. Einen anderen Schluss ließ die letzte Formulierung des Hoteliers nicht zu.

„Nein. Auch einige Männer, die hier in Sentinel leben, haben Hansens Version bestätigt. Aber ich denke, sie sagten aus Angst vor Hansen und seinen Colthaien falsch aus. Unabhängig davon: Bill hatte nicht die geringste Chance gegen den Coltschwinger. Und darum war es Mord.“

„Wurde der Sheriff eingeschaltet?“, wollte McQuade wissen.

„Natürlich. Der County Sheriff kam sogar nach Sentinel. Nachdem er die Aussagen der Augenzeugen ausgewertet hatte, bestätigte auch er die Notwehrsituation, die Hansen berechtigte, meinen Jungen zu töten, und stellte die Ermittlungen ein.“

„Ich glaube, ich weiß, weshalb Sie mit Ihrer Geschichte zu mir kommen, Mr. Newman“, murmelte McQuade.

Der Hotelier wich dem Blick des Kopfgeldjägers nicht aus. „Wenn Sie sich Frazer holen“, stieß er hervor, „müssen Sie an Hansen vorbei. Ich zahle Ihnen fünfhundert Dollar, wenn Sie ihn erschießen. Er ist ein eiskalter Mörder, ohne jede Skrupel, und hat den Tod verdient. Billy war dreiundzwanzig. Hansen hat sein junges Leben ohne mit der Wimper zu zucken ausgelöscht.“

„Wie kam Hansen dazu, Ihre Tochter als Flittchen zu bezeichnen?“, fragte McQuade.

Jetzt senkte Craig Newman den Blick, nagte an seiner Unterlippe, dann antwortete er: „Sie hatte kurze Zeit ein Verhältnis mit Doug Lewis, dem Sohn von Carter Lewis. Aus dieser Liaison ist ein Kind hervorgegangen. Ich habe Stella damals gewarnt. Aber sie hat nicht auf mich gehört und sich diesem Schuft geradezu an den Hals geworfen. Doug Lewis hat sie schamlos ausgenutzt und mit derartiger Kaltschnäuzigkeit abserviert, als sie ihm eröffnete, dass sie schwanger sei, dass ich befürchtete, Stella nimmt sich das Leben. Sie hat Sentinel verlassen, denn hier zeigten die Menschen mit den Fingern auf sie. Stella lebt jetzt in Phönix.“

„Mag sein, dass Hansen ein charakterloser und niederträchtiger Zeitgenosse ist“, murmelte McQuade, nachdem er das Gehörte verarbeitet hatte. „Aber wenn selbst der County Sheriff festgestellt hat, dass er Ihren Sohn in Notwehr tötete …“ McQuade zuckte mit den Schultern. „Ich bin weder Richter noch Henker, schon gar nicht bin ich ein bezahlter Killer. Tut mir leid, Mr. Newman.“

Die Enttäuschung stand dem Owner in Gesicht geschrieben. Sekundenlang starrte er in McQuades Augen, als wartete er darauf, dass der Texaner seine Meinung änderte, plötzlich wandte er sich ab und ging mit hängenden Schultern zur Tür. Ehe er das Zimmer verließ sagte er, ohne sich umzuwenden: „Sie werden nicht umhin kommen, auf Brian Hansen zu schießen, McQuade. Er lässt ganz sicher nicht zu, dass Sie sich Frazer holen. Denn es würde einen Gesichtsverlust für ihn bedeuten.“

Der Hotelier verließ das Zimmer und zog die Tür zu. Versonnen starrte McQuade auf das Türblatt. Irgendwann murmelte er für sich: „O nein, Newman, ich lasse mich nicht vor deinen Karren spannen. Deine Rechnung geht nicht auf.“

*

Die Luft im Saloon war stickig, Schwaden von Tabakrauch zogen um die Lampen, die von der Decke hingen. Es roch nach Brandy, Bier und Schweiß. McQuade ging zum Tresen und verlangte einen Krug voll Wasser. Gray Wolf wich ihm nicht von der Seite. Abtastende, einschätzende und forschende Blicke fixierten den Kopfgeldjäger. Er vermittelte einen nicht gerade Vertrauen erweckenden Eindruck. In seinem hohlwangigen Gesicht wucherten tagealte Bartstoppeln. Die sandfarbenen Haare reichten ihm bis in den Nacken. Sein brauner Staubmantel war zerschlissen, das Leder seiner Stiefel brüchig. So sahen Satteltramps aus, Männer, die ruhelos durchs Land zogen und immer auf der Suche nach etwas waren, von dem sie oftmals selbst nicht wussten, was es war; es waren Gestrauchelte, Entwurzelte, Abenteurer, Glücksritter …

Von der Straße ertönte unvermittelt das Geräusch näher kommender Pferde. Stimmen wurden laut. Augenblicke später sah McQuade durch das große Frontfenster das Rudel.

Es waren fünf Reiter. Sie betraten gleich darauf den Schankraum. James Frazer war unter ihnen. Der Bandit war Anfang dreißig, dunkelhaarig und hager. Um seinen Mund lag ein brutaler Zug. Niedertracht und Verkommenheit standen ihm ins Gesicht geschrieben. Zusammengesetzt aus Skrupellosigkeit und niedriger Gesinnung gehörte er zu der Sorte, die sich einfach nahm, was ihr gefiel. Ein Menschenleben war für sie nichts wert.

Die vier Männer, die Frazer begleiteten, trugen die Holster mit den schweren Revolvern tief geschnallt. McQuade schätzte sie ein und kam zu dem Ergebnis, dass sie mit den Sechsschüssern umzugehen verstanden. Es war ein hartbeiniges, falkenäugiges Rudel, und McQuade fragte sich, welcher von ihnen wohl Brian Hansen war.

Sie kamen zur Theke, einer bestellte mit schnarrender, befehlsgewohnter Stimme Whisky. McQuade vermutete, dass es sich bei diesem Mann um Brian Hansen handelte. Der Keeper stellte eine Flasche und fünf Gläser vor die Männer hin.

McQuade stieß sich vom Tresen ab. Die Kerle von der Painted Rock Ranch achteten nicht auf ihn. Er ging drei Schritte in den Schankraum, zog den Revolver und drehte sich um. „Frazer!“ Der Name viel wie ein Hammerschlag.

Die Burschen am Schanktisch drehten sich ohne jede Hast um. James Frazers Rechte legte sich auf den Knauf des Revolvers. Sein Gesicht war unbewegt. Stechende Augen musterten McQuade. Die Atmosphäre war unvermittelt angespannt und gefährlich. Der Kopfgeldjäger und die fünf Revolvermänner standen sich gegenüber wie Raubtiere.

McQuade griff mit der linken Hand in die Manteltasche und brachte den gefalteten, vergilbten Bogen Papier zum Vorschein. Er hielt ihn halb in die Höhe und sagte: „Dein Steckbrief, Frazer. Tausend Dollar, tot oder lebendig. Du hast jetzt die Wahl.“

Sekundenlang herrschte Atemlosigkeit.

In Frazers Augen blitzte es auf. Es war wie ein Signal. „Du dreckiger …“ Damit warf sich der Bandit zur Seite, gleichzeitig riss er den Colt aus dem Holster.

Auch McQuade bewegte sich und trat blitzschnell einen halben Schritt zur Seite. Als es ihm aus der Mündung des Banditen orangerot entgegenblitzte, zog er den Stecher durch. Und während die Kugel Frazers eines der großen Frontfenster durchschlug, traf das Geschoss des Kopfgeldjägers mitten in das Leben des Banditen. Sein Körper schlug schwer hin und begrub den Sechsschüsser unter sich. Aus McQuades Coltmündung kräuselte ein feiner Rauchfaden. Der Geruch von verbranntem Pulver breitete sich aus.

Jetzt kam Leben in die Gestalten der Begleiter Frazers. Ihre Hände stießen zu den abstehenden Knäufen der Revolver. Aber da ertönte eine klirrende Stimme: „Stopp, Hansen. Wenn du den Revolver ziehst, drücke ich ab. Das gilt auch für deine niederträchtigen Freunde.“

Brian Hansen, der zur Waffe hatte greifen wollte, als James Frazer zusammenbrach, erstarrte.

Auch seine Begleiter hielten mitten in der Bewegung inne.

McQuade warf einen schnellen Blick zur Pendeltür hin. Hinter den Batwings stand Craig Newman, der Hotelier, und zielte mit einer Schrotflinte über die geschwungenen Ränder hinweg auf Brian Hansen.

Hansen atmete tief durch und rief schließlich heiser: „Halt du dich raus, Newman? Langsam habe ich die Nase voll von dir. Irgendwann bringst du bei mir das Fass zum Überlaufen, und dann schicke ich dich hinter deinem Billy her in die Hölle!“

Wilde Wut schwang in jedem seiner Worte mit.

Einer, ein dunkelhaariger Bursche mit narbigem Gesicht, der McQuade belauert hatte, glaubte den Texaner abgelenkt und zog den Colt. Doch McQuade war auf der Hut. Sein Revolver brüllte auf, der Getroffene wurde halb über den Tresen geworfen und rutschte schließlich daran zu Boden. Vor dem starren Gesicht des Kopfgeldjägers zerflatterte eine Pulverdampfwolke. Als er den Hahn spannte, bewegte sich die Trommel klickend um eine Kammer weiter.

„Was ist, Hansen?“, rief Craig Newman wild. „Weshalb versuchst du es nicht? Hast du plötzlich die Hosen voll? Bist du nur stark und mutig, wenn du dich hundertprozentig im Vorteil siehst?“

Der Vormann knirschte mit den Zähnen. Dann presste er hervor: „In Ordnung, Mister, es ist gut.“ Hansen entspannte sich, der lauernde Ausdruck in seinen Augen verschwand. „Als ich Frazers Namen auf die Lohnliste der Painted Rock Ranch setzte, hatte ich keine Ahnung, dass er gesucht wird. Du hast von uns nichts zu befürchten.“

„Dann sind wir uns ja einig“, versetzte McQuade. „Streich Frazers Namen wieder von der Lohnliste und schau dir die Leute, die du einstellst, in Zukunft besser an. Frazer hat geraubt, gemordet und vergewaltigt. Jemand, der etwas auf sich hält, gibt sich mit solchen Kerlen nicht ab.“

„Es ist in Ordnung“, wiederholte Brian Hansen und dehnte die Worte auf ganz besondere Weise, um ihnen Nachdruck zu verliehen.

„Gehen wir, Partner“, sagte McQuade zu Gray Wolf, der dicht bei ihm stand.

Rückwärts gehend verließ der Kopfgeldjäger den Saloon. Als hinter ihm knarrend und quietschend die Türflügel auspendelten, sagte er an Craig Newman gewandt: „Sie sollten Hansen nicht provozieren, Newman. Er sieht nicht aus wie ein Mann, der eine Demütigung leicht vergisst. Und Sie haben ihn eben gedemütigt.“

„Ich hätte abdrücken sollen, als er zum Revolver griff“, murmelte der Hotelier.

„Ihr Hass wird Sie eines Tages in die Hölle führen, Newman“, prophezeite der Texaner und brachte damit zum Ausdruck, was ihm gleichzeitig durch den Kopf schoss. Dann schritt er schnell davon.

*

Am Morgen verließ McQuade sein Zimmer und stieg, begleitet von Gray Wolf, die Treppe hinunter. Craig Newman stand nicht hinter der Rezeption. Der Kopfgeldjäger begab sich in den Frühstücksraum und setzte sich. Es dauerte nicht lange, dann kam der Hotelier. Er sah bleich und müde aus. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. „Möchten Sie Kaffee, Mr. McQuade?“

„Ja. Und für Gray Wolf bitte einen Napf voll Wasser. – Sie sehen nicht gut aus, Mr. Newman. Haben Sie schlecht geschlafen?“

„Der Gedanke an Billy hat mich nicht zur Ruhe kommen lassen“, murmelte der Hotelier. Dann fügte er hinzu: „Nachdem Sie gestern Abend weggegangen waren, hat mir Hansen zugerufen, dass ich es büßen werde, weil ich mich eingemischt habe.“

„Ja, das war ein Fehler“, knurrte McQuade.

„Mein Fehler war es, dass ich nicht abgedrückt habe“, murmelte Newman und verließ den Frühstücksraum. Wenig später brachte er eine Kanne voll Kaffee und eine Tasse. „Das Frühstück kommt gleich“, murmelte er. „Ich habe meiner Frau aufgetragen, für Sie ein paar Pancakes backt. Möchten Sie sie mit Ahornsirup?“

McQuade nickte. „Ich brauche einen kompetenten Mann, der mir eine Bestätigung für den County Sheriff in Tucson ausstellt, aus der sich ergibt, dass ich hier in Sentinel James Frazer gestellt und getötet habe.“

„Sicher, ohne diese Bescheinigung zahlt man Ihnen das Kopfgeld nicht aus“, murmelte der Hotelier. „Sie müssen sich an den Town Mayor wenden. Sein Name ist Wagoner - Jacob Wagoner. Nur er kann Ihnen ein entsprechendes beglaubigtes Dokument ausstellen.“

„Wo finde ich den Bürgermeister?“

Craig Newman beschrieb dem Kopfgeldjäger den Weg zum Haus Wagoners. Dann sagte er: „Wenn ich es richtig einschätze, dann wollen Sie Sentinel noch heute verlassen, Mr. McQuade.“

„So ist es.“ McQuade schenkte sich Kaffee ein. „Sie haben das Wasser für Gray Wolf vergessen.“

„Ich hole es gleich. – Mr. McQuade, ich möchte noch einmal auf mein Angebot von gestern zurückkommen. Ich bot Ihnen fünfhundert Dollar, wenn Sie Hansen wegen des Mordes an Billy zur Rechenschaft ziehen. Ist es nicht egal, wer Ihnen das Kopfgeld für einen Mann bezahlt? Hören Sie zu, Mr. McQuade: Ich erhöhe die Prämie auf tausend Dollar. Tausend Dollar für Brian Hansen!“

Newman starrte den Texaner an als wollte er ihn hypnotisieren, als wollte er mit seinem Blick hinter seine Hirnschale dringen und seine geheimsten Gedanken ergründen. „Das ist viel Geld, Mr. McQuade.“

Der Kopfgeldjäger verspürte Bitterkeit. Seine Stimme klang grollend, als er antwortete: „Sie scheinen etwas zu verwechseln, Newman. Ich jage Männer, die sich irgendwelcher Verbrechen schuldig gemacht haben, die sich dem Zugriff des Gesetzes zu entziehen drohen und denen das blutige Handwerk gelegt werden muss. Es sind Kerle, die steckbrieflich gesucht werden und auf die in irgendeiner Stadt hier im Territorium ein Galgen wartet. – Sie, Newman, möchten mich kaufen. Mit mir als Werkzeug möchten Sie Ihren mörderischen Hass befriedigen.“ Die Stimme des Kopfgeldjägers hob sich ein wenig, als er schloss: „Aber Hansen wird nicht vom Gesetz gesucht. Und ich bin kein bezahlter Killer.“

Das Gesicht des Hoteliers nahm einen düsteren Ausdruck an. „Einer, der für Geld Männer jagt, kann nur ein Killer sein, McQuade!“, stieß er gehässig hervor. „An Ihren Händen klebt Blut. Ich denke, Sie sehen sich in einem völlig falschen Licht. Erzählen Sie mir doch nicht, dass es Ihnen um Recht und Ordnung geht, dass Sie dem Gesetz …“

„Doch, es geht mir darum!“, unterbrach ihn McQuade schroff und erhob sich. „Go on, Partner, wir gehen.“

Der Kopfgeldjäger verließ das Hotel. In der Nacht hatte es nicht mehr geregnet. Der knöcheltiefe Staub der Straße hatte sich in zähen Morast verwandelt. In riesigen Pfützen spiegelten sich die tief ziehenden, grauen Wolken. McQuade benutzte, so weit es möglich war, den Bohlengehsteig, der die Main Street säumte. Er begab sich um Mietstall. Muffiger Stallgeruch empfing ihn. Er erklärte dem Stallmann, dass er in etwa einer Stunde die Stadt verlassen wollte und bat ihn, den Falben zu satteln und zu zäumen, dann suchte er den Town Mayor auf.

„Ich werde mir den Toten ansehen“, gab der Bürgermeister zu verstehen, nachdem der Texaner sein Anliegen vorgetragen hatte. „Und wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass es sich um den steckbrieflich gesuchten Banditen handelt, bitte ich Doc Miller, einen Totenschein auszustellen, und ich werde Ihnen eine beglaubigte Bestätigung für den County Sheriff in Tucson aushändigen. Ich lasse sie Ihnen von einem Boten ins Hotel bringen.“

Plötzlich begann er mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken zu massieren. McQuade entging es nicht, dass der Town Mayor noch irgendetwas auf dem Herzen hatte. Da sagte Jacob Wagoner auch schon: „Haben Sie überhaupt eine Ahnung, in was für einen Verdruss Sie sich hineingeritten haben, McQuade?“

„Ich werde jeglichem Ärger aus dem Weg zu gehen wissen, Mr. Wagoner. Denn ich verlasse Sentinel, sobald Sie mir das Dokument für Tucson ausgestellt haben, mit dem ich dort die Prämie für James Frazer kassieren kann.“

Jacob Wagoner wiegte bedächtig den Kopf, sein Blick drückte Skepsis aus. „Ganz so ungeschoren wird Hansen Sie nicht davonkommen lassen, McQuade.“

Es klang wie ein böses Omen.

McQuade jedoch blieb unbeeindruckt und zuckte mit den Achseln. „Ich warte im Hotel auf Ihren Boten, Town Mayor.“

In der Hotelhalle empfing Craig Newman den Kopfgeldjäger mit den Worten: „Sie werden nicht umhin kommen, sich den Weg aus Sentinel freizuschießen, McQuade. Vor wenigen Minuten sind Hansen und vier seiner Coltschwinger vorbeigeritten. Wenn diese zweibeinigen Wölfe so früh schon auf den Beinen sind, dann hat das einen Grund. Und ich glaube ihn zu kennen.“

„Vielleicht sind Sie der Grund, Newman“, versetzte McQuade kühl.

„Nein, o nein! Mich trifft Hansen immer hier in Sentinel an. Meinetwegen wäre er sicher nicht schon in aller Frühe in die Stadt gekommen. Er will Sie, McQuade, er will verhindern, dass Sie die Stadt verlassen, ohne dass er Sie für den Tod seiner Kumpane zur Rechenschaft ziehen konnte.“

„Wir werden es sehen“, knurrte der Kopfgeldjäger, dann stieg er die Treppe empor und schloss sich in seinem Zimmer ein.

*

McQuade stand am Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Ihm fiel ein Mann auf, der auf dem Vorbau des Saloons herumlungerte und das Hotel beobachtete. Und plötzlich fiel es dem Kopfgeldjäger wie Schuppen von den Augen.

Es war einer der Kerle, die am Abend vorher zusammen mit James Frazer und Brian Hansen im Saloon an der Theke gestanden hatten. Und McQuade war schlagartig klar, dass der Bursche nicht von ungefähr dort unten stand, und dass es auch kein Zufall war, dass er das Hotel nicht einen Augenblick aus den Augen ließ.

Aha, dachte McQuade grimmig, Hansen hat sich mit seinen Bluthunden auf meine Spur gesetzt. Craig Newman hat also recht behalten. Hansen wird nicht eher Ruhe geben, als bis … Zum Teufel damit! Zum Teufel mit Craig Newman, zum Teufel mit Brian Hansen, zum Teufel mit dieser ganzen verdammten Stadt. Meine Mission hier ist erfüllt, und ich reite fort, sobald mir der Bote des Town Mayors die Bescheinigung ausgehändigt hat.

McQuade beobachtete den Mann auf dem Vorbau. Irgendwann pochte jemand gegen die Tür. „Was ist?“

„Ich soll Ihnen eine Nachricht des Town Mayors übermitteln.“

Ein Schatten huschte über McQuades Gesicht. Er ging zur Tür und öffnete sie. „Was für eine Nachricht? Ich will nichts weiter als eine amtliche Beglaubigung für den County Sheriff in Tucson, die beinhaltet, dass ich James Frazer gestellt habe.“

Der etwa zwanzigjährige Bursche, den Wagoner geschickt hatte, stieß zwischen keuchenden Atemzügen hervor: „Der gesamte Bürgerrat ist bei Wagoner versammelt. Ich kann auch nichts dafür, aber Wagoner hat mir das Dokument nicht ausgehändigt. Er will es Ihnen selbst überreichen, meinte er.“

„Und was hat er sonst noch gesagt?“, fragte der Texaner.

„Nichts, Mr. McQuade. Lediglich, dass Sie unverzüglich bei ihm erscheinen möchten.“

„Gut. Bestellen Sie ihm, dass ich komme.“

Der Bote eilte davon. McQuade holte sein Gewehr und sagte zu Gray Wolf: „Dann wollen wir uns mal anhören, was der gute Mann zu sagen hat. Ich denke, es hängt mit Carter Lewis und seinem schnellschießenden Vormann zusammen.“

Als McQuade auf die Straße trat, drehte ihm der Mann auf dem Vorbau des Saloons schnell den Rücken zu.

Der Kopfgeldjäger kannte den Weg zu Wagoners Haus. Er betätigte den Türklopfer und Sekunden später wurde geöffnet. Jacob Wagoner zeigte ein zufriedenes Lächeln. „Treten Sie ein, Mr. McQuade.“ Der Town Mayor gab die Tür frei.

McQuade ging an ihm vorbei, aber ehe Wagoner die Tür schloss, warf er einen schnellen Blick über die Schulter zurück nach draußen. Er hatte sich nicht getäuscht. Der Revolverschwinger war ihm gefolgt. An die Wand eines Gebäudes auf der anderen Seite der Fahrbahn gelehnt starrte er zum Haus des Bürgermeisters herüber. McQuade fragte sich, was Hansen wohl im Schilde führte, nachdem er ihn scheinbar nur beschatten ließ und ihm ansonsten nicht in die Quere kam.

Der Town Mayor führte den Kopfgeldjäger in die Wohnstube. Es waren fast ein Dutzend Männer, die herumsaßen und -standen, deren Schläfen schon angegraut waren und die sicherlich - ein jeder für sich - irgendeinem ehrenwerten Geschäft in Sentinel nachgingen.

Der Bürgerrat.

Der Texaner blieb einen Schritt vor der Tür stehen. Ruhig und gelassen erwiderte er ihre abschätzenden Blicke.

„Das ist Mr. McQuade“, stellte der Town Mayor den Kopfgeldjäger vor. „Einige von euch haben ihn gestern Abend in Aktion erlebt.“

McQuade sagte grollend: „Ich sollte längst auf dem Weg nach Tucson sein, Mr. Wagoner, mit einem amtlichen Dokument der Stadt Sentinel in der Tasche, das mir die Auszahlung der Prämie für James Frazer in Tucson garantiert.«

Der Town Mayor rieb sich nervös die Hände, wandte sich halb um, ließ seinen unruhigen Blick über die Männer des Bürgergremiums schweifen, die unverhohlen den großen hageren Mann vor der Tür anstarrten, und sagte mit einer ausholenden Handbewegung: „Darf ich vorstellen? Bei den Männern hier handelt es sich die Mitglieder des Bürgerrats von Sentinel, Mr. McQuade. Ich habe den Rat in meiner Eigenschaft als Bürgermeister …“

McQuade verspürte Ungeduld, und er schnitt dem Town Mayor nicht gerade freundlich das Wort ab. „Was ist es Wichtiges, das Sie mir vor Ihrer versammelten Mannschaft zu sagen haben? Schießen Sie los, und händigen Sie mir dann die Bescheinigung aus, damit ich Sentinel verlassen kann.“

Die Mundwinkel des Bürgermeisters zuckten, hinter seinen fleischigen Wangen mahlten die Backenknochen. Er hüstelte, und es war mehr eine Geste der Verlegenheit.

„Gib ihm den Wisch, Jacob, und lass ihn reiten!“, rief einer der Männer. „Kerle von seiner Sorte haben wir genügend hier. Ich stelle ihn mit Lewis’ Revolverschwingern auf eine Stufe. Er ist gewiss nicht der richtige Mann für die Aufgabe, die du ihm zugedacht hast.“

McQuade schaute zu dem Sprecher hin und erkannte die Welle eisiger Ablehnung, die ihm plötzlich aus diesem Kreis entgegenschlug.

„Aber ich dachte, nachdem er für Geld …“ Der Bürgermeister trat von einem Fuß auf den anderen. Er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde deutlich unbehaglicher in seiner Haut. „Er hat zwei Kerle mitten aus Hansens Haufen herausgeschossen“, setzte er erneut zum Sprechen an. Und mit jedem Wort, das über seine Lippen gekommen war, hatte seine Stimme an Festigkeit gewonnen. „Ein Mann“, so fuhr er fort, „der es fertig bringt, sich Hansen in den Weg zu stellen und zu überleben, ist genau der Richtige für unsere Stadt. Mr. McQuade …“ Er wandte sich wieder dem Kopfgeldjäger zu. „Ich biete Ihnen den Posten des Town Marshals von Sentinel an. Diese Stadt ist wild und gesetzlos. Sie braucht eine zähmende Hand, jemand, der sie mit eisernem Besen kehrt. Sie haben bewiesen, dass Sie das nötige Format besitzen, dass Sie in der Lage sind, in Sentinel für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das ist mein Angebot. Der Bürgerrat hat meinem Plan bereits zugestimmt.“

McQuade hatte sich fast so etwas gedacht. Und so war er kaum überrascht. Nach kurzer Überlegung antwortete er: „Ich glaube nicht, dass dieser Job für mich der richtige wäre. Der Mister dort hatte völlig recht, als er sagte, dass ich nicht der geeignete Mann für die Aufgabe bin, die Sie mir zugedacht haben. Und was Ihre anfängliche Anspielung betrifft, wonach ich für Geld Männer jage und töte - das meinten Sie doch, nicht wahr? -, so muss ich Ihnen sagen, dass dies meine Art ist, dem Recht zur Geltung zu verhelfen und dass ich dafür keinen Stern tragen muss. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Und nun händigen Sie mir die Bescheinigung aus, damit ich reiten kann.“

„Gib sie ihm, Jacob“, schnarrte der Mann, der sich schon eben gegen McQuade ausgesprochen hatte. Der Kopfgeldjäger bedachte ihn mit einem ausdruckslosen Blick. Es berührte ihn nicht, dass dieser Bursche gegen ihn eingestellt war. Er, der als Prämienjäger immer und überall auf Ablehnung und Misstrauen stieß, war diesbezüglich abgestumpft und unempfindlich geworden.

Der Town Mayor schniefte aufgeregt, auf seiner Stirn perlte Schweiß. Hatte ihn die Antwort McQuades momentan auch ziemlich verunsichert, und war er einen Augenblick nahe daran, aufzugeben, so raffte er noch einmal all den ihm zur Verfügung stehenden Mut zusammen und versuchte es noch einmal: „Ein Leben wie das Ihre, McQuade, kann einen Mann auf Dauer nicht zufrieden stellen“, sagte er mit Nachdruck im Tonfall. Eindringlich fuhr er fort: „Nehmen wir an, die Stadt bietet Ihnen so viel, dass Sie davon gut leben können. Sie werden irgendwann ein Alter erreicht haben, in dem ein Mann nur mit sich zufrieden ist, wenn er etwas geschaffen, wenn er etwas erreicht hat. Worauf können Sie einmal blicken, McQuade, wenn Sie es müde sind, in den Sattel zu steigen, um hinter irgendwelchen Banditen herzujagen? Wenn Ihre Revolverhand nicht mehr schnell genug ist, um einen Kampf zu bestehen? Sie werden dann recht einsam sein, bis Sie die Augen für immer schließen. Als Marshal hingegen sind Sie Beamter einer Stadt. Man wird Sie achten und respektieren, und man wird Ihnen die Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen. Die Stadt wird immer hinter Ihnen stehen.“

Aber McQuades Entschluss war unumstößlich. Dem erwartungsvollen Blick des Bürgermeisters standhaltend erwiderte er: „Sie verstehen es, einem Mann den Job eines Town Marshals von Sentinel schmackhaft zu machen, Mr. Wagoner. Dennoch bleibe ich dabei: Es ist nichts für mich. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mann hier zur Ruhe kommen kann, solange Kerle von der Sorte eines Brian Hansen das Leben in dieser Stadt bestimmen. Sorry, Sie müssen sich schon nach einem anderen Mann umsehen.“

Jetzt gab Jacob Wagoner auf, denn er begriff, dass McQuade durch nichts zu bewegen war, auf sein Angebot einzugehen. Weder durch Worte noch durch sonst etwas. Und außerdem fühlte er sich vor den Kopf gestoßen. Er hatte beim Stadtrat einen guten Kontrakt durchsetzen können, den er dem Kopfgeldjäger anbieten wollte. Er hatte alle Bedenken der Ratsmitglieder entschärft und unter den Tisch gefegt. Und tief in seinem Innern hatte er vielleicht sogar mit der Dankbarkeit des Mannes gerechnet, den sein Job zum Verpönten abgestempelt hatte, den irgendein Zwang immer wieder in den Sattel trieb, und der sich möglicherweise schon lange nach einem Leben in Ruhe und Frieden sehnte.

Die Enttäuschung spiegelte sich in Jacob Wagoners Zügen wider. Er zog einen gefalteten Brief aus seiner Jackentasche und reichte ihn McQuade.

„Das ist die Bestätigung für Tucson“, sagte Wagoner. „Doch sollten Sie sich darauf einstellen, dass Brian Hansen Sie nicht ungeschoren ziehen lassen wird. Sie sind ihm empfindlich auf die Füße getreten, und das nimmt er auf keinen Fall hin. Ein Stern hingegen könnte selbst einem Burschen vom Kaliber eines Brian Hansen den nötigen Respekt abnötigen.«

Achselzuckend nahm McQuade das Dokument, las es aufmerksam durch und verstaute es dann in seiner Manteltasche. „In Ordnung“, murmelte er, „damit steht meinem Trail nach Tucson nichts mehr im Wege. – Noch ein Wort zu Hansen: Ich glaube nicht, dass diesem Mann ein Stern auch nur so viel Respekt abnötigt.“ McQuade zeigte einen winzigen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger.

Er streifte mit einem letzten Blick die unfreundlichen und abweisenden Gesichter in der Runde, dann ging er. Dumpf fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

*

Der Kopfgeldjäger lenkte seine Schritte zum Hotel. Den Burschen von der Painted Rock Ranch, der zunächst das Hotel beobachtet hatte und ihm dann zum Haus des Town Mayors gefolgt war, sah er nicht mehr.

Vom Hotel trennten den Texaner noch etwa fünfzig Yards, als der trockene Knall eines Revolverschusses durch die Stadt stieß. Im nächsten Moment sah McQuade einen Mann das Hotel verlassen. Er erkannte ihn. Es war Brian Hansen. Der Vormann der Painted Rock Ranch stockte im Schritt, beobachtete sekundenlang den Kopfgeldjäger, dann wandte er sich ab und ging schnell über die Straße in Richtung Saloon.

McQuade hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Er beschleunigte seine Schritte. Das Bild, das ihm in der Hotelhalle mit aller Schärfe in die Augen sprang, war erschreckend. Craig Newman lag am Boden. Bei ihm kniete seine Frau. Sie hatte seinen Kopf in ihren Schoß gebettet und weinte bitterlich. Einen Schritt von Newman entfernt lag eine Schrotflinte auf den Dielen.

Der Kopfgeldjäger atmete tief durch. Die Verkrampfungen in seinem Innersten lösten sich kaum. Sein Herz hämmerte einen rasenden Rhythmus und jagte das Blut durch seine Adern. Mundhöhle und Kehle waren plötzlich trocken wie Wüstensand.

Newman lebte noch. Aber sein bleiches Gesicht war bereits vom Tod gezeichnet. Sein Atem ging rasselnd, seine Brust hob und senkte sich unter den keuchenden Atemzügen. McQuade ging bei ihm auf das linke Knie nieder. Die Lippen des Verwundeten bewegten sich. Blutiger Speichel war in den Mundwinkeln zu sehen. In Newmans Brust entstand ein tiefes Gurgeln, es kämpfte sich hoch. Der Mund öffnete sich, einige Wortbrocken drangen heraus.

Schließlich setzte er noch einmal an. „Hansen… Er – er hat seine Drohung wahr gemacht. Er – er hat mich provoziert und – ich – ich …“

Zuletzt kamen die Worte nur noch als unzusammenhängendes Gestammel über seine Lippen. Blutiger Speichel rann über sein Kinn, Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.

„Sie haben nach dem Gewehr gegriffen“, vollendete McQuade.

Der Hotelier senkte die Lider zum Zeichen der Bejahung.

McQuade drückte sich hoch. Er vermittelte einen absolut entschlossenen Eindruck.

Als der Kopfgeldjäger das Hotel verlassen wollte, sah er auf dem Vorbau des Saloons wieder jenen Burschen, der ihn schon die ganze Zeit über observiert hatte. McQuade entschied sich, das Hotel durch den Hinterausgang zu verlassen. Er lief ein Stück hinter den Häusern entlang, und als er der Meinung war, dass er vom Saloon aus nicht mehr gesehen werden konnte, überquerte er die Main Street, verschwand in einer Passage zwischen zwei Gebäuden und näherte sich wenige Minuten später dem Saloon von der Rückseite. Gray Wolf war seinem Herrn keinen Moment von der Seite gewichen.

Der Painted Rock-Mann stand nach wie vor reglos auf dem Vorbau und starrte zum Hotel hinüber. Hin und wieder führte er mit der Linken eine Zigarette an die Lippen.

„He, Hombre!“

McQuades Stimme entfernte sich von dem Kopfgeldjäger und erreichte das Gehör des Mannes. Sein Kopf zuckte herum, sein Blick erfasste den Texaner, reflexartig zuckte seine Rechte zum Coltknauf.

McQuade hatte keine andere Reaktion erwartet. Er hielt das Gewehr an der Seite. Nun repetierte er. Unverrückbar, und unmissverständlich wies die Mündung auf den Revolvermann.

Der Bursche hielt inne. Wie die Klaue eines Greifs ging seine Hand über dem Griff des Revolvers. Ein abgerissener, gehetzter Laut entrang sich ihm, sein kantiges Gesicht verzerrte sich, die Lippen gaben ein gelbliches, kräftiges Gebiss frei, und McQuade wurde an das Zähnefletschen eines angreifenden Wolfs erinnert.

Sehr schnell hatte der Coltschwinger die Rebellion in seinem Innern wieder im Griff, die bei ihm McQuades unvermitteltes Auftauchen verursacht hatte. Die Erstarrung fiel von ihm ab, seine Hand sank nach unten und hing schlaff neben dem Knauf. „Zum Teufel, McQuade“, presste er zwischen den Zähnen hervor. „Was ist das für eine Art, einem Mann …“

McQuade schnitt ihm barsch das Wort ab. „Warum beobachtest du mich auf Schritt und Tritt, Hombre?“ Stählerne Härte hatte in seiner Stimme mitgeschwungen. „Spuck es aus, mein Freund! Vorwärts, ich warte! Und rechne nur nicht damit, dass ich besonders geduldig mit dir bin.“

„Ich beobachte dich?“ Der Bursche lachte fast amüsiert auf. „Du träumst wohl mit offenen Augen.“ Er wollte sich abwenden und drehte sich so, dass er mit seinem Körper seine rechte Hand und das Futteral mit dem Revolver verdeckte.

Gray Wolf ließ ein drohendes Knurren vernehmen. Seine Nackenhaare stellten sich auf.

„Das würde ich dir nicht raten, Hombre!“, warnte McQuade.

Der Revolvermann stand starr. Ihm war die kalte Härte in McQuades Stimme nicht entgangen, und sicher erkannte er, dass der Texaner nahe daran war, die Geduld zu verlieren.

In diesem Moment verließen Brian Hansen und drei weitere Männer den Saloon. Hansen entging nicht die seltsame Haltung, die der Bursche beim Vorbaugeländer einnahm. Er drehte etwas den Kopf und sein Blick erfasste McQuade. „Sieh an!“, presste er zwischen den Zähnen hervor. „Der Menschenjäger.“

Das Quartett verteilte sich auf dem Vorbau. Auch der Bursche, der McQuade beobachtet hatte, entspannte sich. Wie Wölfe, die ihr Opfer gestellt hatten und sich im nächsten Moment darauf stürzen würden, fixierten und belauerten sie den Kopfgeldjäger.

Aber McQuade hielt die Henrygun im Anschlag. Und das verschaffte ihm für den Moment einen entscheidenden Vorteil. Die Gunslinger wagten nicht nach den Revolvern zu greifen. Sie hatten den Kopfgeldjäger erlebt, sie wussten um seine Kompromisslosigkeit und seine unerbittliche Härte, und das machte sie vorsichtig.

„Du bist ein niederträchtiger Mörder, Hansen!“, brach es mit metallischem Klang über McQuades Lippen. „Doch ich nehme an, dass du dich auch dieses Mal auf Notwehr berufen wirst.“

Hansen legte den Kopf etwas schief. „Gewiss. Der alte Narr griff nach dem Gewehr. Jeder in Sentinel weiß, dass er immer wieder gedroht hat, mich eines Tages umzulegen. Und sein Auftritt gestern Abend hier im Saloon zeugte von seiner Entschlossenheit.“

„Er hat nicht abgedrückt.“

„Sein Pech. Als ich vorhin das Hotel betrat, wollte er wahrscheinlich nachholen, was er gestern Abend versäumte.“

„Du bist ins Hotel gegangen, mit dem Vorsatz, ihn zu töten, Hansen. Oder was hattest du sonst im Hotel zu suchen?“

Hansen zeigte ein verächtliches Grinsen. „Wie kommst du darauf, McQuade, dass ich dir Rede und Antwort stehen müsste?“ Plötzlich schlug er sich leicht mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Richtig, du warst ja beim Town Mayor. Hat er dir vielleicht den Stern angeboten? Hast du etwa gar den Job angenommen? Hat das Recht in Sentinel jetzt einen Namen? Den Namen McQuade!“

„Ich wiederhole es, Hansen! Du bist ein kaltblütiger, niederträchtiger Mörder. Es gibt in Sentinel kein Gesetz. Darum maße ich mir an, dir das schmutzige Handwerk zu legen. Ich bringe dich nach Tucson und übergebe dich dort dem County Sheriff.“

Einer der Kerle auf dem Vorbau lachte höhnisch auf. „Nur über unsere Leichen, Menschenjäger!“

McQuade richtete den Blick auf den Sprecher.

In dem Moment griff einer der anderen zum Revolver. Er fühlte sich unbeobachtet. Der Kopfgeldjäger nahm die huschende Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Das Gewehr in seinen Fäusten ruckte etwas herum, peitschend brach sich der Schuss. Der Getroffene machte das Kreuz hohl und drehte sich halb um seine Achse.

Hansen und die anderen Revolverschwinger der Painted Rock Ranch rissen die Sechsschüsser aus den Futteralen.

*

„Verschwinde, Partner!“, schrie McQuade, wirbelte herum und rannte in die Lücke zwischen den Häusern. Brian Hansen flankte über das Vorbaugeländer und schickte dem Kopfgeldjäger eine Kugel hinterher. Aber in dem Moment verschwand McQuade um die Ecke des Saloons. Der Knall staute sich zwischen den Häusern. Hansen zerkaute eine lästerliche Verwünschung, dann brüllte er:

„Wir holen uns den Bastard! Schwärmt aus! Und wenn er euch vor die Mündung rennt, dann zögert nicht.“

Gray Wolf war ebenfalls zwischen den Häusern verschwunden.

Die Coltschwinger tauchten unter dem Vorbaugeländer hindurch und sprangen auf die Fahrbahn. Der Mann, den McQuade von den Beinen geschossen hatte, blieb zurück. Reglos lag er auf den feuchten Bohlen, hin und wieder röchelte er.

Es waren noch vier Männer, die Jagd auf McQuade machten. Sie wollten ihn tot sehen. Der Vernichtungswille trieb sie. Aber auch mörderischer Hass war im Spiel. Der Satan verteilte die Karten. Der Tod schlich durch Sentinel.

McQuade spähte um die Ecke. Von den Revolvermännern der Painted Rock Ranch war nichts mehr zusehen. Sie lauerten irgendwo wie ausgehungerte Wölfe und warteten nur darauf, dass er sich zeigte.

Das Stück Main Street, das der Kopfgeldjäger einsehen konnte, war wie leergefegt. McQuade zog den Kopf zurück. In diesem Moment knallte es, eine Kugel strich dicht an seinem Gesicht vorbei. Der Schütze tauchte in der Passage auf. McQuade feuerte, aber der Bursche in dem Durchlass hechtete zur Seite und rollte sich herum. Auf dem Bauch liegend nahm er die Ecke, hinter der der Texaner stand, unter Feuer. Querschläger quarrten durchdringend.

McQuade rannte ein Stück geduckt hinter den Häusern entlang, gelangte in einen Hof und näherte sich dem Hintereingang des Gebäudes, zu dem der Hof gehörte. Neben der Tür kniete er hinter einem Stapel Kisten ab. Aber keiner seiner Verfolger kam. Mit einem Schritt war der Texaner bei der Tür, drehte den Knopf und drückte sie auf. Sie war nicht verriegelt. McQuade schob sich in den dunklen Flur, drückte die Tür ins Schloss und schmiegte sich an die Wand daneben. Keinen Augenblick zu spät. Denn plötzlich durchschlugen Kugeln das Türblatt. Einer der Coltschwinger musste ihn wahrgenommen haben, als er in dem Gebäude verschwand. Das Blei schlug den Putz von den Wänden.

Unvermittelt schwieg der Colt. McQuade vernahm hastende Stiefeltritte und eine raue, heisere Stimme schrie irgendetwas. Der Kopfgeldjäger warf den Riegel in die Verankerung. Er knirschte rostig. Dann richtete er das Gewehr auf die Tür. Sie erbebte unter dem Anprall eines Körpers. Der Kopfgeldjäger zog durch. Der Krach schien das Haus aus allen Fugen zu sprengen. Das Geschoss hieb in das Holz des Türblattes und durchbohrte es. Draußen erklang ein gepresster Aufschrei.

McQuade schob sich an der Wand entlang durch den Flur, in dem es keine Fenster oder eine andere Lichtquelle gab. Durch die Kugellöcher im Türblatt sickerten Lichtstreifen, die nach zwei Schritten in der Dunkelheit versanken. McQuades Hand ertastete eine Tür. Er öffnete sie. Es wurde etwas heller. Vor seinem Blick lag eine Treppe. Er schloss die Tür wieder und stieg sie empor. Im Haus war es ruhig. Entweder hatten sich die Bewohner vor Angst irgendwo verkrochen, oder sie waren nach den ersten Schüssen auf die Straße geflohen.

Er erreichte das Obergeschoss und hielt lauschend inne. Die Revolverschwinger schienen sich von der Hintertür fernzuhalten.

McQuade betrat ein Zimmer. Hier war es hell. Der Texaner sah ein Bett, eine Kommode, einen Schrank, einen kleinen Tisch und zwei Stühle. Er ging zum Fenster, das zur Main Street führen musste. Sie war wie leergefegt, als hätte der Tod mit eisernem Besen gekehrt. Die Stille, die sich in die Stadt gesenkt hatte, war lastend und zerrte an den Nerven. Aber diese so scheinbar friedliche Atmosphäre war nicht echt. Eine unheilvolle Spannung füllte die Stille. Ein Hauch von Gefahr und Gewalttätigkeit lag in der Luft.

Die Stille wurde jäh unterbrochen, als auf der anderen Straßenseite hinter den Häusern ein Revolver zu krachen begann. Als die Waffe schwieg, brüllte eine sich überschlagende Stimme: „Gebt Acht, Leute, die graue Bestie streicht durch die Stadt. Verpasst dem Mistvieh eine Kugel, wenn es euch über den Weg läuft.“

McQuade schätzte die Tiefe zur Straße. Es waren an die fünf Yards, und der Kopfgeldjäger kam zu dem Schluss, dass ein Sprung zu riskant war. Dennoch öffnete er das Fenster. Er lehnte sich hinaus, blickte nach oben und sah anderthalb Yard über sich die Kante des Daches.

Einer jähen Eingebung folgend schob McQuade die Henrygun darüber hinweg und legte sie auf dem Dach ab. Seine Hände verkrallten sich an der Dachkante. Das Holz war von Sonne, Wind und Regen glatt geschliffen. McQuades Beine schwangen aus dem Fenster. Kraftvoll zog er sich in die Höhe, seine Stiefelspitzen kratzten über die Wand und hinterließen helle Spuren.

Ein letzter Ruck, und er rollte sich auf das Dach, schnappte sich die Henrygun und rannte, etwas außer Atem, geduckt nach links, übersprang mit einem kraftvollen Satz eine Kluft von etwa zwei Yards Breite zum nächsten Hausdach, kauerte hinter der das Dach überragenden Fassade und kam wieder zu Atem.

Nach einer Minute setzte McQuade seinen Weg fort. Er lief über die Dächer, bis eine breite Lücke die Häuserzeile unterbrach. Der Texaner hatte auf diese Weise an die fünfzig Yards zurückgelegt. Er schwang sich über den Dachrand, hing sekundenlang am rechten Arm, denn links trug er das Gewehr, und ließ sich dann fallen. Sicher landete er am Boden. Sein Blick sprang nach links, nach rechts, der Gewehrlauf folgte der jeweiligen Richtung.

Der Weg schien frei zu sein. McQuade zögerte nicht. Lange Schritte brachten ihn zur Main Street. Er bewegte sich wie ein großes, geschmeidiges Raubtier. Das Hotel tauchte auf. Möglich, dass sie versuchten, ihn hier abzufangen. McQuades Instinkt, der in zig Kämpfen geschärft worden war, arbeitete auf Hochtouren. Jede Faser seines Körpers war zum Zerreißen angespannt, Tod und Unheil schienen in der Luft zu liegen.

Da sah er einen der Painted Rock-Männer. Der Gunslinger kauerte im Schutz eines Vorbaus.

Von seinen Gefährten war nichts zu sehen. Aber McQuade ging davon aus, dass sie nicht weit waren.

Der Bursche, der McQuade den Rücken zuwandte, starrte in die Richtung des Hotels.

McQuade rief den Gunman an. „He, Hombre!“

Seine Stimme sprengte regelrecht die bedrückende Stille. Der Angerufene reagierte unglaublich schnell. In der Hocke federte er herum, sein Gewehr brüllte auf. Das Blei meißelte ein Stück Mauerwerk aus der Hausecke. Splitter trafen McQuades Gesicht, Staub verschleierte seinen Blick. Aber er hatte mit der Henry Rifle das Ziel bereits erfasst. McQuade spürte einen leichten Rückschlag, als sich der Schuss löste. Sofort riegelte er eine neue Patrone in die Kammer.

Der Treffer trieb den Coltschwinger in die Höhe. Er schrie wie am Spieß und kippte seitlich auf den Vorbau. Sein zweiter Schuss pfiff schräg in die Luft und zerschmetterte ein Fenster. Noch einmal riss er seinen Oberkörper in die Höhe. Aus McQuades Mündung lohte es grell. Der Gunman schleuderte die Arme hoch, das Gewehr flog in hohem Bogen davon, und er krachte mit dem Rücken gegen die Hauswand. Sein letzter Schrei erstickte im Ansatz.

Er brach zusammen.

McQuade warf sich herum und rannte die Seitenstraße hinunter, bog rechts in eine Gasse ab, übersprang Zäune und lief zwischen Corrals, Pferchen, Stallungen und Scheunen entlang.

Keuchend erreichte er wieder die Main Street.

Atmung und Herzschlag regulierten sich. McQuade setzte alles auf eine Karte und rannte über die breite Straße. Eine Kugel jaulte heran. Der Knall wurde über den Kopfgeldjäger hinweggeschleudert, er glaubte den Gluthauch des Projektils zu spüren. Ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden stieß er sich ab, rollte über die linke Schulter, kam sogleich wieder auf die Beine und feuerte auf den Schemen im Schlagschatten eines Gebäudes. Bei dem anderen glühte es auf. McQuade hechtete in den Staub, landete auf den Ellenbogen und riss den Kolben an die Schulter. Er schoss traumhaft schnell.

Der Bursche im Schlagschatten wurde herumgerissen und geschüttelt. Die Kugeln nagelten ihn förmlich gegen die Wand. Er verkrallte die Hände vor der Brust. Dann zerflatterte der letzte Schuss über den Dächern, und der Revolverschwinger sank tot auf den Gehsteig.

„Nummer drei“, presste McQuade zwischen den Zähnen hervor.

Ein gellender Aufschrei voller Qual war zu vernehmen, der jäh verstummte. Zwei – dreimal knallte ein Revolver. Dann war Gray Wolfs aggressives Bellen zu vernehmen.

„Nummer vier“, murmelte der Kopfgeldjäger. Er hatte es nur noch mit einem der Gunslinger zu tun.

*

McQuade wartete. Die Sekunden reihten sich aneinander, wurden zur Minute. Zehn Minuten verstrichen, eine Viertelstunde. Schließlich trat der Kopfgeldjäger aus seiner Deckung und schritt vorsichtig über die Straße. Der Gedanke, dass ihn der letzte der Gunslinger über Kimme und Korn seiner Waffe beobachtete, dass er gewissermaßen seine Haut zu Markte trug, löste ein unbehagliches Kribbeln zwischen seinen Schulterblättern aus. Die Anspannung krümmte seine Gestalt ein wenig. Er hatte sich darauf eingestellt, gegebenenfalls gedankenschnell zu reagieren.

Unter seinen Sohlen schmatzte der Morast. Die Stiefelabdrücke füllten sich sofort mit Wasser. Leise und melodisch klirrten die Sporen.

Aus einer engen Gasse lief Gray Wolf. Der Wolfshund kam zu seinem Herrn und rieb den Kopf an dessen Oberschenkel. Unablässig waren McQuades Augen in Bewegung. Seine Rechte umklammerte den Kolbenhals der Henrygun, die Linke den Schaft. Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug.

Nichts geschah.

McQuade betrat das Hotel. Mrs. Newman kniete noch immer am Fußboden und strich sacht über den Kopf ihres Mannes. Blicklos starrte sie in das wächsern anmutende Gesicht. Craig Newman war gestorben. McQuade schwieg. Er fand keine Worte, die dazu angetan gewesen wären, den psychischen Schmerz der Frau zu lindern. Sicher hätte alles, was er von sich gegeben hätte, nichts sagend und banal geklungen.

Er ging wieder nach draußen, überquerte die Straße und untersuchte auf dem Vorbau des Saloons den Mann, den er zuerst niedergeschossen hatte. Er war bewusstlos, aber er lebte. Jetzt wagten sich auch die ersten Bürger aus ihren Behausungen. Sie rotteten sich auf der Straße zusammen. Gemurmel und Geraune erhob sich.

Einer rief: „Ich habe Hansen vor etwa zwanzig Minuten wie von Furien gehetzt davonreiten sehen.“

Eine andere Stimme erklang: „Hinter dem General Store liegt Milt Donegan. Der Hund hat ihm die Kehle zerfetzt. Großer Gott, was für ein schrecklicher Tod.“

McQuade sah den Bürgermeister auf dem Gehsteig. Er näherte sich ihm.

Eine Frau rief schrill: „Hansen hat Newman erschossen. Er ist ein Teufel in Menschengestalt. Erst Billy, jetzt Craig. Endlich hat den Hurensöhnen jemand eine blutige Rechnung präsentiert. Hansen und seine Schnellschießer haben es selbst herausgefordert. Es ist um keinen schade von diesen Bastarden.“

Unter den Menschen schien es plötzlich zu brodeln und zu gären.

Die toten und schwer verwundeten Gunslinger wurden zum Saloon gebracht und auf den Vorbau gelegt. In den bleichen Gesichtern der meisten Neugierigen spiegelten sich Fassungslosigkeit und Entsetzen wider. Die wenigsten von diesen Leuten waren jemals derart hautnah mit der brutalen Gewalt des Tötens konfrontiert worden.

Jacob Wagoner, der Town Mayor, stieß tonlos hervor: „Das nimmt Carter Lewis nicht hin. Er wird den Rest seiner Mannschaft in die Sättel jagen und nach Sentinel kommen. Und dann lässt er die Stadt von seinen Kettenhunden niederreißen.“

In der Menschenmenge schrie jemand: „Wir lassen es nicht zu, dass Lewis den Terror nach Sentinel bringt, Leute! Darum bin ich dafür, dass wir eine Bürgerwehr bilden. Jeder Mann, der eine Waffe halten und bedienen kann, soll seinen Revolver oder sein Gewehr in die Hand nehmen, und wenn Lewis kommt, treten wir ihm und seinen Coltschwingern geschlossen entgegen.“

Zustimmendes Geschrei erhob sich.

McQuade eilte zum Mietstall. Die Stadt war für sich selbst verantwortlich. Lange genug schienen ihr die Leute von der Painted Rock Ranch ihren Stempel aufgedrückt zu haben. Es wurde Zeit, dass sie aus dem Schatten Carter Lewis’ heraustrat.

Den Stallmann traf McQuade nicht an. Er befand sich sicherlich auf der Straße. Der Kopfgeldjäger sattelte und zäumte den Falten, dann führte er ihn aus dem Stall und schwang sich in den Sattel.

Brian Hansen war ein skrupelloser Mörder, der zur Rechenschaft gezogen werden musste.

Es war ein unerklärlicher Zwang, der McQuade trieb. Der kalte Schimmer in seinen pulvergrauen Augen ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen.

Nachdem McQuade das letzte Haus der Stadt passiert hatte, ließ er die Zügel schießen und gab dem Pferd den Kopf frei. Der Falbe verfiel in einen raumgreifenden Galopp. Der Boden war vom Regen aufgeweicht und die Hufschläge waren kaum vernehmbar. Gray Wolf hielt problemlos mit dem Falben mit.

McQuade folgte dem Reit- und Fahrweg nach Norden. Zwischen Sentinel und dem Gila River lag die Painted Rock Ranch. Warum Lewis seiner Ranch diesen Namen gegeben hatte, wusste McQuade nicht. Es musste auf jeden Fall etwas mit bemalten Steinen zu tun haben, vielleicht mit Zeichnungen und Malereien aus prähistorischer Zeit. Der Kopfgeldjäger dachte nicht darüber nach.

Er war wachsam. Es war nicht auszuschließen, dass Brian Hansen mit Verfolgung rechnete. In diesem Fall lag es nahe, dass er sich irgendwo postiert hatte, um einen etwaigen Verfolger mit einem gut gezielten Schuss von seiner Fährte zu fegen.

Jeder Sinn des Texaners war aktiviert. Tödliche Gefahr konnte auf jedem der Hügel rundum lauern. Der Tod war allgegenwärtig. Sein Instinkt arbeitete mit doppelter Schärfe, er achtete auf eventuelle Zeichen der Natur, wie zum Beispiel erschreckt flatternde Vögel.

Hügel säumten den Weg. Auf den Abhängen und Kämmen wuchs Strauchwerk. Hier und dort ragte ein Felsen aus dem Boden. Unter den Hufen des Falben spritzte der Schlamm. Das Blickfeld des Kopfgeldjägers war begrenzt. Der Weg bohrte sich weiter nördlich zwischen steile Abhänge. Die Wolken zogen derart tief, dass sie die Kuppen der höheren Erhebungen einhüllten.

Plötzlich sah der Texaner es vor sich aufblitzen. Ansatzlos ließ er sich aus dem Sattel kippen. Die Kugel verfehlte ihn. Der Knall der Detonation trieb heran. Der Falbe wieherte und scheute zur Seite.

Mit langen Sätzen schnellte Gray Wolf zwischen die Hügel.

McQuade kam blitzschnell auf die Beine und rannte geduckt in den Schutz eines Busches. Eine dürftige Deckung. Aber sie verbarg ihn vor den Blicken des Schützen. Er bog die Zweige mit der Hand etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Wieder krachte es. Über der Hügelkuppe südlich von dem Kopfgeldjäger zerflatterte eine Pulverdampfwolke. Das Geschoss pfiff durch das Gebüsch. McQuade lief geduckt zu meinem Pferd, kam mit einem kraftvollen Satz in den Sattel und hieb dem Tier die Sporen in die Seiten. Es streckte sich. Er zerrte an den Zügeln und riss es nach links herum.

Das Gewehr brüllte auf. Zweimal, dreimal. Der Kopfgeldjäger lag regelrecht auf dem vorgestreckten Hals des Falben. Die Kugeln verfehlten ihn. Schließlich jagte er hinter den Hügel und war in Sicherheit.

Das Gewehr schwieg jetzt.

McQuade ritt den Hügel hinauf, saß unterhalb des Kammes ab, nahm die Henrygun und begab sich soweit nach oben, dass er den anderen Hügel sehen konnte. Die letzten Yards kroch er auf dem Bauch. Dort drüben standen Büsche. Dazwischen ragte ein turmartiger Felsen in die Höhe. Er war etwa mannshoch.

Von dem Schützen war nichts zu sehen.

Der Kopfgeldjäger rannte den Abhang hinunter, so, dass er sich im toten Winkel zu dem Schützen bewegte. Unten pirschte er durch die Senke. Es gab genügend Buschwerk, das ihm Schutz bot. Schließlich umging er den Hügel, auf dem der Heckenschütze saß, und machte sich hinter dessen Rücken an den Aufstieg. McQuade huschte von Busch zu Busch. Bald hatte er den Felsen auf der Kuppe greifbar nahe vor sich.

Da war niemand.

Der Heckenschütze war, nachdem er McQuade unter Feuer genommen hatte, weiter geritten.

McQuade murmelte eine Verwünschung. Dann begann er, erneut nach Spuren zu suchen. Und es gelang ihm, die Fährte wieder aufzunehmen. Der Schuft war ein Stück nach Westen geritten und hatte dann wieder die Route nach Norden genommen.

McQuade stieß einen schrillen Pfiff aus. Gleich darauf tauchte Gray Wolf auf. Der Wolfshund bellte einige Male und folgte dann, die Nase dicht über dem Boden, der Fährte.

Das Terrain war unübersichtlich. Hinter jedem Felsen, auf jedem Hügel konnte der Schütze lauern. Jeder Schritt des Pferdes konnte für McQuade der letzte sein. Ein kalter Hauch schien ihn zu streifen. Er ritt in dem Bewusstsein, jeden Moment unter Feuer genommen zu werden. Sein hellwacher, suchender Blick glitt über Felsen und Hügelkuppen hinweg. Der Kopfgeldjäger hatte das Gefühl, sich auf einem Präsentierteller zu bewegen.

Gray Wolf hielt an und hob die Nase. Hatte das Tier eine Witterung aufgenommen? Plötzlich bellte der Wolfshund, dann begann er zu laufen.

McQuade wusste das seltsame Verhalten des Tieres zu deuten. Er sprang aus dem Sattel. Im selben Augenblick pfiff eine Kugel heran, begleitet vom Donnern des Schusses. Der Kopfgeldjäger zerrte das Pferd am Kopfgeschirr hinter sich her in den Schutz eines Buschgürtels. Und dann feuerte er in die Hügellücke, aus der auf ihn geschossen worden war. Ein Pferd wieherte schrill, fast trompetend. McQuade ließ den Falben zurück und rannte los. Jede Deckung ausnutzend näherte er sich dem Einschnitt zwischen den Hängen. Er war mit Büschen zugewachsen.

Etwa fünfzig Yards vor der Lücke wandte er sich nach links. Er rannte den Abhang hinauf und schaute von oben in den Einschnitt. Aber der Heckenschütze hatte schon wieder die Flucht ergriffen. McQuade sah ihn weiter nördlich zwischen den Hügeln verschwinden.

Er kehrte zu seinem Pferd zurück, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff mit der Linken nach dem Sattelhorn und riss sich in den Sattel. Mit einem Schenkeldruck trieb er den Falben an.

*

McQuade jagte nach Norden. Er benutzte nicht mehr den Reit- und Fahrweg, sondern stob parallel hierzu jenseits der Hügelkette in Richtung Painted Rock Ranch. Nach ungefähr anderthalb Meilen ritt er zurück zur Straße trieb das Pferd eine Anhöhe hinauf, von deren Kuppe aus er weit nach Süden blicken konnte.

Und er sah einen Reiter auf dem aufgeweichten Weg näher galoppieren. Mit Genugtuung registrierte McQuade, dass er Brian Hansen überholt hatte. Hanson stob über Bodenwellen hinweg und fegte durch Vertiefungen. Dann überquerte er eine Anhöhe und verschwand für einen Moment aus McQuades Blickfeld.

Der Kopfgeldjäger lenkte den Falben hangabwärts und wartete im Schutz hoher Sträucher am Wegesrand. Hansen jagte über eine Bodenfalte. Und schließlich ritt der Revolvermann aus einer Hügellücke. Jetzt nahm der Coltschwinger McQuade wahr. Sofort drehte er ab und jagte wieder zwischen die Hügel. McQuade folgte ihm. Brian Hansen nötigte sein Pferd einen Hang hinauf, aus dem Felsklötze wuchteten und auf dem niedriges, aber dichtes Strauchwerk wuchs. Auf dem Kamm des Hügels boten ebenfalls Felsbrocken und ein turmartiger Felsen Schutz.

McQuade hielt an. Sein Auge folgte über die Zieleinrichtung der Henrygun dem Gunman. Brian Hansen musste immer wieder Hindernissen ausweichen. Mal ließ er das Pferd schräg hangaufwärts gehen, dann peitschte er es wieder in gerader Linie nach oben. Immer wieder glitten die Hufe des Tieres aus. Losgetretenes Geröll rollte den Abhang hinunter. Das Pferd bockte des Öfteren hinten hoch, wenn es auf den Hanken einzubrechen drohte.

McQuade zog durch. Die Henry Rifle schleuderte ihr Krachen hinter Brian Hansen her. Der Revolvermann verschwand vom Pferd und robbte hinter einen Felsblock. Zwei Atemzüge später legte er das Gewehr auf und zielte sorgfältig.

McQuade aber war schon vom Pferd gesprungen und verschwunden, als hätte ihn die Erde verschluckt. Brian Hansen schob den Kopf etwas über den Felsen und tauchte sofort wieder ab. Denn unten, hinter einem der Findlinge, krachte McQuades Gewehr. Die Kugel schrammte über den Fels und zog eine helle Spur. Das Blei wurde mit durchdringendem Heulen abgelenkt.

„Du kriegst mich nie, Menschenjäger!“, brüllte Brian Hansen und seine Stimme war vom Hass geradezu verzerrt. Er jagte einen Schuss in die Tiefe. „Du fährst von hier aus direkt in die Hölle. Mein Wort drauf.“

McQuade gab keine Antwort. Ein mitleidloser Zug hatte sich Bahn in seine Miene gebrochen. Seine Augen blickten hart wie Stahl. Sein Verstand begann präzise zu arbeiten. Ihn erfüllte das grimmige und ungeduldige Verlangen, Brian Hansen gnadenlos zur Rechenschaft zu ziehen.

Er kroch im Schutz der Büsche seitwärts davon und arbeitete sich Schutz der Büsche hangaufwärts. Schließlich galt es, ein Stück Terrain ohne den geringsten Schutz zu überwinden. McQuade zögerte. Fünfzehn Schritte etwa, auf denen er dem Gewehr Brian Hansens vollkommen schutzlos ausgeliefert war. Zehn Sprünge - und jeder konnte der letzte sein. Schließlich nahm sich McQuade ein Herz, schnellte hoch und hetzte los.

Schon peitschten die Gewehrschüsse den Abhang herunter. Blei schlug um McQuade herum ein. Eine Kugel strich sengend über seinen Oberschenkel. Eine andere zupfte an seiner Weste. Seine Lungen pumpten. Keuchend warf er sich schließlich hinter einem Felsen zu Boden und riss das Gewehr hoch.

Er feuerte dreimal. Die Detonationen rollten den Hang hinauf und stießen über Brian Hansen hinweg. Das Feuer wurde sofort mit wilder Verbissenheit erwidert. Die Schüsse peitschten und verdichteten sich zu einem einzigen, lauten Donner. Das Trommelfell betäubende Quarren der Querschläger zog durch die Senken und in die Hügellücken, brüllend hallten die Echos von den Hängen wider.

Dann trat Stille ein.

McQuade lugte über seine Deckung hinweg.

Die nächste Deckung war zehn Schritte entfernt. Es war ein dichtes Gebüsch, zwischen dem einige Felsbrocken lagen. Eine lebensgefährliche Deckung. Aber er musste das Risiko eingehen. Er durfte sich nicht hier hinter dem Felsen festnageln lassen.

Also setzte er zum Spurt an. Geduckt lief er, Haken schlagend wie ein Hase, auf die kargen Büsche zu, die ihm als einzige Schutz boten. Er warf sich dahinter zu Boden und rollte auf den Bauch.

Die Kugeln peitschten durchs Gebüsch, konnten ihm aber nichts anhaben, denn er lag hinter einem Wurzelstock, in den sich die eine oder andere Kugel bohrte und den Strauch erschütterte. Zweige und Blätter regneten auf McQuade herunter.

McQuade hielt nach der nächsten Deckungsmöglichkeit Ausschau. Er hatte sich schon fast zwei Drittel des Abhangs empor gearbeitet.

Brian Hansen sah seinen Todfeind zu einem Felsen hetzen und feuerte. McQuade verschwand. Es gelang ihm, sich ein weiteres Stück hangaufwärts zu kämpfen. Der Schweiß rann McQuade in die Augen und ließ sie brennen. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Schließlich kauerte er schwer atmend hinter einem Felsbrocken. Sein Herz raste. In seinen Ohren dröhnte das Blut. Er wartete, bis sich der Herzschlag wieder etwas normalisiert hatte.

Der Kopfgeldjäger spähte über den Felsen, äugte nach der nächsten Deckung, und schnellte in die Höhe. Mit langen Sätzen hetzte er geduckt auf den Felsbrocken zu, hinter dem er Schutz finden wollte.

Bei Brian Hansen begann das Gewehr zu dröhnen.

Am Felsen vorbei starrte McQuade nach oben. Dann kroch er seitwärts davon, und das Gestrüpp verbarg ihn vor Brian Hansens Blicken.

McQuade hatte den Hügel ein ganzes Stück umrundet. Er befand sich jetzt seitlich von Brian Hansen. Er machte sich an das letzte Stück des Aufstiegs. Unablässig sicherte er nach oben. Auch hier gab es Gestrüpp und Felsbrocken, die sporadisch aus der Erde ragten und Schutz boten. Er glitt von Deckung zu Deckung, schnell und lautlos wie ein Schatten, wartete, witterte und versuchte, seinem Instinkt zu gehorchen.

Als er hinter einem der Felsen hervortrat, mit den Augen die nächste Deckungsmöglichkeit anpeilend, vernahm er ein metallisches Knacken, dann ein klirrendes Lachen und schließlich Hansens hämische Stimme: „Ich hatte eine ähnliche Idee, Menschenjäger. Und nun besorge ich dir einen Freifahrtschein zum Satan.“

McQuade war halb herumgewirbelt. Hansen stand ein Stück über ihm neben einem mannshohen Felsen und feixte. Das Gewehr hielt er an der Hüfte im Anschlag. McQuade schaute in das kleine, kreisrunde, schwarz gähnende Mündungsloch. Hansen hatte ihm gegenüber den Vorteil, dass er nur abzudrücken brauchte. Er – McQuade – musste erst das Ziel aufnehmen. Ein wertvoller Sekundenbruchteil, den er langsamer sein würde als der Mörder.

Aber der Bandit hatte die Rechnung ohne Gray Wolf gemacht. Lautlos wie ein Schatten glitt der Wolfshund über den Hügelrücken. Die entblößten Reißzähne schimmerten fahl.

Brian Hansen war arglos. In seinen Augen glitzerte wilder Triumph.

„So ist das Leben, Menschenjäger!“, stieß er mit hohntriefender Stimme hervor. „Man kann noch so gut sein – irgendwann findet man seinen Meister. Du hast ihn in mir gefunden. Also, Menschenjäger – farewell!“

Gray Wolf stieß sich ab. Wie von einem Katapult geschleudert flog er durch die Luft.

McQuade ließ sich fallen. Als er am Boden lag, hatte er das Ziel aufgenommen. Brian Hansens Schuss peitschte in dem Moment, als Gray Wolf gegen ihn prallte. Der Knall stieß über McQuade hinweg, und in das Krachen hinein brüllte sein Gewehr auf. Brian Hansen strauchelte und stürzte. Gray Wolf war mit allen vieren gleichzeitig auf dem Boden gelandet, schnellte herum und stürzte sich auf den Banditen. Dicht vor dessen Gesicht schlug der gefährliche Fang zusammen. Bedrohliches Knurren stieg aus der Kehle des Wolfshundes.

McQuade stemmte sich hoch. Das Gewehr schussbereit stieg er langsam den Hang hinauf. Ungläubig und mit herausquellenden Augen starrte ihm Brian Hansen entgegen. Plötzlich brach ein Schwall Blut aus seinem Mund. Sein Kopf rollte auf die Seite, seine Beine zuckten noch einmal - dann lag Brian Hansen still.

McQuade wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus den Augenhöhlen. „Zurück, Partner, zurück. Von Hansen geht keine Gefahr mehr aus.“

Gray Wolf ließ von dem Banditen ab und legte sich bäuchlings auf den Boden.

McQuade schaute auf den toten Revolvermann hinunter. Er empfand nichts. In Brian Hansens gebrochenen Augen las McQuade nur eine absolute Leere – die Leere des Todes.

McQuade lehnte sein Gewehr an den Felsen und holte Brian Hansens Pferd. Er wuchtete den Leichnam quer über den Pferderücken. In der Satteltasche fand er einige Schnüre, mit denen er die schlaffe, leblose Gestalt festband. Das Tier scheute, als ihm der süßliche Blutgeruch in die Nase stieg. Der Blutgeruch zog auch Schwärme von Mücken an.

McQuade nahm sein Gewehr, legte es sich auf die Schulter und führte das Pferd am Kopfgeschirr den Hang hinunter. Wenig später stieg er auf den Falben. Er ritt zur Stadt zurück.

Der Kopfgeldjäger hatte dem Gesetz wieder einmal Geltung verschafft. Sein Name war Synonym für Recht und Ordnung. Einen Stern benötigte er nicht. Das war so. Das Recht hatte einen Namen – den Namen McQuade. Die Steckbriefe legitimierten ihn, sein Gesetzbuch war der Colt.

E N D E

Sieben glorreiche Western Oktober 2018

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