Читать книгу Kurz angebunden - Peter Franz Schmitt - Страница 16

Оглавление

Aus der Reihe „Bettgeschichten“

Das Marmorbett

Es war einmal ein armes unansehnliches Mädchen, das davon träumte, eine wohlgekleidete von allen bewunderte Prinzessin zu sein und in einem Bett aus weißem Marmor zu schlafen. Als eines Tages ein böser Waldgeist davon Wind bekam, verhängte er einen Bann über sie, und prompt erwachte das Mädchen und fand sich angetan in edler Robe als Prinzessin in einem Bett aus edelstem Marmor, worin sie fortan schlafen musste. Zur Freude bestand allerdings kein Anlass, gab es doch außer hartem Gestein weder eine Matratze noch sonst eine weiche Unterlage, auf der man gut ruhen konnte. Alle schiere Verzweiflung half nichts, und es gab kein Entrinnen. So kam es, dass wegen der harten Liegestatt auch die Seele der Prinzessin allmählich versteinerte.

Die Zeit verging, und eines schönen Frühlingstages kamen zwei bunte Falter des Weges daher geflogen. Sie waren schon müde und setzten auf dem Marmorbett zur Landung an, um eine Weile zu verschnaufen. Bei ihrem Anflug hatten sie allerdings nicht mit der erbarmungslosen Härte des Marmors gerechnet und prallten unversehens hart auf, wobei sie sich einige Beine brachen und ihre Flügel ramponierten.

Ob des schlimmen Malheurs war die Heiterkeit der Falter augenblicklich verflogen, und beide fingen herzergreifend zu weinen an. Ihr Weinen war so eindringlich und bewegend, dass die Prinzessin mit der versteinerten Seele nach einer Weile aus ihrer Erstarrung erwachte und so tief ergriffen ward, dass sie anfing mitzuweinen. Und kaum, dass sie sich dessen inne wurde, dass sie noch nie für die Leiden anderer ein so starkes Mitgefühl empfunden hatte, geschah etwas Unerwartetes. Die vergossenen Tränen setzten dem harten Marmorbett so zu, dass es sich augenblicklich in ein ausladendes weiches Moospolster von höchstem Liegekomfort verwandelte, was nur echte Tränen zu bewirken vermochten. Vor lauter Erstaunen verschlug es der Prinzessin die Sprache, und sie war auch nicht enttäuscht, als sie bemerkte, dass ihr Gewand nicht mehr das einer Prinzessin sondern das eines einfachen Mädchens war. An Klugheit gewonnen, wusste sie im selben Moment, dass dem Stoff, aus dem die Träume sind, nicht immer recht zu trauen ist, und die Versuchung, sich diesen hemmungslos hinzugeben, daher mit Vorsicht zu genießen sei. - Genau so trug es sich zu und ist bezeugt aus alter Überlieferung.

Kurz angebunden

Подняться наверх