Читать книгу Revolverhelden in der Stadt: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 19

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Das Heulen eines Wolfes vor mir im Morgengrauen zerriss die Müdigkeit, die mein Reaktionsvermögen herabsetzte. Fox wieherte erschrocken und blieb stehen.

Aus dem Dickicht drang ein Heulen. Ein alter Grauwolf teilte das raschelnde Geäst.

Der Hengst stieg auf die Hinterhand. Klirrend schlugen die Eisen an den wirbelnden Hufen gegeneinander.

Ich zog das Gewehr aus dem Scabbard, rutschte aus dem Sattel, repetierte die Waffe und feuerte.

Die Kugel strich über dem Grauwolf durch das Geäst. Heftig warf sich das Tier herum und ergriff die Flucht.

Im Morgengrauen verklang das Dröhnen des Schusses. Pulverrauch trieb über das Gestrüpp. Von dem Wolf ließ sich nichts mehr vernehmen. Fox beruhigte sich, aber die spielenden Ohren verrieten, dass er noch angespannt lauschte.

Ich repetierte das Gewehr, drang durch das Dickicht und sah neben einem großen Sagebusch einen frischen Grabhügel. Der Wolf hatte daran gescharrt, war aber von mir gestört und in die Flucht geschlagen worden. Neben dem Hügel verliefen die Radrinnen, und rundum ließen sich viele Fußspuren erkennen. Das Gestrüpp war stellenweise bis zu dreißig Yards Entfernung von Hufen und Stiefeln niedergewalzt worden.

Der dunkler als der Weg aussehende Sand ließ ahnen, dass dieses Grab nur wenige Stunden alt sein konnte. Sonnenlicht, das die enthaltene Feuchtigkeit verdunsten ließ, traf ihn noch nicht.

Fox tauchte neben dem Sagebusch auf und schnaubte.

Ich suchte das Gestrüpp in der Runde ab, fand einen dunkelbraunen Hut und gleich darauf ein rotes Halstuch. Beides stammte nicht von Chaco, was mich erleichtert aufatmen ließ. Dennoch fragte ich mich, ob es klug wäre, weiterzureiten, oder ob ich nicht doch nachsehen sollte, wer hier verscharrt worden war. Ich entschied mich jedoch, keine Zeit zu vergeuden und dem Wagen so rasch wie möglich zu folgen. Während der Nacht war es ohnehin kaum möglich gewesen, den Abstand zu verringern.

Kurz entschlossen saß ich auf, schob das Gewehr in den Scabbard und ritt weiter.

Im Osten schob strahlendes Blau den grauen Vorhang der Dämmerung höher in den Himmel und drängte ihn nach Westen. Goldene Sonnenstrahlen flammten am Horizont hoch, wurden länger und länger und trafen den Boden. Beinahe von einer Minute zur anderen lösten sich die Nebelschwaden auf. Es war momentan so klar, dass weit nach Westen die sich höher türmenden Hügel und die grauen Felsgiganten in der Ferne deutlich erkennbar wurden. Die Wildnis zu ihren Füßen blieb jedoch so dicht, dass sie alles verbarg, was sich weiter als einige hundert Yards entfernt befand. Da ich auch keinen aufquirlenden Staub erkannte, ritt ich schneller und befürchtete nicht, dass der Hufschlag mich verraten konnte.

Als die Sonne zwei Handbreit über den östlich liegenden Erhebungen stand, sah ich plötzlich die Staubwolke voraus.

Ich hielt und stellte mich in den Steigbügeln auf, vermochte jedoch nichts zu erkennen. Zu dicht und zu hoch stand das Buschwerk davor. Dennoch konnte es sich nur um den Wagen handeln, dem ich folgte.

Die neue Lage bot mir die Möglichkeit, die Spuren zu verlassen. Ich schlug einen Bogen nach Nordosten, weil dort dichte Kakteengürtel standen, durch die ich vielleicht unbemerkt bis in die unmittelbare Nähe des Wagens gelangen konnte.

Kaum hatte ich die Spuren ein Stück hinter mir gelassen, bemerkte ich, dass der Staub zu sinken begann. Die braune Fahne in der zunehmend unklarer werdenden Luft verlängerte sich nicht mehr. Das Gefährt musste stehen.

Langsamer als vorher ritt ich durch das Gestrüpp dorthin, wo der Staub in der Luft den stehenden Wagen signalisierte. Zu sehen vermochte ich ihn noch immer nicht.

Kakteen blieben zurück. Das Gelände wurde auf einmal übersichtlicher. Und an einer Ansammlung Cottonwoods vorbei entdeckte ich plötzlich den Gefangenenwagen. Niemand saß auf dem Bock.

Ich glitt aus dem Sattel, führte Fox bis zu einem kleinen Lavafelsen und schlang den Zügel um den Scrubbusch im Schatten dahinter. Dann zog ich das Gewehr aus dem Scabbard und schlich weiter, bis ich durch das meist blattlose Geäst den Gitterwagen sah.

Hank Darion saß davor, an ein Rad gelehnt, die Beine angezogen und den Kopf auf den Knien.

Clay Darion steckte den Gefangenen durch das Gitter Hartbrot zu.

Ich erkannte Chaco im Käfig und atmete auf. Obwohl er sich in keiner beneidenswerten Lage befand und ich auch noch keine Idee hatte, wie ihm zu helfen wäre, lag er jedenfalls nicht in dem Grab, das ich im Morgengrauen gefunden hatte.

Clay Darion wandte sich um und blickte in meine Richtung. Ich duckte mich augenblicklich tiefer, um unbemerkt zu bleiben.

Clay Darion schien etwas zu seinem Bruder zu sagen. Der hob zuerst den Kopf und stand dann auf. Das geschah ungeheuer langsam.

Er stützte sich auch an einer Speiche ab, als hätte er Mühe mit dem Aufstehen.

Alles deutete darauf hin, dass die beiden Kopfgeldjäger die Fahrt fortsetzen wollten.

Mir fiel immer noch nichts ein. Die beiden Prämienjäger hielten die Gewehre in den Händen, der Wagen war zugesperrt, und gesattelte Pferde standen den Darions auch zur Verfügung. Sie konnten also den Wagen als Deckung benutzen, wenn sie mich bemerkten. Genauso gut war es ihnen möglich, in die Sättel zu springen, im Buschwerk unterzutauchen und Katz und Maus mit mir zu spielen.

Hank Darion schickte sich an, auf den Bock zu klettern, weil ihn das offenbar weniger anstrengte, als neben dem Gefährt zu reiten.

Ich musste handeln. Wenn der Wagen erst einmal wieder fuhr und ich darauf angewiesen war, zu reiten, standen meine Chancen noch ungünstiger.

So richtete ich mich auf, schlug das Gewehr an, umging das Gestrüpp und näherte mich.

„Darion!“, tönte mein Ruf durch das Buschland. Ich blieb stehen und repetierte die Waffe.

Die beiden Kerle fuhren wie von Taranteln gestochen herum. Clay riss fluchend das Gewehr hoch.

Ich feuerte. „Waffen wegwerfen!“

Hank warf sich zu Boden. Clay drückte ab, hetzte zu den schnaubend sich zur Flucht wendenden Pferden und sprang in den Sattel.

Ich hatte hoch über den Wagen geschossen und jagte auch die zweite Kugel in die Luft. Die Gefangenen hinter dem Gitter lagen auf den Bodenbrettern. Zielte ich auf die Kopfgeldjäger, konnten sie dennoch getroffen werden.

Clay galoppierte ins Dickicht. Hank lag noch im Gras und feuerte auf mich. Seine zweite Kugel streifte durch das Geäst in unmittelbarer Nähe.

Ich zog den Kopf ein und wechselte den Standort.

Indessen zogen die vom jähen Krachen geschockten Pferde das schwere Gefährt ein Stück weiter. Hank lief hinterher und schoss dabei immer wieder planlos ins Gestrüpp.

Clay Darions Pferd hörte ich nicht mehr. Aber noch musste sich der Halunke links von mir befinden. Wahrscheinlich würde er versuchen, in meinen Rücken zu gelangen. Böse Aussichten für mich, wenn ihm das gelang. Dann steckte ich zwischen den beiden gnadenlosen Jägern in der Zange und durfte auf ein Schicksal wie der US Marshal gefasst sein.

Hank feuerte immer noch, schien mich aber noch weiter südlich zu vermuten.

Durch das Dickicht pirschend rückte ich näher an das Gefährt heran, hörte deutlicher das erregte Schnauben der Pferde und sah den Pulverrauch. Jetzt befand ich mich weiter vorn und konnte selbst schießen, ohne die Eingesperrten zu gefährden. Aber noch sah ich Hank Darion nicht. Er schien auf dem Boden zu knien, wenn er nicht ganz und gar auf dem Bauch lag.

Ich wechselte zum nächsten Busch und sah den Kerl. Er kniete mit dem einen Bein und lehnte mit der Schulter an der Radnabe.

Mein Gewehr entlud sich, doch traf die Kugel nur den Eisenreifen, prallte ab und pfiff schrill in den Himmel.

Die Pferde rissen den Wagen nach rechts, aber das Rad blockierte. Hank schien die Bremse inzwischen angezogen zu haben.

Der Kopfgeldjäger schoss zurück und schrie: „Er ist vor der Karre, Clay!“

Da fielen auch östlich von mir Schüsse. Sekundenlang eröffneten die beiden Kerle ein Trommelfeuer, das mich zum Rückzug zwang. Ich umging eine Saguaro-Kaktee und sah Hank Darion wieder. Er entdeckte mich zur selben Zeit und ließ sich zur Seite fallen. Da, wo er eben gekniet hatte, bohrte mein Geschoss nur noch ein Loch in die Luft. Er feuerte mit Verzögerung zurück und traf die Kaktee. Die Kugel schlug dumpf ein. Dicker, goldfarbener Saft lief durch den Staub aus der graugrünen Pflanze.

Clay näherte sich von der anderen Seite auf seinem wiehernden Pferd.

Ich jagte ihm ein paar Kugeln entgegen, dann ging ich zum Sturm auf den Wagen über. Der langsam reagierende, offensichtlich von körperlichen Schwierigkeiten geplagte Hank Darion schien mir trotz seiner besseren Deckung der harmlosere Gegner zu sein.

„Er greift an, Clay!“, brüllte Hank Darion, der sich wieder aufrappelte und ein gutes Ziel bot.

Stehenbleibend zog ich das Gewehr gegen die Schulter und drückte ab.

Darion brüllte, schleuderte seine Waffe von sich und taumelte gegen das Rad, an dem er sich festhielt. Meine Kugel musste seinen Ellenbogen getroffen haben.

Ich rannte, weil der Schurke nicht aufgeben wollte. Mit der linken Hand bemühte er sich, einen seiner Colts zu ziehen. Aber bevor er das schaffte, erreichte ich ihn und schlug mit dem Gewehrlauf nach seinem Handgelenk.

Hanks Finger öffneten sich. Der Revolver landete vor meinen Füßen. Ein Tritt beförderte ihn unter den Wagen. Hank griff mich an, aber ein Schwinger mit der Linken warf ihn am Wagen entlang und in den Staub.

„He, lass uns raus, Mister, bevor der andere uns alle abknallt!“, verlangte Culbert.

„Hank hat den Schlüssel in der Tasche!“, schrie Sonny aufgeregt,

Ich blickte zu dem Dickicht.

„Hank?“, rief Clay Darion. „Ich habe seinen Gaul gefunden!“

„Hank kannst du vergessen, Darion!“, höhnte Larry Buck. „Der liegt im Dreck und stöhnt ganz schön!“

„Idiot, musst du dem das auf die Nase binden?“, schimpfte der Falschspieler.

Ich kniete und durchsuchte den stöhnenden Kopfgeldjäger, konnte in seinen Taschen jedoch keinen Schlüssel finden.

Clay feuerte. Die Kugel kratzte über das Wagendach. Augenblicklich warfen sich die Gefangenen auf die Bodenbretter.

„Hast du den Schlüssel endlich, Mister?“, brüllte Larry Buck.

„Da ist keiner.“

„Doch, er hat ihn einstecken. In der Hosentasche. Sieh doch mal richtig nach.“

Ich durchsuchte die Hosentaschen des Verletzten noch einmal gründlich, aber Hank trug keinen Schlüssel darin.

„Das gibt es nicht“, sagte der Falschspieler. „Das mit dem Auf und Zuschließen war seine Aufgabe.“

Clay nahm den Wagen weiterhin unter Beschuss. Ob er einen der Gefangenen dabei traf, schien ihm gleichgültig zu sein.

Ich schaute zu Chaco hinter dem Gitter und zuckte mit den Schultern.

Clays weitere Kugel ging haarscharf über die Zugpferde weg. Sie vollführten Bocksprünge, schnaubten und brachten den Wagen trotz der blockierenden Vorderräder einen Yard vorwärts.

„Vielleicht hat er ihn in die Westentasche gesteckt“, sagte Sonny. „Sieh mal da nach.“

„Ich habe ihm schon alle Taschen umgedreht.“

„Dann tu es noch mal, zur Hölle! Er muss den verdammten Schlüssel bei sich haben.“

Ich durchsuchte den Verletzten, obwohl ich wusste, dass es keinen Zweck hatte.

Und Clay jagte Schuss um Schuss herüber.

„Nein, nichts.“ Ich kroch zur Seite und lud mein Gewehr nach. Hank wälzte sich stöhnend herum. Sein Gesicht sah verzerrt und zudem fleckig aus – wie der US Marshal, den ich in Saquarra abgeliefert und von dem der Doc gesagt hatte, er habe die Pocken.

„Sag deinem Bruder, dass du verblutest, wenn du noch lange so im Gras liegst!“

Wie wütende Hornissen fauchten die Kugeln durch das Gebüsch, und manch eine strich durch den Wagen.

Ich schoss auf die Stelle, wo der Pulverdampf trieb.

„Clay, er hat mich am Ellenbogen erwischt!“, schrie Hank. „Und er verbindet mich nicht, wenn du nicht aufgibst!“

Das Wummern der Schüsse brach nur kurz ab. Clay schien nicht einsehen zu wollen, dass ich jetzt am Zuge war.

Zehn Minuten lang wogte der Kampf unentschieden hin und her. Ich konnte Clay Darion so kaum treffen, aber er rückte nicht heran und änderte damit an der Situation auch nichts. Nur Hanks Lage verschlechterte sich mit jeder Minute. Unaufhörlich rann Blut an seinem Arm hinunter, über die Hand und von den Fingern in den Sand.

„Clay, hör auf, ich sterbe!“, schrie der Verletzte mit heiserer Stimme.

Das Schießen brach ab.

„Warum verbindest du mich nicht, Mister?“, schrie Hank noch immer so laut, dass ihn der in den Büschen lauernde Bruder hören musste.

„Du siehst doch, dass ich von dem anderen davon gehindert werde“, gab ich zurück.

„Clay, der lässt mich verbluten!“

„Darion, werfen Sie das Gewehr weg, und geben Sie auf.“

„Wer bist du eigentlich?“, tönte es zurück.

„Mein Name ist Carringo. Spezialagent der Wells Fargo in Arizona!“

Hank verlor den Rest jeglicher Farbe aus dem Gesicht. „Du bist von der Wells Fargo? Was hat das denn mit uns zu tun? Wir dienen dem Gesetz, indem wir das frei in der Wildnis herumlaufende Gesindel einsammeln und den Gerichten überstellen!“

Ich gab keine Antwort, weil Clay nicht mehr feuerte. Offenbar dachte er nach.

„Kannst du das beweisen?“, rief der Kerl.

Ich zeigte Hank meinen Ausweis und nickte zur anderen Seite hinüber, wo Clay steckte.

„Ja, stimmt“, sagte Hank heiser. „Zieh es doch nicht so in die Länge! Ich hab schon fast einen Eimer Blut verloren!“

„Du hast ja sogar noch Humor.“ Ich steckte den Ausweis wieder ein.

Clay tauchte zwischen den Büschen auf.

„Gewehr weg und Hände hoch!“, befahl ich.

Widerstrebend ließ der Kopfgeldjäger die Waffe fallen, hob die Hände und näherte sich.

Mit der angeschlagenen Waffe zog ich mich zu den Pferden zurück. Der Kerl erschien mir brandgefährlich. Zu meinem Glück hatten die beiden offenbar keinen Schimmer von meinem Wissensstand über ihr brutales Vorgehen dem Marshal gegenüber. Darum würden sie mir bestimmt gleich vorgaukeln, zu den besten Menschen der Welt zu gehören.

„Verbinde ihn!“, befahl ich.

Clay Darion kniete bei seinem Bruder nieder, schnitt ihm den Ärmel vom Hemd, riss ihn in zwei Streifen und verband den Ellenbogen.

„So, jetzt werfen wir die Colts unter den Wagen, Darion! Alle drei, die ihr noch habt.“

„Was willst du eigentlich von uns?“ Darion blickte kniend über die Schulter.

„Ihr seid verhaftet.“

„Warum?“

Ich warf Chaco einen Blick zu. „Zum Beispiel, weil ihr diesen Mann einsperrt. Das ist Freiheitsberaubung, Darion. Es gibt nämlich keinen Steckbrief, der auf seinen Namen lautet. Und ihr habt nicht das Recht, wahllos Leute einzusperren, die euch über den Weg laufen.“

„Der spionierte einen Tag lang hinter uns her. Wir müssen annehmen, dass er zu irgendwelchen Banditen gehört, die uns angreifen wollen. Dass er einen anderen befreien will. Einen Kumpan. Vielleicht den Falschspieler. Oder Sonny und Larry Buck, die ja nicht allein stehen.“

„Er ist ein Freund von mir.“

„Von dir?“ Clay wandte sich um und stand auf.

„Ja, von mir.“

„Das konnten wir nicht wissen.“

„Warum spioniert ihr uns nach?“, stieß Hank hervor.

„Na eben! Was soll das bedeuten?“, fügte Clay hinzu.

„Das erfahrt ihr vielleicht auch noch. Binde deinen Bruder jetzt, Clay!“

„Was soll ich?“

„Bist du schwerhörig?“, herrschte ich den Kopfgeldjäger an.

Clays Augen zogen sich zusammen. „Der ist hinter uns her“, hauchte der schwache Hank, der zum Glück keine Gefahr mehr für mich bedeutete.

Clay schien nach den beiden Colts greifen zu wollen, die er immer noch trug. Sofort richtete ich das Gewehr auf ihn. Seine Hände blieben mit gespreizten Fingern in der Luft hängen.

„Mich legst du nicht aufs Kreuz, Darion. Du hast jetzt die Wahl: Entweder kommst du als Gefangener in Saquarra an – oder als Leiche.“

„Saquarra?“, fragte der Kopfgeldjäger. „Da waren wir bereits.“

„Und dahin kehren wir zurück. Du allerdings nur lebend, wenn du vernünftig bist. Dreh dich um, und wirf die Kanonen unter den Wagen!“ Darion blickte auf den stöhnenden Bruder, dann gehorchte er.

Ich atmete auf. Obwohl die beiden für mich nichts weiter als eiskalte Killer waren, hätte ich ihn sicher nicht, wie angedroht, kaltblütig über den Haufen geschossen.

Clay bückte sich ohne weitere Aufforderung, zog auch seinem Bruder den zweiten Revolver aus dem Holster und warf ihn hinter den eigenen Waffen her.

„Und jetzt bindest du Hank etwas, damit er nicht doch noch auf dumme Gedanken verfällt!“

Clay bückte sich, schnellte dann plötzlich herum und schlug von unten herauf zu.

Beinahe hätte er mich überrascht. Im letzten Moment konnte ich das Gewehr herumschwingen. Seine Faust knallte gegen den Kolben. Ich sah mich genötigt, Härte zu demonstrieren, um ein für allemal Klarheit zwischen uns zu schaffen. Mit der Waffe versetzte ich Clay einen Schlag gegen den Hals, der ihn an den Wagen warf und zusammenrutschen ließ.

Als der Halunke wieder bei sich war, hatte ich sie beide gefesselt und Clay bereits durchsucht. Aber er hatte den Schlüssel auch nicht …

Die inzwischen zurückgekehrten Reitpferde der Halunken trugen ihn in den Satteltaschen ebenfalls nicht mit sich herum. Ohne Hoffnung, ihn doch noch zu finden, ging ich an den Kutschbock. Danach lief ich um das Gefährt herum, kroch durch die Büsche und schob die Grasnarben auseinander, bis mir die Sache zu dumm wurde.

„Er ist weg“, sagte ich zu Chaco und den anderen im Käfig.

Clay kroch zum Rad und lehnte den Rücken dagegen. Ich hatte ihn und seinem Bruder nur die Hände gefesselt. Als Clay seinen Bruder jetzt anschaute, fielen ihm dessen Schwitzen und die Flecken auf dem Gesicht erstmals richtig auf. „Was ist denn mit dir los?“

„Er hat vermutlich die Pocken“, sagte ich.

„Die Pocken!“, schrie Culbert mit überkippender Stimme. „Habt ihr es gehört?“

Larry Buck begann zu toben, schlug gegen die Gitterstäbe wie ein Irrer und weinte.

„Die Pocken?“, fragte Chaco. „Woher weißt du das? Wenn er die Pocken hat, dann hatte Hansom sie auch.“

„Ja, vermutlich.“

Chaco erzählte mir die Geschichte, die sich unterwegs zugetragen hatte, auch wer in dem Grab lag. Zwei Tote hätte ich darin nicht vermutet.

Ich musste mein Pferd noch holen. Die Suche nach dem Schlüssel brachte allmählich alles durcheinander. Dringend wäre ich jetzt auf Chacos Hilfe angewiesen gewesen, da ich sowieso nicht die Absicht hatte, die eingefangenen Schurken laufen zu lassen, was ich auch von Amts wegen gar nicht durfte.

„Wir gehen alle vor die Hunde!“, brüllte Culbert. „Hansom hatte die Pocken!“

Die Gefangenen wurden immer verrückter.

Mich peinigte allmählich die Frage, wie diese Krankheit kursierte, welches Rätsel da eigentlich vor uns lag.

Zuerst hatte es die alte Squaw erwischt, dann den Marshal, schließlich Hansom und nun Hank Darion, den ähnlich wie den Marshal zusätzlich eine Schussverletzung schwächte. Allerdings konnte es auch so gewesen sein, dass vor dem Marshal Hansom erkrankt war und der Mörder seinen Verfolger angesteckt hatte. Aber für mich blieb die Frage offen, was die Ansteckung mit der alten Squaw zu tun hatte, wie, wo und ob Hansom vielleicht mit ihr zusammengetroffen war. Oder aber der Marshal, falls der früher als der Killer angesteckt worden war.

„Irgendwo muss doch der Schlüssel sein!“, schimpfte der Falschspieler. „Such noch mal, Mister!“

„Er ist weg. Hank hat ihn offenbar unterwegs verloren.“

„Gibt es keinen Ersatzschlüssel?“, wandte sich Douglas an Darion.

„Nein, den haben wir schon seit Langem nicht mehr.“

Ich besah mir das Schloss, bei dem es sich um eine kräftige Ausführung handelte. Mit den einfachen Werkzeugen des Gefährts war das nicht aufzubrechen. Auch den Versuch zu unternehmen, es zu zerschießen, konnte ich nicht wagen, weil dabei die Kugeln kreuz und quer durch den Wagen fliegen würden.

Larry Buck schien die größte Angst vor der Seuche zu haben. Er tobte und schrie mit oft tränenerstickter Stimme. Offenbar wähnte er sich dem Tod erstmals wirklich nahe.

Hank lag teilnahmslos auf dem Boden, offenbar froh, endlich einmal Ruhe zu haben.

Ich zog die Colts unter dem Wagen hervor und räumte alles zusammen, was ich an Waffen fand. Chaco gab ich einen Revolver, damit er die beiden Darions in Schach halten sollte.

Mit den übrigen Waffen entfernte ich mich in die Büsche und ließ sie zwischen den Kakteen zurück. Es erschien mir zu riskant, sie mitzunehmen und dem dauernden Zugriff der Kopfgeldjäger auszusetzen. Clay würde ich wieder befreien müssen, damit er den Wagen vom Bock aus lenken konnte. Wie lange Hank zu reiten vermochte, stand auch nicht fest, kaum bis Saquarra.

Fox stand noch am Busch vor dem kleinen, grauen Lavafelsen und begrüßte mich durch ein Schnauben. Ich führte ihn zurück und fand die Szene unverändert. Chaco bedrohte Clay Darion mit der aus dem Gitter gestreckten Waffe.

„Gib das Ding her, ich schieße Löcher ins Dach!“ Douglas wollte sie Chaco entreißen.

Auch die anderen stürzten sich auf ihn. Chaco warf den Colt deswegen nach draußen.

Ich hob den Revolver auf und schob ihn hinter den Gürtel, bückte mich und schnitt Clay Darion die Fesseln wieder durch.

„Weißt du nicht, was du willst?“ Der Kopfgeldjäger zeigte ein unsicheres Grinsen.

„Du fährst den Wagen. Vom Bock aus.“

„Ich dachte, du kannst alles selbst, Mister.“

„Was du denkst, interessiert mich nicht. Hilf deinem Bruder auf den Bock, Darion. Und bete für ihn, dass er es bis Saquarra schafft. Früher findet er keine Hilfe.“

Darion schien meine Warnung sofort zu begreifen und befolgte die Anweisungen, ohne den Versuch zu unternehmen, mich irgendwie zu übertölpeln. Erhebliche Mühe verursachte es ihm, Hank auf den Bock zu befördern. Er schaute mich sogar zweimal dabei in einer Art an, als erwarte er Hilfe von mir.

Darauf reagierte ich jedoch nicht, saß auf und wartete.

Die Reitpferde standen in der Wagennähe.

„Was ist, willst du sie nicht nehmen?“, knurrte Clay Darion mich an.

„Ich möchte die Hände frei haben.“ Mein Lächeln brachte den Prämienjäger zum Fluchen. „Deshalb solltest du sie hinter dem Wagen anbinden.“

Darion gehorchte wieder. Auf dem Bock sank Hank zusammen.

„Ich will hier raus!“ Culbert begann wieder im Käfig zu toben und steckte auch die anderen an.

Ich war vor allem um Chaco in Sorge, den ich aus seiner Lage nicht befreien konnte.

Inzwischen stieg Clay Darion auf den Bock. „Geht‘s, Hank, oder soll ich dich festbinden?“

„Es geht“, ächzte der jüngere Kopfgeldjäger.

„Die Pocken!“, stieß Clay hervor. „Die kannten wir bisher nur vom Hörensagen.“ Er knallte mit der Peitsche und brachte die Zugpferde damit in Bewegung.

Hank schwankte heftiger.

„He, Mister, mein Bruder stürzt noch ab, wenn er sich nicht richtig festhalten darf!“ Clay Darion zügelte das Gespann wieder und stellte den Fuß auf den Hebel, den die einfache Holzmechanik zu den beiden Bremsklötzen bediente.

Neben dem Bock zügelte ich Fox und schaute zu Hank hinauf. Sein Zustand verschlimmerte sich jetzt offenbar rasant.

„Los, Mann, schneide ihm die Fesseln durch, sonst stürzt er zwischen die Gäule!“ Clay stieß seinen Bruder an. „Halte ihm die Pranken hin, Hank!“

Der jüngere Halunke tat es, und mir blieb keine Wahl, ich musste auch ihn wieder befreien.

Hank hielt sich fest. „Sieh zu, dass wir bald zu dem Doc kommen, Clay. Bevor ich krepiere.“

Ich lenkte Fox zur Seite. Clay Darion trieb zum zweiten Male die Zugpferde an und schlug einen Bogen durch das Dickicht. Als er die eigenen Radrinnen erreichte, schrie er auf die Pferde ein und knallte so lange dicht über ihnen mit der Peitsche, bis sie an Kraft entfalteten, was in ihnen steckte.

Hank hielt sich krampfhaft am seitlichen Geländer des Bockes fest.

Im Käfig stürzte der Falschspieler Douglas zu Boden, rollte über die Bretter und prallte so gegen das Gitter.

„Den hat es auch erwischt!“, brüllte Larry Buck.

Douglas schaffte es auf die Knie, kroch in eine Ecke und setzte sich. Chaco beugte sich zu ihm hinunter.

Ich ritt neben das Gitter und hatte sofort den Eindruck, dass Larry Buck richtig vermutete.

„Weg, Mann, ich will ihn ansehen!“ Culbert stieß Chaco aus dem Weg.

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