Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 30

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Chalk Kimball fühlte die Wellen über sich zusammenschlagen. Die Nachricht vom Tod Andie Mortons hatte die Shadows zu begeistertem Gelächter veranlasst. Der Plan vom Boss war wieder mal aufgegangen. Ken Turner, der einfältige Narr, hatte genau das getan, was von ihm erwartet wurde. Er hatte den Cowboy auf der Flucht erschossen. Niemand würde jemals erfahren, dass die Zellentür von Collin Brat selbst geöffnet worden war, bevor er den Deputy mit seinem Gefangenen alleingelassen hatte. Das Thema gehörte also der Vergangenheit an und konnte abgehakt werden.

Dass Jerome Bibbs seinen Auftrag, den Bastard umzulegen, so schlecht erfüllt hatte, war schon weniger amüsant. Niemand weinte dem Killer eine Träne nach. Es war seine eigene Schuld, dass er ins Gras beißen musste. Sie ahnten zudem, dass der Boss ihn sowieso liquidiert hätte. Sie zogen aus dieser Tatsache lediglich die Lehre, dass es unklug war, sich zum Krüppel schießen zu lassen, weil man von diesem Augenblick an nicht nur ziemlich wehrlos, sondern für die Bande auch überflüssig war.

Chalk Kimball hatte noch keinen Mann umgebracht. Trotzdem fühlte er sich als Mörder. Nun war auch Andie Morton tot. Er zweifelte daran, ob er wirklich zu Recht im Gefängnis gesessen hatte. Seine versuchte Flucht sprach ihn nicht unbedingt schuldig.

Collin Brat aber hatte gewusst, dass er es nicht gewesen sein konnte, der Rancher Lamont erschoss. Trotzdem hatte er ihn eingesperrt. Es war seine erste Tat als Marshal. Ihr würden weitere folgen, und sie würden alle nicht dem Recht dienen.

Chalk Kimball wurde von seinen Gefühlen hin und hergerissen. Einerseits war er froh, dass er nun ganz zur Bande gehörte, andererseits fürchtete er sich davor. Einerseits hasste er Chaco, den Klugscheißer, andererseits hoffte er, dass bald einer käme, um dem gespenstischen Spuk ein Ende zu bereiten und ihn von seinen Ängsten zu erlösen. Er wusste, dass dieses Ende nur der Tod sein konnte. Aber etwas anderes hatte er ohnehin nicht mehr zu erwarten.

„Unser junger Freund ist ja heute so schweigsam“, fand Collin Brat. „Du müsstest doch eigentlich froh sein. Jetzt, wo Morton tot ist, sucht niemand mehr nach dem wahren Mörder von Lamont. So gut hat es nicht jeder Killer.“ Er grinste anerkennend. „Hast du gut gemacht, das muss man dir lassen.“

„Was hat er gut gemacht?“, wollte Harry Koster wissen. Er war ein hässlicher Bursche. Eine Narbe lief ihm quer übers Gesicht, das ohne sie allerdings auch nicht anziehender gewirkt hätte. Seine buschigen Augenbrauen, die über der Nase zusammenwuchsen, verliehen ihm das Aussehen eines wilden Tieres. Und das war er auch. Nicht umsonst hatte Collin Brat ihn zu seinem Stellvertreter gemacht.

„Er hat Lamont erschossen“, gab der Boss bekannt.

Harry Koster sah ihn verblüfft an. „Der Kleine?“

„Es war seine Prüfungsaufgabe. Hat er sie nicht glänzend gelöst?“

„Stimmt das, Chalk?“ Der andere konnte es einfach nicht glauben.

Chalk Kimball nickte gleichmütig.

„Freilich! Der Boss hat es befohlen, und da habe ich es eben getan.“ Seine Worte hörten sich wie die eines eiskalten Killers an, aber in Wirklichkeit schwang die Angst eines fünfzehnjährigen Jungen darin mit.

„Wenn das wahr ist“, sagte Harry zweifelnd, „fresse ich meinen eigenen Gaul.“

„Guten Appetit!“, wünschte der Junge.

„Warum zweifelst du daran, Harry?“, wollte Collin Brat wissen.

„Na, hör mal, Boss! Du hast doch mir aufgetragen, den Rancher schlafen zu schicken.“

Chalk zuckte zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Jetzt half ihm nur noch Frechheit.

„Dann bist du eben zu spät gekommen, Harry“, meinte er leichthin. „Ist ja auch egal. Hauptsache, er ist tot.“

„Das ist die Hauptsache“, bestätigte Collin Brat. „Du brauchst also nicht mit deiner Tat anzugeben, die du nicht begangen hast, Harry.“

„Aber es ist meine Kugel, die in seinem Rücken steckte.“

Collin Brat wandte sich an den Jungen.

„Du hörst, was Harry behauptet.“

„Er lügt!“

Harry Koster wollte auffahren, doch der Anführer blickte ihn nur scharf an. Da verstummte er.

„Das ist natürlich eine Erklärung“, fand Collin Brat. „Aber findest du nicht, dass es verdammt schlecht ist, wenn wir uns gegenseitig anlügen, Chalk? Von Harry hätte ich das eigentlich nicht erwartet. Was meinst du, sollten wir mit Lügnern in unseren Reihen machen?“

„Du bist der Boss“, sagte Chalk bescheiden. „Vielleicht ziehst du ihm was von der nächsten Beute ab.“

„Ein prächtiger Vorschlag. Was hältst du davon, Harry?“

„Nichts! Der Bengel spinnt, wenn er behauptet, Lamont umgelegt zu haben.“

Nun war es an dem Jungen, empört zu sein. Er hütete sich allerdings, den älteren anzugreifen. Er wusste, dass er dabei den Kürzeren ziehen würde.

Collin Brat sah ziemlich bekümmert aus.

„Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus“, jammerte er. „Beide behaupten, die Wahrheit zu sagen. Wem soll man da glauben? Allerdings“, er wandte sich mit traurigem Gesicht an Chalk Kimball, „neige ich dazu, eher Harrys Worte für wahr zu halten.“

„Das kann ich mir denken“, schimpfte der Junge beleidigt. „Schließlich kennt ihr euch schon länger. Und ich bin ja bloß ein Kind, das fantasiert und keiner für vollnimmt.“

„Ach, das ist eigentlich nicht der Grund, Chalk. Wirklich nicht. Das musst du mir bitte glauben!“

„Was sonst?“

„Nur eine Kleinigkeit, Junge. Ich war zufällig dabei, als Harry den Alten umblies. Es war ein satter Treffer. Lamont kann sich nicht beschweren.“

„Du warst dabei?“ Die Augen des Jungen wurden groß. Die nackte Angst stand darin. „Du hast also von Anfang an gewusst, dass ...?“

„Allerdings habe ich es gewusst“, entgegnete der Bandenführer kalt. „Ich wollte mal sehen, wie weit du deine Unverschämtheit noch treiben würdest. Dir ist doch hoffentlich klar, was dich dafür erwartet, dass du nicht nur deine Probe nicht bestanden hast, sondern dass du sogar versucht hast, deinen Boss und uns alle zu betrügen?“

„Lass dir erklären!“, bat Chalk Kimball. Natürlich wusste er, wie das Urteil gegen ihn lautete. Er würde den morgigen Tag nicht mehr erleben. „Die Zeit, die du mir gelassen hattest, war zu kurz. Ich wollte die Probe später ablegen. Bestimmt! Ich will doch schließlich zu euch gehören.“

„Ich glaube dir nicht. Du hast mein Vertrauen enttäuscht. Die Kumpels sollen entscheiden, was mit dir zu geschehen hat.“

Chalk Kimball begann zu schwitzen. Das war das Ende. Die Killer würden sich nicht rühren lassen. Was bedeutete es für die schon, einen Halbwüchsigen abzuknallen? Sie machten sich höchstens einen Spaß aus seiner Angst.

Nein, er wollte keine Angst zeigen. Diesen Triumph gönnte er ihnen nicht. Dieses Halbblut war an allem schuld. Wenn es nicht aufgetaucht wäre, hätte es ihn nicht so durcheinandergebracht. Dann hätte er klarer denken können, und dieser Fehler wäre ihm nicht unterlaufen.

Harry Koster, Jack Vereen und Jug Barton, die restlichen Bandenmitglieder, hatten inzwischen ihr Urteil gefällt. Ihre Verbrechervisagen grinsten, ihre Daumen deuteten nach unten. Collin Brat zuckte mit den Schultern.

„Da kann man nichts machen. Mehrheitsbeschluss. Selbst wenn ich wollte, könnte ich dir nicht helfen. Harry, du hast den meisten Grund, unseren kleinen Verräter zu bestrafen.“

„Okay, Boss!“

„Aber bring es schnell hinter dich! Wir müssen uns noch überlegen, was wir mit diesem Chaco anfangen, der seine rote Nase in unsere Suppe steckt.“

Harry Koster zauberte seinen Revolver in die Faust. Sein Grinsen war teuflisch. Für ihn spielte es keine Rolle, wen er vor der Mündung hatte. Er knallte ein wehrloses Kind mit der gleichen eisigen Kälte ab wie einen schwer bewaffneten Marshal.

Chalk Kimball klammerte sich an Collin Brat, der ihn mit einer endgültigen Handbewegung von sich schob.

„Ich kann euch nützlich sein, Boss“, sagte der Junge keuchend. Jeden Moment erwartete er die Kugel.

„Nützlich? Du?“ Er bedeutete Harry Koster, noch einen Moment zu warten.

„Ihr habt doch Schwierigkeiten mit dem Halbblut.“

„Schwierigkeiten? Davon kann keine Rede sein. Schwierigkeiten hat der Bastard selbst, und die hat er sich selbst zuzuschreiben.“

„Aber immerhin hat er Jerome umgelegt“, wusste der Junge.

„Das hat er“, räumte Collin Brat ein. „Aber Jerome war sowieso fällig. Jeder ist fällig, der den Shadows nicht dienen kann - oder will.“ Ein bedeutungsvoller Blick traf Chalk Kimball.

„Völlig klar“, sagte dieser hastig. „Aber ihr habt gesehen, wie gefährlich der Halbindianer ist. Er hat Jerome erschossen, obwohl er klar im Nachteil war.“

„Jerome hatte nur noch die linke Hand zur Verfügung. Da ist es kein Kunststück, einen Mann fertigzumachen.“

„Gestern hatte er noch beide Hände zur Verfügung, und er zog als Erster. Trotzdem war Chaco schneller.“

„Na, wenn schon! Wir sind zu viert. Da hat er keine Chance. Beim nächsten Mal hat er es nicht nur mit einem Krüppel zu tun, sondern mit der ganzen Bande. Da wird ihm das Lachen vergehen.“

„Aber es wäre doch sicher von Vorteil, wenn ihr schon vorher wüsstet, was der Bursche plant.“

„Natürlich wäre es das. Aber wir sind nun mal keine Hellseher. Wenn wir das wären, dann hätten wir zum Beispiel gleich gewusst, dass du uns nur Ärger machen wirst.“

„Oder auch nicht. Man muss kein Hellseher sein, um Chacos Gedanken zu erfahren. Man braucht nur sein Vertrauen.“

„Und das hast du?“ Collin Brat war plötzlich interessiert.

„Der Kerl versucht schon die ganze Zeit, an mich ranzukommen. Bis jetzt habe ich ihn gehörig abblitzen lassen. Aber das muss ja nicht so bleiben.“

„Du meinst, du könntest ihn aushorchen, ohne dass er Verdacht schöpft?“

„Das meine ich. Natürlich erwartet er dafür eine Gegenleistung. Das ist ja klar. Aber ich werde ihm schon ein passendes Märchen erzählen.“

„Darin hast du ja Talent“, bestätigte der Boss der Schattenbande finster.

Die anderen Killer konnten sich mit dem Vorschlag des Jungen nicht anfreunden.

„Der Bengel will doch nur seinen Kopf retten“, vermutete Jug Barton. „Legen wir ihn um, dann ist der Fall erledigt.“

„Natürlich will er seinen Kopf retten“, bestätigte Collin Brat. „Das kann man ihm schließlich nicht verdenken. Schon gar nicht, wenn wir davon profitieren. Du hast selbst gesagt, dass der Bursche gefährlich ist, Chalk. Ist er nicht ein paar Nummern zu groß für dich?“

„Bestimmt nicht“, stieß der Junge hasserfüllt hervor. „Mich legt der nicht rein. Wir haben noch eine kleine Rechnung offen. Ihr wisst ja, dass er bei meinen alten Leuten wohnt. Da bin ich froh, wenn ich ihn vom Hals habe. Je eher, umso besser. Ich hatte gehofft, er würde bald wieder verschwinden, aber der hat sich was in den Kopf gesetzt, und da bleibt er stur. Aber er wird sich riesig freuen, wenn er mich schwarzes Schaf retten kann.“

„Weiß er etwas von dir?“, wollte Collin Brat misstrauisch wissen. Chalk Kimball beruhigte ihn. „Das ist ausgeschlossen. Er wird vielleicht einen Verdacht haben, doch den hat er auch gegen andere. Gibst du mir die Chance, Collin? Du wirst sehen, dass ich einen Auftrag erfüllen kann, wenn ich nur einen Sinn darin sehe.“

„Und du siehst einen Sinn darin, wenn der Bastard über die Klinge springt?“

Chalks Augen blitzten auf. „Darauf kannst du Gift nehmen.“

„Okay, Chalk, du sollst deine Chance erhalten.“ Er setzte sich über das Murren der drei anderen hinweg. „Aber dir ist doch klar, dass dich dann nichts mehr retten kann, wenn du wieder versagst?“

„Völlig klar, Boss!“

„Gut! Jetzt pass genau auf, was ich dir sage. Dein Plan, Chaco in unsere Hände zu treiben, ist gar nicht so übel. Er wäre sogar ganz ausgezeichnet, wenn es nicht einen noch besseren gäbe.“

„Einen besseren Plan?“

„Stimmt genau!“

„Und was sieht dieser Plan vor?“

Collin Brat betrachtete seine Fingernägel. Er war mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Er war überhaupt sehr zufrieden.

„Du wirst Chaco nicht aushorchen und in die von uns vorbereitete Falle jagen.“

„Sondern?“

„Es geht viel einfacher. Du selbst wirst ihm die Kugel geben!“

Sekundenlang blieb Chalk Kimball stumm. Dann begannen seine Augen zu glitzern. Es war ein ähnliches Glitzern, wie es vorher in Harrys Augen gestanden hatte. Vor seinem Inneren tauchte ein Mann auf, der ihm auf die Nerven gegangen war. Ein Mann, der sich einbildete, sein Kindermädchen spielen zu müssen. Einer, der gefährlich wurde, falls er gegenüber den Eltern nicht sein Maul hielt. Man musste es ihm stopfen.

Er tauschte mit Collin Brat einen kurzen Blick. Dann nickte er und sagte knapp: „Okay, Boss!“

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