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KARRIERE IM DREIGESTIRN – ADENAUER, KLEMPERER, ABENDROTH

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»Sie studieren in Köln? Herzlichen Glückwunsch … Sie sind nun in der ›nördlichsten Stadt Italiens‹, in ›Köllefornia‹ und in der ›Kulturhauptstadt der Herzen‹, die ihren Bewohnern die ganze Welt ist. Sie hätten Lust auf … Wir bieten Ihnen …« - Ein aktueller Reklametext der heutigen Städtischen Bühnen, der junge Leute ins Schauspiel locken möchte. Nicht ungeschickt, indem man mit leichtem Wink an genüsslich-ferne römische Zeiten erinnert und zugleich Werbung für vermeintlich Archetypisches am Rhein betreibt. Wer könnte wohl damit rheinauf rheinab Schritt halten: weder die niedliche Behaglichkeit Bonns noch die mondäne Gespreiztheit Düsseldorfs.

Mit der offenkundig so eingefleischten Lustigkeit war es zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Köln allerdings schnell vorbei, als die hastigen Abgänge ausländischer Studenten in ihre Heimatorte und Einberufungen einheimischer junger Leute zum Militär die Klassen des Konservatoriums schlagartig leerfegten. Mit 824 eingeschriebenen Studierenden und stolzen 58 hauptamtlichen Lehrkräften hatte das Institut im Kriegssommer 1914 seine erste Hochblüte verzeichnet. Nun jedoch geriet es über Nacht in seine erste schwere existenzielle Krise, die noch über das Kriegsende hinaus andauern sollte.

Hermann Abendroth, der 1915 nach Köln kam, hat den drohenden Verfall jedoch abwenden können. Zwanzig Jahre lang steuerte der 1883 in Frankfurt am Main geborene und über München, Lübeck und Essen an den Rhein gelangte Dirigent auch die Geschicke des Gürzenich-Orchesters. Mit jugendlichem Drive brachte er frischen Wind in das bislang konservative Konzertprogramm, indem er ihm, von progressiven Besuchern unterstützt, gegen alle kritischen Einwände auch zeitgenössische Musik hinzufügte. Außerdem führte er »Volkssinfoniekonzerte« ein, die – ab 1923 in den Deutzer Messehallen – einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich waren. Mit Instinkt und Mut begabt berief er 1917 den 32-jährigen Otto Klemperer an die Oper, die erst 1904 und somit spät in städtische Verwaltung und Trägerschaft übergegangen war. Klemperer an Statur und Willenskraft beeindruckender als Abendroth, stellte in den hauseigenen Konzerten mit Vorliebe die Werke der musikalischen Avantgarde zur Diskussion und verschaffte der Kölner Oper mit einer Fülle hochkarätiger Einstudierungen international höchstes Ansehen. Sieben Jahre lang blieb er in Köln, wohin er nach dem Zweiten Weltkrieg oft zu Konzerten mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester zurückkehrte. In der Stadt am Rhein ist er unvergessen.

Als Abendroth und Klemperer ihr Miteinander in Oper und Konzert nicht mehr ganz so harmonisch wie anfangs betrieben, soll sich infolge einer neu zu besetzenden Stelle im Gürzenich-Orchester sogar Kölns Oberbürgermeister als Schlichter ins Zeug geworfen haben, um von der Stadt »Schaden abzuwenden«: Konrad Adenauer, ein Kölner echten Geblüts, dessen Witz und Verschlagenheit schon so manchem auf die Sprünge geholfen hatte. Auch später als Bundeskanzler, das wusste man auch im Ausland, galt er als »schlauer Fuchs«.

Abendroth wollte den Neuzugang unbedingt mit einer Flöte, Klemperer hingegen mit einem Violoncello besetzen. Da die beiden Herren die Sache untereinander nicht bereinigen konnten, wurden sie ins Rathaus einbestellt. Adenauer fasste sich kurz. Nach der Begrüßung wandte er sich gleich in geläufiger Kölner Diktion mit der Frage an Klemperer: »Was haben Sie eigentlich gegen die Flöte von Herrn Abendroth?« So direkt angesprochen verschlug es dem ziemlich verdutzten Klemperer gleich die Sprache. Davon aber noch nicht ganz erholt fuhr Adenauer ebenso spitzbübisch wie leutselig fort: »Herr Klemperer, wir geben Herrn Abendroth die Flöte und Sie verzichten auf das Cello.« Dann reichte er dem strahlenden Sieger die Hand. Man erhob sich zum Weggehen. Die Türklinke bereits in der Hand rief Adenauer den Scheidenden nach: »Herr Klemperer, bleiben Sie doch noch einen Moment.« Abendroth hatte kaum den Raum verlassen, als er dem über so viel Dreistigkeit immer noch maßlos empörten Klemperer die im Dreiergespräch mit List unterdrückte Neuigkeit eröffnete und, jeder Zoll ein OB, augenzwinkernd sagte: »Herr Klemperer, es ist mir eine ganz große Freude, Ihnen mitzuteilen, dass der Rat Sie in seiner letzten Kultursitzung einstimmig zum Generalmusikdirektor ernannt hat. Herzlichen Glückwunsch!« – Otto Klemperer leitete von 1917 bis 1924 die Oper der Stadt Köln, ab 1921 mit dem Titel eines städtischen Generalmusikdirektors. Hermann Abendroth hatte die Stadt schon 1918 zum Generalmusikdirektor ernannt. Nun hatte sie zwei.

Als Direktor des Konservatoriums setzte Hermann Abendroth die mühsame Aufbauarbeit seines Vorgängers Fritz Steinbach mit Energie und Klugheit fort, schuf in eigener Leitung eine Orchesterschule und Dirigentenklasse, für Philipp Jarnach eine Meisterklasse für Komposition und engagierte namhafte neue Dozenten wie den Cellisten Emanuel Feuermann, den Pianisten Eduard Erdmann, den Reger-Schüler Hermann Unger und einige andere. Was Wunder, dass bald nach Kriegsende die Schülerzahl flugs auf weit über eintausend anstieg.

Infolge der rasanten Geldentwertung wurde die finanzielle Lage indessen zunehmend problematisch. Schulgeld, Gehälter und städtische Zuschüsse wurden knapper, bis schließlich das Inflationsjahr 1923 die Finanzierungsgrundlage des Konservatoriums völlig zerstörte. Aus privaten Stiftungen kam nicht mehr viel, von der preußischen Regierung, die kulturpolitisch zuständig war, gar nichts mehr in die Kassen. Das hätte das Ende bedeuten können.

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