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bb) Rechtsverhältnisse bei Fälligkeit – Abwicklungsphase und Subsidiarität des Zugriffs auf die Sicherheit

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(1) Ist der Zeitpunkt der Fälligkeit da, gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich dass der Schuldner die gesicherte Forderung erfüllt oder dass er trotz Fälligkeit und mangels Einrede nicht leistet. Im ersten Fall ist der Sicherungszweck erledigt. Akzessorische gesetzliche (oben Rn. 44) Sicherheiten erlöschen: Die verpfändete bewegliche Sache ist nicht mehr belastet (§ 1252, unten Rn. 594), sodass der vormalige Pfandgläubiger kein Recht zum Besitz mehr hat (§ 986 BGB, unten Rn. 543) und der Vindikation des vormaligen Schuldners ausgesetzt ist; die Fremdhypothek wird zur Eigentümergrundschuld (§ 1163 Abs. 1 Satz 2, unten Rn. 367); der Bürge ist frei. Nichtakzessorische Sicherheiten treten in die Abwicklungsphase ein. Nicht-Akzessorietät heißt gerade, dass die Erfüllung der gesicherten Forderung den Bestand der Sicherheit unmittelbar nicht berührt, sondern aufgrund der kausalen Verknüpfung mit ihr nur mittelbar (oben Rn. 40). Die Mittelbarkeit der Verknüpfung liegt im Sicherungsvertrag. Danach sind diejenigen Rechtshandlungen zu vollziehen, die den vormaligen Schuldner wieder in seine frühere Rechtsstellung versetzen. Die zur Sicherheit übereignete Sache ist auf den vormaligen Schuldner gem. § 929 BGB zurückzuübereignen, die zur Sicherheit abgetretene Forderung gem. § 398 BGB zurückabzutreten, gleichermaßen die Sicherungsgrundschuld gem. § 1154 BGB (unten Rn. 215, 241) oder die zur Sicherheit übertragene Marke nach §§ 27 MarkenG, 413, 398 BGB (Brämer, Die Sicherungsabtretung von Markenrechten, 2005, S. 386); der Garant ist aus der Haftung zu entlassen (Rn. 1695). Der obligatorische Rückgewähranspruch ist Inhalt des Sicherungsvertrags. Dieser Anspruch entsteht nicht erst mit dem Wegfall des Sicherungszwecks, sondern schon mit Bestellung der Sicherheit, jedoch gem. § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingt durch den Zweckwegfall, also die Tilgung der gesicherten Forderung (unten Rn. 241).

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Im Falle der Sicherheitenbestellung für eine Drittschuld, bei der der Dritte nicht Partei des Sicherungsvertrags ist, hat dieser aus dem Sicherungsauftrag im Deckungsverhältnis (vorst. Rn. 66) einen typisierten Anspruch gegen den Kreditnehmer als Schuldner auf Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs gegenüber dem Sicherungsnehmer als Gläubiger und zugleich auf Abtretung dieses Anspruchs auf sich selbst (nachf. Rn. 90 und unten Rn. 201).

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Es gibt praktisch bedeutsame Fälle, in denen der Sicherungszweck, jedenfalls teilweise, noch vor der Fälligkeit der gesicherten Forderung wegfällt, nämlich in bestimmten Fällen von Globalsicherheiten (oben Rn. 21). Erstreckt sich die Rechtsübertragung auch auf erst in der Zukunft entstehende Forderungen oder etwa auf Sachen, die ein zur Sicherheit übereignetes Warenlager auffüllen (revolvierende Globalsicherheiten, im Einzelnen unten Rn. 1202 ff. sowie vorst. Rn. 21), kann sich ergeben, dass sich der Sicherheitenbestand in einer Weise vergrößert, die den Umfang der gesicherten Forderung in erheblicher Weise übersteigt; die Höhe des Sicherheitenbestandes ist vom Sicherungsinteresse des Gläubigers nicht mehr gedeckt. Inhalt des Sicherungsvertrages ist es, denjenigen Teil der Sicherheiten freizugeben, der das Sicherungsinteresse des Gläubigers übersteigt, also vom Sicherungszweck nicht gedeckt ist.

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(2) Erfüllt der Schuldner die gesicherte Forderung bei Fälligkeit nicht, wird das latent gewesene Sicherungsverhältnis virulent. Der Gläubiger kann seine Rechtsstellung als Sicherungsnehmer wahrnehmen, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist. Dessen Voraussetzungen sind mit dem Eintritt des Fälligkeitszeitpunktes allein allerdings noch nicht erfüllt, sodass auch die Ausübungsphase noch nicht beginnt. Das Wesen des Sicherungsverhältnisses liegt in seiner Funktion, Ersatz für die ausgebliebene Leistung des Schuldners zu sein. Deshalb steht es nicht im Belieben des Gläubigers, ob er Leistung vom Schuldner verlangt oder ob er die Sicherheit in Anspruch nimmt. Vielmehr muss feststehen, dass der Schuldner nicht leistet, obwohl er leisten müsste. Deshalb muss sich der Gläubiger vergewissern, dass die vertragsgemäße Leistung des Schuldners ausblieb, um zur Ausübung seines Sicherungsrechtes berechtigt zu sein, oder es muss ein vereinbarter Leistungstermin verstrichen sein. Aus dem Wesen des Sicherungsverhältnisses, in interessengerechter Auslegung, folgt mithin dessen Subsidiarität (streitig: a.A. MünchKomm/Habersack, vor § 765 BGB Rn. 15: Fälligkeit der gesicherten Forderung genüge). Sie ist der bürgschaftsrechtlichen Subsidiarität nach § 771 BGB vorgelagert und unterscheidet sich von dieser durch ihre weit geringeren Anforderungen, indem sie nicht Vollstreckungsversuche beim Hauptschuldner, sondern schlicht die nicht befolgte Aufforderung an den Hauptschuldner resp. das Verstreichen des Termins voraussetzt. Die Subsidiarität bestimmt den Sicherungsfall sogar bei Garantie oder Bürgschaft auf Erstes Anfordern (unten Rn. 1699, 1052). Sie kommt für das Mobiliarpfandrecht durch das Erfordernis der Verkaufsandrohung nach § 1234 BGB (unten Rn. 634), bei den Grundpfandrechten durch die Notwendigkeit, sich einen Vollstreckungstitel zu beschaffen (§ 1147 BGB, unten Rn. 460) und bei der Sicherungsgrundschuld durch das Kündigungserfordernis nach § 1193 BGB, zum Ausdruck. Da die Aufforderung des Gläubigers zur Leistung im Allgemeinen die Voraussetzungen einer Mahnung erfüllt, tritt der Sicherungsfall meist erst bei Verzug nach § 286 BGB ein. Die Subsidiarität der Befriedigung aus der Sicherheit unterscheidet das Sicherungsverhältnis von einer gleichgründigen Gesamtschuld (§ 421 BGB, vorst. Rn. 51 und unten Rn. 1729), kennzeichnet aber gerade auch die Sicherungsgesamtschuld (was Pöggeler, JA 2001, 65, 70 verkennt).

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Die Subsidiarität setzt voraus, dass der Sicherungszweck noch besteht, also nicht durch Erfüllung der gesicherten Forderung weggefallen ist. Die Erfüllung ist gem. § 362 BGB rechtsvernichtende Einwendung, mit der sich der Schuldner gegen den Anspruch des Gläubigers verteidigen kann. Als Folge dieses Grundtatbestands ist auch die Subsidiarität als Einwand des Sicherungsgebers, der gegenüber dem Verwertungsanspruch des Sicherungsnehmers erhoben wird, aufzufassen, nicht jedoch als negative Anspruchsvoraussetzung für die Verwertung (Bülow, ZIP 1999, 985, 986).

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Die Parteien des Sicherungsvertrages können den Sicherungsfall von Umständen abhängig machen, die neben die Fälligkeit treten müssen. So kann beispielsweise die Auslegung ergeben, dass der Interzessionar nur haften soll, solange er Gesellschafter der Schuldnerin oder Ehegatte des Schuldners ist (vgl. unten Rn. 1033); der Sicherungsgeber kann zur Kündigung befugt sein (unten Rn. 218, 1028).

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