Читать книгу Yes, das Leben ist genug ... - Peter Eichner - Страница 22
Ganz oben - ganz unten
ОглавлениеIm Umfeld eines Formel 2-Rennens starteten die FV Piloten um 10:30 Uhr morgens im Rahmenprogramm. Dieses Mal saßen auch einige von Peters Kollegen der BULOVA Deutschland auf der Tribüne. Sein 8. Startplatz in diesem Feld war das Resultat einer couragierten letzten Trainingsrunde. Der Trainingsschnellste hatte ihn in der legendären Ostkurve überholt und so ergab sich für Peter die Gelegenheit, sich in seinem Windschatten bis zum Motodrom-Eingang „ziehen zu lassen“. In einem Riesenfeld mit 34 Startplätzen letztlich unter den Top 10 zu landen, machte Peter ziemlich stolz.
Den Start meisterte er ausgesprochen gut. Als 7. fuhr er in der ersten Runde in das voll besetzte Motodrom, in dem man als Fahrer die Zuschauer zwar nicht sieht, sie dafür aber jubeln und schreien hört. Ein Gefühl als hätte man Flugzeuge im Bauch! Gigantisch!
In die Zielgerade einfahrend sah Peter, wie der 5. sich neben den 4. setzte, um ihn auszubremsen. Der 4. war ein ihm unbekannter Holländer, der im Moment des Einlenkens offenbar nicht bereit war, freiwillig seine Position aufzugeben. Die beiden freistehenden Räder verhakten sich, das eine Fahrzeug stieg auf und überschlug sich über den Überrollbügel.
Peters einzige Chance war, rechts zu bleiben. Als er dann die Curbs berührte – die Randsteine, die auf einer Rennstrecke die Fahrbahn vom Grünstreifen abtrennen – realisierte er schlagartig, dass ein Auto - von vorne kommend - direkt auf ihn zuflog. Dessen Vorderrad wurde zu Peters Sprungschanze – direkt in den Himmel…!
„Steig aus! Komm, du musst hier raus! Schnell!“ Das waren die ersten Worte des Streckenpostens, die er wieder wahrnahm. Nur zu gern wollte er raus! Aber es ging nicht! Sein linker Fuß oder besser gesagt, das Sprunggelenk, war gefangen im Gitterrohrrahmen des Rennwagens. Das Vorderteil abgeknickt im rechten Winkel. Die Aufhängung gebrochen. Erschwerend kam hinzu, dass er praktisch – wie ein Pfeil, der aus dem Himmel kommt – zwischen einer Doppel- Leitplanke „gelandet“ war.
Adrenalin satt! Seltsamerweise fühlte sich Peter geradezu euphorisch, weil er seinen Körper noch fühlen konnte, obwohl er gerade „ungespitzt in den Boden“ gerammt wurde! Mehr und mehr Zuschauer, die aus dem Fahrerlager Zugang hatten, drängten an den Unfallort.
Plötzlich spürte er, dass ihm irgendetwas Feuchtes, vom Rücken über den Po, an den Beinen herunterlief. BENZIN! Der Tank aus Polyester, normalerweise hinter dem Rücken des Fahrers positioniert, war gebrochen und befand sich in Schräglage. 30 Liter Benzin entleerten sich über Pit.
Seine Euphorie war schlagartig wie weggeblasen. Er hatte nur noch Angst, Angst und nochmals Angst! “Holt ein Stemmeisen, schnell!“, rief der Streckenposten. Gleichzeitig versuchte er mit bloßen Händen den Rahmen so aufzubiegen, damit Peter seinen Fuß herausziehen konnte – ohne Erfolg! Die Minuten verrannen wie Stunden. Als Peter sich umschaute und er unter den Gaffern einen Mann sah, der sich gerade eine Zigarette ansteckte, während er benzindurchtränkt im Auto gefangen war, ergriff ihn die völlige Panik!
„Schau dir das an! Dreh dich mal um! Siehst du den Typen da, mit der Zigarette!?“, schrie er dem Streckenposten zu. Dieser nahm sich sofort den Mann vor: “Mach die Zigarette aus, augenblicklich!“ Keine Reaktion! „Mach diese verdammte Zigarette aus – hier fließt Benzin!!“ Keine Regung!
„O.k., dann muss ich das Problem eben auf andere Art lösen!“ Unverzüglich ergriff er den Feuerlöscher, zog den Haltestift und machte im nächsten Moment aus dem Gaffer einen Schneemann – von oben bis unten eingeschäumt, inklusive der Zigarette. Er sah aus wie ein Michelin-Männchen! Da der Löschschaum wohl höllisch in seinen Augen brannte, schrie er nun wie am Spieß.
Dann kam endlich jemand mit einer Brechstange und befreite Peter aus seiner schrecklich gefährlichen Lage. Clever war, dass die beiden Helfer vorher einen Putzlappen um die Eisenstange gewickelt hatten, damit sich keine Funken bilden konnten, die möglicherweise übersprangen. Ansonsten hätte Peter in Flammen aufgehen können!
Der Streckenposten – Konrad Tronser, genannt Konny – und Peter pflegten ab diesem Tag eine dicke Freundschaft, die bis heute besteht.
Nach dem Duschen musste Peter mit ansehen, wie sein Rennwagen, beziehungsweise das, was noch von ihm übriggeblieben war, auf den Anhänger geladen wurde. Grausam wurde ihm klar, dass das jetzt erst mal das Ende seiner Rennfahrerkarriere war. Versicherungen, die einen Unfall bei Rennwagen abdeckten, waren rar und wenn sie dann in seltenen Fällen doch mal abgeschlossen wurden, blieben sie fast unerschwinglich. Aus verständlichen Gründen! O.k., das war also sein persönlicher Saisonabschluss. Kein Auto, kein Geld mehr – aber eine Winterpause.
Wie sagt man doch so schön? Die Zeit eilt, heilt und teilt…!