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MÄNNER AM WERK – DIE GRÜNDUNG DER MUSIKHOCHSCHULE

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Wohl jede Stadt hat ihre Originale und Menschen mit besonderem Charakter, die das oft so einförmige zivile Zusammenleben mit Humor und Ideen auffrischen und bereichern. Sie hinterlassen zwar in ihrem eigenen Wirkungsbereich nachhaltige Spuren, doch werden sie im alltäglichen Erscheinungsbild oft ziemlich unterschätzt. Auch im eher lässigen, phlegmatischen und nicht unbedingt auf Zuverlässigkeit erpichten Kölner Menschengefüge lassen sich dabei einschlägige Erfahrungen sammeln.

Wer noch das friedlich-sanfte Timbre von Kardinal Frings, Konrad Adenauer, Max Ernst oder Heinrich Böll akustisch in Erinnerung hat, weiß, wie sehr man durch deren moderates, nahezu falsettierendes Organ leicht der argen Täuschung unterliegen konnte, als träfe man in ihnen vorwiegend auf weiche Naturen, die in Umgang und Geschäft nur Milde walten ließen, kraftlos und unentschlossen seien. So betrachtet wäre Konrad Adenauer wohl eher als Leichtgewicht wahrzunehmen gewesen, obwohl die mit ihm verknüpften Fakten solche Eindrücke widerlegen. Seine stählerne Willenskraft und Beharrlichkeit hat bisweilen Freunde wie Gegner schockiert. Wie ungemein hartnäckig Adenauer durchzusetzen verstand, was ihm nicht bloß opportun, sondern aus zwingenden Gründen unerlässlich schien, belegen unzählige Beispiele. In seiner Funktion als erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hätte kein anderer Politiker so gravierende Entscheidungen über die parlamentarischen Hürden gebracht wie etwa die Wahl Bonns – gegen Frankfurt – zur Bundeshauptstadt, die Verhandlungen zur Rückführung deutscher Kriegsgefangener im Moskauer Kreml und nicht zuletzt die Versöhnung mit Frankreich.

Einen Mangel an Durchsetzungsvermögen in Theorie und Praxis wird man auch Max Ernst im revolutionären Umbruch der Bildenden Kunst nicht unterstellen können – oder Kardinal Frings mit dem spektakulären Nachkriegs-Aufruf zum Kohlenklau von anhaltenden Eisenbahnzügen, was man »fringsen« nannte; bemerkenswert war auch sein zorniges, indes folgenreiches Auftreten beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Gleiches gilt für den sich permanent gütig und bescheiden gebenden, in der Tagespolitik allerdings oft temperamentvoll-engagierten Schriftsteller Heinrich Böll, der in erregten Diskussionen und spektakulären Aktionen stets als entschiedener Gegner der Politik Adenauers auftrat.

Als Kölner Oberbürgermeister hatte er wohl auch nach Bölls Meinung hohe Meriten gehabt. Als es im Jahre 1925 darum ging, einen Standort für die zweite preußische Hochschule für Musik zu finden, erkannte Konrad Adenauer, der zwar Musik liebte, dem aber wohl niemand ein spezielles musikalisches Talent attestieren dürfte, die Chance für Köln. Schon damals ließ er die Stadt Frankfurt am Main, die mit dem Hoch’schen Konservatorium ideale Voraussetzungen dafür geboten hätte, mit ihrer sachlich bekräftigten Bewerbung kaltblütig abblitzen. Köln allerdings beschert jenes eigenmächtige Durchboxen bis heute Renommee und Gewinn. Neben den Konservatorien, die zwischenzeitlich in Leipzig, München, Wien, Paris, Moskau oder St. Petersburg entstanden waren, ragte das Kölner Institut künstlerisch stark hervor.

Walter Braunfels, den man Abendroth als Ko-Direktor zur Seite gestellt hatte, hat 1931 das grundlegend Innovative der Kölner Hochschule dargelegt: »Allen ist noch heute oder war bis vor kurzem eine einseitige Ausbildung der Schüler zum ausübenden Musiker eigen. Eine Ausbildung der Studierenden zum universellen Künstler, insbesondere aber auch zu vielseitig fundierten musikalischen Pädagogen haben sie nicht geben wollen.« Das alte Prinzip, schrieb er weiter, habe trotz unbestrittener Vorzüge vor allem seit dem späten 19. Jahrhundert zunehmend Mängel aufgewiesen und vorwiegend den rein virtuosen Musiker als Zielvorstellung gehabt, bei dem die Ausbildung im Hauptfach dominiert hätte. Ein damals allgemein zu beklagender Zustand an Musikschulen. Es fing an zu rumoren; denn nicht nur der echte oder vermeintliche »Star«, vielmehr die elementare Erziehung sollte künftig im Mittelpunkt der Ausbildung stehen. »Zwei Momente«, so Walter Braunfels, »kennzeichnen das Arbeiten in der Hochschule: Erstens die Erziehung einer Auslese des künstlerischen Nachwuchses zu allgemein gebildeten Musikern; zweitens die Erziehung der wissenschaftlich fundierten Schulmusikpädagogen (und Privatmusiklehrer) zu geistig vollwertigen und technisch fortgeschrittenen Künstlern.« Damit war im Grunde das Musikausbildungswesen insgesamt herausgefordert. Gegen alle Widerstände musste hierzulande seine Reform durchgesetzt werden. Und der Ort, an dem das optimal gelingen sollte, hieß dank Konrad Adenauer Köln.

In seinen 1961 erschienenen Buch Bewegte Zeiten erinnerte sich Leo Kestenberg, der als Pianist und Musikpädagoge mit vielseitiger Bildung aus der Schule Busonis hervorgegangen und 1933 wegen schärfster Anfeindungen durch die Nationalsozialisten nach Palästina emigriert war, an diese stürmische Phase, die er als Ministerialrat im preußischen Kultusministerium begleitet hatte, mit besonderer Wertschätzung: »Besonders die Staatlichen Hochschulen in Berlin und Köln – mit Hilfe des damaligen Oberbürgermeisters Adenauer war es mir gelungen, auch die letztere in diesen Rang zu erheben – exzellierten als international anerkannte musikpädagogische Institute durch Qualität der einzelnen Lehrer und durch das hohe Niveau ihrer Gesamtleistungen.«

In einer späteren Stellungnahme hat Walter Braunfels die Beweggründe dokumentiert, warum er solche Chancen eher in Köln als in München realisieren konnte. Er hob hervor, dass unter den Privatkonservatorien Deutschlands Köln neben Leipzig immer obenan stand: »Es gab hier eine starke, durch ein kunstsinniges Bürgertum getragene Tradition, auf der aufzubauen war; es war ferner ein Orchester vorhanden, dem im Westen kein anderes gleich stand; es war in der Person meines Freundes Hermann Abendroth ein Leiter am Werk, mit dem harmonisch zusammenzuarbeiten ich sicher sein konnte; … es war endlich ein großes urmusikalisches Umland vorhanden, im Radius etwa von Aachen und Dortmund begrenzt, das zwei sich im Wesen aufs Glücklichste ergänzende Volksstämme umfasst: den sinnesfroheren Rheinfranken und den meist tiefer veranlagten, herberen willensstarken Westfalen.«

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