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MUSIK AUS DEM LAUTSPRECHER – DIE WESTDEUTSCHE RUNDFUNK AG
ОглавлениеDie Bedeutung des Rundfunks für die Musik und ihre Entstehung bei Produktion und Ausstrahlung ist unermesslich. Und die Behauptung scheint nicht übertrieben, dass der Rundfunk unsere Welt neu geprägt hat. In allen Ländern steht Musik quantitativ an erster Stelle der Sendeprogramme. Nicht mehr unbedingt qualitativ. Aber noch nie zuvor hat es ein Angebot solcher Art gegeben, Musik zu hören und zu genießen. Alltag, Wochenende und Feiertag des modernen Menschen werden überall und rund um die Uhr von gesendeter Musik begleitet. Seit der Einführung der Ultrakurzwelle (UKW) steht sie in vielen parallelen Programmen allenthalben zur Verfügung, für jeden Geschmack und Bedarf, für jede Stimmung und Begebenheit. Sie wird live übertragen aus den Funkanstalten selbst, aus Kirchen, Opernhäusern, Konzert- und Tanzsälen, von fernen Kontinenten und Ländern: in Städte und Dörfer, in Schule und Akademie, in Heim und Garten – und in Autos.
Insbesondere öffnet der Rundfunk auch den Blick für die musikalischen Leistungen anderer Völker, für die »Musica viva«, für verschollene oder vernachlässigte wie die Haus-, Volks- und Unterhaltungsmusik. Tönende Information weit und breit, die auch im Kölner Umfeld mühsam und in langer technischer Entwicklungsarbeit und Logistik ihren Weg nehmen konnte. Denn erst nachdem die reparationsgeschwächte Rheinprovinz in den 1920er Jahren befreit worden war, ließ sich auch der Plan, die Westdeutsche Rundfunk AG (WERAG) von Münster an den Rhein zu verlegen, verwirklichen. Allerdings war der Standort, um den sich die Oberbürgermeister von Köln (Konrad Adenauer) und Düsseldorf (Robert Lehr) in die Haare gerieten, nicht unstrittig. Beide ließen es an mancherlei Offerten, an politischen und finanziellen Zugeständnissen nicht fehlen.
Die Entscheidung fiel am 19. Oktober 1926 im Reichspostministerium: Sitz der WERAG wurde mit Wirkung vom 1. November 1926 Köln. Die Würfel für das Medienzeitalter waren damit zugunsten der Römerstadt gefallen. Schon am 15. Januar 1927 ging die Westdeutsche Rundfunk AG auf dem noch recht schwachen Mittelwellensender in Langenberg mit ihrem Programm über den Äther. Auf Vorschlag Adenauers wurde der frühere Theaterintendant Ernst Hardt künstlerischer Direktor.
Auch in der Startphase hatte es schon Außenstudios gegeben: Münster, Düsseldorf, Dortmund und Wuppertal, die aber bald wieder geschlossen werden mussten. Als umso effizienter erwies sich die Kölner Zentrale: Bereits im Gründungsjahr hatte Ernst Hardt ein hauseigenes Opernensemble sowie das Große Orchester des Westdeutschen Rundfunks ins Leben gerufen, dessen Chefdirigent Wilhelm Buschkötter wurde. Unter seiner Leitung gelangten zwischen 1926 und 1936 mehr als 1.500 Werke (Sinfonie, Konzert, Oper und Operette) zur (Live-)Aufführung. Als Gegengewicht zum Gürzenich besaß die Stadt damit ein zweites Orchester mit einem konträren Programmangebot, was allerdings die Konkurrenz nicht hinzunehmen bereit war. Als Buschkötter in der Spielzeit 1927 / 28 erstmals sechs öffentliche Sinfoniekonzerte im Gürzenich veranstaltete, gab es ernsthafte Konsequenzen. Ab 1940 wurden die Aktivitäten des WERAG-Orchesters ohnehin auf hausinterne Auftritte begrenzt, was die anderen Vermittler- und Förderfunktionen jedoch nicht beeinträchtigen konnte. Im Gegenteil: Der Sender war vor Ort und gestaltete das Musikleben aktiv mit. Er arbeitete eng mit Vereinen und Institutionen zusammen, veranstaltete Konzerte mit der Hochschule und der Gesellschaft für Neue Musik und setzte sich maßgeblich für die Verbreitung des Repertoires der Alten Musik ein.
Am 28. April 1930 übertrug die WERAG in der Zeit von 20.50 bis 22.00 Uhr erstmals eine Aufführung mit kleinem Orchester im Rahmen einer live-Reportage aus dem Kölner Dom. Angeschlossen waren der Deutschlandsender Königs Wusterhausen, der Deutsche Kurzwellensender, die Sender des ostpreußischen Ostmarken-Rundfunks, ferner der Südwestdeutsche und der Süddeutsche Rundfunk. Ein hohes Risiko entstand durch den überlangen Nachhall in der Kathedrale und die damals verfügbare Mikrofontechnik. Die Sakristei war mit einer Unzahl von Batterien und Leitungen zur Sendezentrale umfunktioniert, die Mikrofonsignale mussten durch Röhren verstärkt den Hörern »das Wesen des Kölner Doms« nahe bringen. »Wir hören den Kölner Dom« überschrieb die Kölnische Volkszeitung am folgenden Tag ihren Bericht über diese in der Tat legendäre Sendung.
Ernst Hardt wurde 1933 von den neuen Machthabern entlassen. 50 Mitarbeiter gingen mit ihm. Ein Jahr später erfolgte die im Haus befürchtete vom Reichpropagandaministerium verfügte Gleichschaltung, die Umwandlung der WERAG in den »Reichssender Köln der Reichs-Rundfunk GmbH Berlin«. Er hat im Jahre 1937 bei einer Hörerzahl von 1,4 Millionen insgesamt 5.683 Stunden Programme produziert, 65 Prozent entfielen auf musikalische Darbietungen, 13 Prozent auf Literatur- und Vortragssendungen, nur acht Prozent auf Nachrichten und Zeitfunk.