Читать книгу Yes, das Leben ist genug ... - Peter Eichner - Страница 24
Es gibt noch Wunder
ОглавлениеAm 23. Dezember 1972 bekam Peter einen Anruf von Klaus-Peter Rosorius, Generalsekretär der FV Europa und Motorsport Chef von VW. “Peter, ich bin über die Weihnachtsfeiertage in Oberlech am Arlberg. Hast du Zeit und Lust, dich am 29. Dezember, gegen 11:00 Uhr, mit mir im Hotel Montana zum Mittagessen zu treffen?“ „Ja, sehr gern, Herr Rosorius!“ „Mich verwundert, dass du gar nicht wissen willst, warum wir uns treffen?“ „Warum wir uns treffen, ist für mich nicht wichtig, dass wir uns treffen, ist entscheidend.“ „Schöne Weihnachten, Peter!“ „Gleichfalls, Herr Rosorius und vielen Dank für den Anruf. Ich werde pünktlich sein.“
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Der 29. war ein Freitag. Bereits um 7: 30 Uhr machte sich Peter auf in Richtung Lindau. Es herrschte dicker Verkehr. Viele Silvesterurlauber waren schon unterwegs. Durch den Pfändertunnel erreichte er Vorarlberg und fuhr dann – an Bludenz vorbei – weiter ins Oberland nach Lech und Zürs. In der Nacht zuvor war Schnee gefallen, der noch in einer dicken Schicht auf dem Alpenpass lag. Doch Peter bereiteten die Straßenverhältnisse keine Schwierigkeiten. Der Audi 80 hatte Frontantrieb und Winterreifen mit tiefem Profil waren auch aufgezogen. Eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin erreichte er den Parkplatz in Lech, von dem aus es mit der Seilbahn nach Oberlech hinauf ging.
„Sie suchen das Montana? Jo schauns, da nunter, glei links am Hang!“ Der Liftführer zeigte ihm den Weg. Peters Schuhe waren eher suboptimal für glatte Wege, aber eigentlich hatte er ja auch nicht vor gehabt zu wandern…
„Peter Eichner, Grüß Gott! Schön, dass du gekommen bist.“ Klaus-Peter Rosorius hatte ihn bereits vor dem Hauptportal erwartet. Ein Grand Seigneur erster Sorte: sportlich, schlank, sehr gepflegt und offensichtlich darauf bedacht, stets „eine gute Figur“ zu machen.
Peter hatte ihn im Juli 72 auf der Nordschleife am Nürburgring kennengelernt. Die Scuderia Hanseat, eine Rennfahrerschule aus Hamburg, war dort mit professionellen Instruktoren anwesend, um jungen, ausgewählten Piloten, die noch keinerlei Kenntnisse „in der grünen Hölle“ vorweisen konnten, mit den Geheimnissen der knapp 23 km langen Rennstrecke – bergauf, bergab – vertraut zu machen und ihnen diese Legende eines Kurses näher zu bringen.
Nach drei Tagen gab es eine Abschlussprüfung, die Peter augenscheinlich mit Bravour ablegte, weil er alles berücksichtigte, was er zuvor gelernt hatte. Bei der abendlichen Siegerehrung kommentierte eine Legende des Motorsports – Hans Joachim Stuck Senior – diese Leistung besonders und benotete seine Durchfahrt im Karussell mit einer „1“, also „Weltklasse“! Peter war mächtig stolz!
Mehr als erstaunt war er, als am Abend am Formel VAU-Tisch plötzlich Elke Sommer auftauchte. Die deutsche Schauspielerin, die gerade begann, in Hollywood Karriere zu machen, benötigte für einige Szenen in ihrer nächsten Rolle Unterstützung beim extremen Autofahren. Diese holte sie sich – begleitet von einigen anderen Promis – bei jenem Event auf dem Nürburgring. Während des Tages hatte man scheinbar schon viel Spaß auf der Rennstrecke gehabt und den Erfolg bereits mit ausreichend Champagner begossen. Jedenfalls versprühten alle eine Menge guter Laune, die sofort auf die Rennkollegen übersprang. Überschwänglich baten sie Elke, doch bei ihnen am Tisch Platz zu nehmen. Das war leichter gesagt als getan – denn es gab keinen Stuhl mehr! Als Peter gerade aufstehen wollte, um ihr einen zu besorgen, schob sie ihn mit einem Lachen auf seinen Stuhl zurück: “Bleib‘ sitzen, Rennfahrer!“ – und schon saß sie auf seinem Schoss.
Dann bewunderte sie den Pokal, der mitten auf dem Tisch stand. „Ein schöner Humpen ist das! Kann man daraus auch trinken?“ Während alle am Tisch johlten, füllte ihn jemand spontan mit Sekt. Dann wurde er rundum gereicht und jeder nahm einen kräftigen Schluck. Die Stimmung war sensationell! Nach einer Viertelstunde verabschiedete sich Elke Sommer mit den Worten: „Seht ihr – immer nur die Sieger werden geküsst! So geht’s im Leben! Nie vergessen, meine Herren!“ Und schon bekam Peter von ihr einen dicken Kuss auf den Mund gedrückt. Er erinnerte sich, dass er sich mindestens drei Tage danach nicht das Gesicht gewaschen hatte.
***
Klaus-Peter Rosorius führte Peter ins Hotelrestaurant, in dem er in einer ruhigen Ecke einen Tisch reserviert hatte. Dort saß bereits ein einzelner Herr. “Ich darf dir Herrn Reinhard Rohde vorstellen, der sich im nächsten Jahr ganz speziell um die FV1300 – also um den Nachwuchs – kümmern wird.“ „Freue mich, sie kennenzulernen, Herr Rohde!“ Schon nach wenigen Minuten spürte Peter, dass die Chemie unter den Männern absolut stimmte. Es gab viel zu erzählen und besonders die beiden Älteren wirkten ziemlich entspannt. Peter hingegen, fühlte eher das Gegenteil. In Wahrheit war er unendlich angespannt! Aber irgendetwas in ihm warnte ihn ständig: Nicht fragen! Auf keinen Fall! Die werden schon die Katze irgendwann aus dem Sack lassen. Und so kam es dann auch.
Schließlich machte Rosorius den Sack auf: „Peter, du hast ja in deiner ersten Saison ziemlich viel Pech gehabt. Auf der anderen Seite hast du bewiesen, dass du, wenn dich das Pech nicht gerade davon abhielt, sehr gute Ergebnisse bringen kannst. Kurz und gut, deshalb wollen wir dich in der nächsten Saison unterstützen! Du bekommst ein Auto durch die VW Motorsport gestellt, das nach deinen Massen gebaut wird.“ Rohde ergänzte: „Außerdem sponsern wir dich mit Reifen, Ersatzteilen, Öl, Benzin und bei den Transporten des Rennautos sowie den Nenngebühren. Lediglich für deine privaten Kosten, wie Übernachtung, Verpflegung und zum Beispiel die Fährkosten zu den Rennen in Skandinavien, musst du selbst aufkommen. Damit du aber nicht zu übermütig wirst, musst du dich auch an Totalschäden mit 50% beteiligen.“
Völlig erstaunt sah Peter die beiden an. „Sag mal, freust du dich gar nicht?“ „Na, und wie! Aber momentan bin ich einfach völlig sprachlos! Das klingt ja alles wie ein Märchen! Wie ein modernes Märchen!“ Rosorius legte seine Hand auf Peters Arm und sah ihn eindringlich an: „Du weißt aber schon, dass das auch eine große Verpflichtung für dich ist. Wir beide haben uns für dich in Wolfsburg weit aus dem Fenster gelehnt. Enttäusche uns also nicht! Setz‘ dich gleich im Neuen Jahr mit dem Fuchs Rennwagenbau, in Rutesheim bei Stuttgart, in Verbindung. Die sind dort voll informiert und warten auf deinen Anruf.“
„Jetzt gibt es noch etwas Gutes zum Essen und dann kannst du nach Hause fahren und am besten gleich morgen mit deinem Fitnesstraining beginnen. Mens sana in corpore sano – du weißt schon – ein gesunder Geist möge in einem gesunden Körper wohnen!“
Doch vor der Fitness musste erstmal in zwei Tagen richtig Silvester gefeiert werden, beschloss Peter. Frei nach dem Motto: “Mens sana in corpore Campari“…