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Nicht Rasen – Wiese lautet die Devise

Streitgespräch zwischen einem Wirtschaftsredakteur und einem Grashalm im Beisein seiner Kumpels, den anderen Grashalmen.

Wirtschaftsredakteur: Wieso habt ihr euch angewöhnt, kaum dass man euch niedergetrampelt hat, euch unmittelbar danach wieder aufzurichten?

Grashalm: Wie überraschend, eine feuilletonistische Frage von einem Ökonomen?! Aber gut. Nun, es liegt uns im Saft, Demütigungen als Herausforderung anzunehmen. Das ständige Plattgetrampeltwerden hat uns über die Jahrtausende nur noch stärker gemacht. Inzwischen sind wir so vital, dass wir unkaputtbar geworden sind.

Wirtschaftsredakteur: Euch wäre also nur noch mit Glyphosat beizukommen?

Grashalm: Entweder ist dies eine zynische Frage, in der die ganze verhängnisvolle Schizophrenie des Menschengeschlechts zum Ausdruck kommt, oder ihr habt bestenfalls keine Ahnung, wovon ihr sprecht.

Wirtschaftsredakteur: Entschuldigung, war nicht so gemeint.

Grashalm: Die Arroganz des Menschengeschlechts, seine Macht nicht einmal mit denen teilen zu wollen, von denen es über die Maßen profitiert, wird einmal sein Untergang sein.

Wirtschaftsredakteur: Diese Ansicht, um nicht zu sagen Machtanmaßung, scheint mir etwas hochstaplerisch.

Grashalm: Die Macht der vereinigten Gräser besteht darin, dass wir sogar die Vierbeiner zur Kreislaufwirtschaft zwingen, indem sie uns ihren Dung als Dünger spenden müssen. Die Zweibeiner wiederum dürfen sich dabei einbilden, Butter, Käse, Sahne etc. verdanke sich ihrer genialen Fähigkeit zur Domestizierung der Natur. In Wirklichkeit haben sie alles uns zu verdanken, dem Gras. Ohne uns wäre unter der Käseglocke nur Luft. Aller guten Dinge Mutter ist das Futter. Wiese lautet die Devise, wie schon Günter Gras gesagt hat.

Wirtschaftsredakteur: Flotter Spruch immerhin. Aber bedenkt, eure angebliche Macht würde sehr bald dahinschmelzen, wenn es dem Menschen einfiele, auf vegetarische Ernährung umzustellen und seine Schlachtviehherden abzuschaffen, dann würde nämlich sofort der Wald alle Grasflächen überwuchern und vernichten.

Grashalm: Das sehen wir als Gräser ganz entspannt, da wir Eure Politische Ökonomie besser begriffen haben als ihr selber. Die Zwangslogik eurer kapitalistischen Kostendumpinggesellschaft besagt nämlich, dass ihr bei schrumpfender Haltung von Nutztieren die frei werdenden Flächen großenteils nicht bestellen werdet, da kostspielig und unrentabel. Unrentabel, weil der erhöhte Industrieexport den zunehmenden billigen Agrarimport nach sich zieht, sozusagen merkantilistisch erzwingt. Stichwort Mercosur-Abkommen. Eure Landwirtschaft wird also schrumpfen, übrigens ebenso wie eure Gehirnkapazität, aber das nur nebenbei. Unrentable Brachflächen aber führen zur explosiven Ausdehnung der Wildtierpopulationen, die die nachwachsenden Jungbäume massenhaft wegfressen. Das Gras hat also eine glänzende Perspektive, die Überwaldung in Schach zu halten.

Und eins lassen Sie sich gesagt sein, als Gräserkollektiv mit einer Unzahl miteinander kommunizierender Grashalmindividuen durchschauen wir bereits jetzt, was die neoliberale Wirtschaftslenkung mit der Wiedereinführung des Wolfes eigentlich bezweckt. Jedenfalls ist es nicht die plötzlich wiederentdeckte sentimentale Liebe zum Wildtier, wie man es gern glauben machen möchte. Es ist schlicht die strategische Vorbereitung auf die zunehmende Verbrachung ehemaliger Agrarflächen. Man benötigt das Raubtier dringend zum Zweck der Eindämmung von Rotwild, Wildschwein und Co., denen der Mensch allein nicht mehr Herr wird, jedenfalls nicht kostengünstig.

Wirtschaftsredakteur: Wo bin ich hier? Man glaubt’s ja nicht, eine machtgeile IQ-gesättigte Streuobstwiese. Ich brauche jetzt dringend einen doppelten……….

Grashalm: - Wildgräsercocktail !

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