Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 28
20
ОглавлениеKen Turner fühlte sich hinter dem imposanten Schreibtisch ausgezeichnet. Es machte direkt Spaß, dem Recht zu dienen. Der Stern glänzte noch neu, aber der Cowboy fühlte sich, als hätte er diesen Job schon sein ganzes Leben ausgeführt.
Er erhob sich und schlenderte durch das Office. Er blieb vor der Gittertür stehen und starrte den Gefangenen voll Abscheu an. Wie konnte ein Mensch nur so tief sinken, dass er zum Mörder wurde?
Er setzte seine Wanderung fort und warf auch einen Blick vor die Tür. Er hatte Collin Brats Warnung vor der Schattenbande nicht vergessen und wollte sich nicht überrumpeln lassen.
Die Main Street sah aus wie immer. Nichts war besonders verdächtig. Ken Turner fixierte alle Männer, die in Gruppen beieinander standen. Das waren aber nur vier, und die kannte er gut. Der Doc war auch dabei. Vermutlich berichtete er gerade über das Befinden seines Patienten.
Ken Turner hatte Doan gut gekannt. Ihn interessierte auch, wie es dem alten Schlitzohr ging. „He, Doc!“, rief er hinüber, doch der Arzt hörte ihn anscheinend nicht. Der Deputy wandte sich um und sah versonnen die Tür des Office an.
„Ach was!“ Er ging ins Büro zurück, steckte seinen Revolver, der noch immer auf dem Tisch lag, ins Holster und trat wieder auf die Straße. Von der anderen Seite würde er einen eventuellen Befreiungsversuch genauso gut verhindern können wie von hier aus. Er lief zu den Männern hinüber und stellte sich so, dass er die Tür gut im Auge behielt.
„Wie geht’s Doan, Doc?“, fragte er. „Hat er eine Chance?“
Henry Bishop sah den Deputy ernst an.
„Er hat die Chance, seinen Mörder nie mehr zu treffen, denn der kommt hoffentlich bald in die Hölle, und zwar dorthin, wo sie am heißesten ist. Doan dagegen befindet sich auf dem Weg in die Gegend, von der uns unser Pfarrer sonntags immer so schön erzählt. Hoffentlich stehen dort nicht hinter den Wolken ebenfalls feige Halunken wie hierzulande hinter den Büschen. Ich wünsche ihm, dass er endlich seinen Frieden hat.“
Ken Turner schluckte. „Heißt das, dass er ...?“
„Ja, das heißt es, mein Junge. Er ist nicht wieder aufgewacht. Meine erbärmliche Kunst war zu klein, als dass ich ihm hätte helfen können.“
„Diese Schweine! Das war nun schon der dritte Mord, den die Shadows auf dem Gewissen haben.“
„Der vierte“, korrigierte der Doc. Ken Turner verstand nicht. Henry Bishop half nach. „Ich spreche von Lamont.“
Jetzt kapierte der Deputy.
„Sie glauben also auch, dass Morton mit den Killern unter einer Decke steckt?“, fragte er atemlos.
Der Alte sah ihn durchdringend an.
„Andie Morton? Pass nur gut auf, dass ihm nichts zustößt!“
„Das werde ich, Doc“, versprach Ken Turner, aber er meinte es anders als der Arzt. Er kehrte hastig in das Office zurück. Ein Blick auf den Gefangenen sagte ihm, dass er ungewöhnlich ruhig war. Ein zweiter Blick sagte ihm noch mehr. Und er hätte um ein Haar falsch reagiert.
Jetzt zwang er sich zur Ruhe. Er durfte sich nichts anmerken lassen, sonst war alles beim Teufel.
Er kehrte wieder zum Schreibtisch zurück und legte seinen Revolver auf die Platte.
„Doan ist tot“, sagte er dumpf.
Andie Morton fuhr zusammen. „Tot? Wer sagt das?“
„Bishop sagt das. Ich habe ihn gerade gefragt. Der Teufel soll die verdammten Mörder holen.“
„Das soll er.“ Es hörte sich an, als weinte Andie Morton.
Ken Turner ließ sich nicht täuschen. Er hatte genug gesehen. Die Tür aus starken Eisenstäben war nur noch angelehnt. Jemand hatte sie aufgesperrt. Und da niemand das Office während der kurzen Zeit betreten hatte, während er draußen war, konnte nur Morton selbst dieser Jemand gewesen sein. Er musste in einem unbeobachteten Moment den Schlüssel des Marshals an sich gebracht haben. Als er, Ken Turner, das Office verließ, glaubte er, fliehen zu können. Doch sein Bewacher war zu schnell wieder zurück und verdarb die Flucht.
Aber Ken Turner war nicht auf den Kopf gefallen. Der Mörder sollte seine Chance haben. Er sollte selbst den Beweis liefern, dass er fliehen wollte. Doch das würde ihm nicht gelingen. Gibsonville hatte einen aufmerksamen Hilfsmarshal. Und dessen Sechsschüsser lag griffbereit. Er wartete nur auf eine verdächtige Bewegung.
Ken Turner reckte die Arme in die Höhe und gähnte wie ein Ochse. Er glotzte den Gefangenen an und schnitt eine verächtliche Grimasse. Dann legte er seine Arme verschränkt vor sich auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Danach rührte er sich nicht mehr.
Nach einigen Minuten ließ er tiefe, gleichmäßige Atemzüge hören. Aber er schlief keineswegs. Er tat nur so. Andie Morton sollte sich in Sicherheit wiegen. Er sollte nicht auf die Idee kommen, dass die Hand neben dem Revolver auf der Lauer lag und nur darauf wartete, in Aktion treten zu dürfen.
Andie Morton war nur ein einfacher Cowboy, den man in eine Falle gelockt hatte. Nie zuvor hatte er ein Gefängnis von innen gesehen. Er hatte keine Übung im Gedankenlesen, deshalb reagierte er auch ähnlich, wie der Deputy erwartet hatte. Er trat mit dem Fuß gegen die Tür, dass sie krachend aufflog. Im gleichen Moment zuckte Ken Turners Faust zur Waffe ...