Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 32
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ОглавлениеChaco kannte die Treffsicherheit des Jungen. Bei der geringsten Bewegung war er ein toter Mann, darüber gab es nun keinen Zweifel mehr.
„Warum bist du nicht geblieben, wo du warst?“, sagte Chalk gefährlich leise. Er näherte sich langsam dem Halbblut, doch er würde nicht zu nahe herangehen. Er würde sich nicht überrumpeln lassen. „Warum hast du dich nicht mit deinen eigenen Problemen zufriedengegeben?“ Diese Frage stellte er schon lauter. Wieder ging er einen Schritt vor. „Du verdammter Bastard! Mit dir hat das ganze Elend angefangen. Sie hätten mich beinahe kaltgemacht. Aber ich will nicht sterben, hörst du? Ich will nicht!“ Es war ein verzweifelter Schrei.
Sein Arm flog hoch. Chaco sah die Mündung entsetzlich groß vor seinen Augen. Etwas flog auf ihn zu. Unglaublich langsam. Aber nicht langsam genug, als dass er ihm noch hätte ausweichen können. Gleich traf es ihn und riss ihn hinüber. Dorthin, wo auch die anderen Opfer der Schattenbande lagen.
Der Aufprall war gewaltig. Er hatte seine Brust nicht verfehlt. Trotzdem fiel Chaco nicht. Er taumelte nur. Er hielt etwas in den Händen. Etwas, was ihn fast von den Füßen gerissen hätte. Etwas, was groß war und doch hemmungslos schluchzte.
„Ich kann es nicht! Ich kann es nicht tun! Chaco, hilf mir! Ich bin kein Mörder!“ Es war wie ein gequälter Aufschrei eines Ertrinkenden. Er hielt den Jungen fest, dessen Gesicht jetzt tränenüberströmt war. Er strich ihm über das wirre Haar.
„Du hast dich selbst überwunden, Chalk“, sagte er sanft. „Jetzt haben wir das Spiel so gut wie gewonnen. Die Schattenbande hat keine Chance mehr.“
Er fühlte sich unendlich erleichtert, dass sich der Junge nicht zu dem Äußersten hatte hinreißen lassen. Er hatte die natürliche Schranke nicht einreißen können. Es war noch nicht zu spät.
„Keine Chance?“, wimmerte Chalk und ließ die Tränen ungehemmt fließen. „Die Shadows? Du weißt nicht, was du redest, Chaco! Du kennst sie nicht so, wie ich sie kenne.“
„Das ist wahr“, gab Chaco zu. „Aber du wirst mir alles sagen, was ich wissen muss.“
„Sie werden mich umbringen. Sie werden mich ganz gewiss töten. Ich habe sie nun zum zweiten Mal hintergangen. Bestimmt haben sie alles beobachtet. Sie wissen längst, dass ich meinen Auftrag nicht erfüllt habe.“
„Du brauchst keine Angst zu haben, Chalk. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich nicht finden, bis sie alle überführt sind.“
„Sie werden sich an meinen Eltern rächen. Sie sind so grausam.“
„Und trotzdem wolltest du einer der ihren sein“, wunderte sich das Halbblut.
Chalk Kimball senkte den Blick.
„Ich hatte Angst“, erklärte er.
„Angst vor den Killern?“
„Nein, vor meinen Eltern. Sie hatten mir Geld anvertraut, dass ich einige Sachen dafür besorgen sollte. Ich traf Freunde und hielt mich bei ihnen auf. Plötzlich war das Geld verschwunden. Ich musste es verloren haben. Es war nicht sehr viel, doch das Schlimmste war, dass ich nachlässig gewesen war. Ein Mann erkannte meine Schwierigkeiten und bot mir Hilfe an. Er lieh mir die verlorene Summe, und dann ...“
„... und dann ist ziemlich alles klar“, fiel ihm Chaco ins Wort. „Der hilfsbereite Mann gehörte zu den Shadows. Vermutlich hat er sogar zuvor dein Geld an sich gebracht. Er nützte deine Notlage in gemeinster Weise aus und zwang dich, bei den Banditen mitzutun.“
„Nein, er zwang mich nicht, aber natürlich gab er mir zu verstehen, dass er mir das Geld nicht schenken könne. Ich hätte aber die Möglichkeit, es mir nachträglich zu verdienen.“
„Das kommt aufs Gleiche raus. Und du machtest mit?“
Chalk nickte beschämt.
„Ja! Anfangs war es auch noch nicht so schlimm. Natürlich waren auch die Diebstähle ungesetzlich, doch dann fingen sie an, Leute umzubringen, und sie verlangten es auch von mir.“
„Aber du tatest es nicht.“
„Es war mir einfach nicht möglich, auf einen Mann zu schießen, der mir nichts getan hatte. Ich bewunderte zwar die Courage und Unerschrockenheit der Männer und wollte gern zu ihnen gehören, aber ich selbst konnte nicht auf unschuldige Menschen schießen.“
„Du gerietest also in Gewissenskonflikte und drehtest völlig durch, als ich dich auch noch verdächtigte.“
„Genau! Ich habe dich richtig gehasst. Aber es war wohl vor allem der Hass gegen mich selbst. Ich hätte dich um ein Haar getötet, da fehlte nur eine Kleinigkeit.“
„Und auf diese Kleinigkeit kommt es an, mein Junge“, sagte Chaco erschüttert. „Ich war in deiner Hand. Du hast mich ausgetrickst. Ich hätte keine Chance gehabt. Doch du hast die mörderische Waffe fortgeworfen und endlich begriffen, auf welcher Seite du stehst. Glaube mir, dies ist ein unbeschreiblich glücklicher Tag. Nicht nur für uns beide.“ Der Halbindianer dachte an eine schmächtige Frau mit grauen Haaren und einem tiefen Kummer im Herzen. Er wollte dafür sorgen, dass sie wieder lachen lernte.
„Er wollte, dass ich auf Andie Morton schieße“, berichtete Chalk Kimball. „Aber ich ballerte einfach in die Luft. Nun ist er trotzdem tot. Durch meine Schuld.“ Wieder begann er zu schluchzen. „Dann behauptete ich, Lamont erschossen zu haben, damit sie mich endlich anerkannten. Sie lenkten jedoch den Verdacht auf Morton. Doch in Wirklichkeit war es Harry Koster. Ich habe es erst heute erfahren. Und nun verlangten sie, dass ich dich umbringe.“
„Ist Harry Koster der Boss?“, fragte Chaco gespannt.
„Nein, das ist Collin Brat.“ Er sah sich ängstlich um, als fürchtete er, dass der Verratene hinter ihm stünde.
„Der Marshal?“
„Er hat sich sehr amüsiert, dass er gewählt wurde, aber es passte ihm gut in den Kram.“
„Das kann ich mir denken. Wer sind die anderen?“
„Jack Vereen und Jug Barton“, gab Chalk bereitwillig Auskunft. Er beschrieb die drei, die Chaco noch nicht kannte, und das Halbblut sah die Mördervisagen jetzt plastisch vor sich.
„Sie sind alle verteufelt schnell mit dem Schießeisen“, verriet der Junge.
„Das werden sie auch sein müssen“, sagte Chaco. „Aber es wird ihnen nichts helfen.“