Читать книгу Flusenflug - Peter Maria Löw - Страница 15
Das 7. Abenteuer Umweltschutz macht nicht immer reich
ОглавлениеDie Halle in Selmsdorf war noch nicht ganz fertiggestellt, da suchte mich im Jahr 1996 auf der Baustelle eine etwas wirre und fahrige Person auf. Wie sich herausstellte, handelte es sich um den genialen Erfinder Jörn Müller36, so jedenfalls stellte er sich selber vor, und der wollte uns seine einmalige Erfindung vorführen, die bereits in Bad Schwartau in Erprobung sei. Mir war ohnehin ein bisschen langweilig und so hörte ich mir seine Geschichte an. Aufgrund der Bundesgesetzgebung im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes waren alle Haushalte aufgerufen, in ihrem Bereich eine Mülltrennung durchzuführen. Als Ergebnis dieses Prozesses sollte der Müll in sogenannte Wertstoffe aufgespalten und nur der letzte verbleibende Teil als Restmüll entsorgt werden.
Unser Erfinder hatte nun festgestellt, dass die Entsorgung bei Privathaushalten schon recht gut funktionierte, jedoch bei der öffentlichen Hand, das heißt auf Bahnhöfen, Flughäfen, Bushaltestellen oder in Fußgängerzonen, gar nicht erst erfolgte. Daraufhin hatte er ein eigenes Mülltrennungssystem entwickelt, das im Wesentlichen auf verschiedenfarbigen Wertstoffsammelbehältern beruhte, die ganz einfach an einem Mast befestigt werden konnten. Seine Logik dahinter war ganz simpel. Da für den Restmüll eine hohe Entsorgungsquote und somit hohe Kosten entstanden, für die getrennten Wertstoffe jedoch sogar Erlöse erzielt werden konnten, wäre es nicht nur aus Erwägungen des Umweltschutzes, sondern schon aus rein finanziellen Gründen für die Gemeinden sehr lukrativ, die öffentliche Mülltrennung durch den Bürger vornehmen zu lassen. Die ersparten Entsorgungskosten würden die Anschaffungskosten seines Systems bereits in zwei Jahren amortisieren. Da er aber, wie das für gute Erfinder üblich ist, keinerlei finanzielle Mittel besäße, bräuchte er eine gewisse Anschubfinanzierung in der Größenordnung von DM 50 000 bis DM 100 000, um weitere Systeme produzieren lassen zu können. Die Werkzeuge wären ja schon vorhanden und er stünde in vielversprechenden Verhandlungen mit mehreren Kommunen.
Ich selbst fand die Idee durchaus nachvollziehbar und beschloss, mit ihm zusammen die Stadtverwaltung der Hansestadt Lübeck zu besuchen, um dort herauszufinden, inwieweit überhaupt ein Interesse an einem solchen System bestünde. Der Umweltreferent, dem wir vorgestellt wurden, war vollauf begeistert, träumte schon davon, wie sich so die gesamte Stadt mülltechnisch trennen ließe und damit den Bemühungen um eine gesunde Umwelt auch optisch Vorschub geleistet werden könne. Im Geiste bestellte er schon mehrere Hundert Systeme, »er müsse nur noch die routinemäßige Absprache mit den anderen Ressorts abwarten«. Daraufhin beschlossen wir, den Erfinder zu unterstützen. Wir gründeten als Erstes die Green-TEK AG. Er brachte seine Patente und alle seine bisher produzierten Gerätschaften ein, wir statteten die Gesellschaft mit DM 100 000 aus und einigten uns auf eine Verteilung von 40 Prozent für den Erfinder und 60 Prozent für die Certina AG, unserer neuen Holding, an der Martin und ich jeweils hälftig beteiligt waren und mit der wir noch zahlreiche Unternehmen kaufen sollten.
Tatsächlich erwies sich aber die Vermarktung der Trennsysteme als nicht so einfach, wie wir es uns vorgestellt hatten. In mehreren Städten waren zwar die Kultur- und Umweltreferenten von der Erfindung begeistert und versprachen in den höchsten Tönen, zahlreiche Systeme abnehmen zu wollen, im Abgleich mit den anderen Ressorts und den Bürgermeistern stellte sich die Sachlage dann aber ganz anders dar. Die Leiter der Müllabfuhren erhoben Bedenken dahingehend, dass sich die Leerungszeiten durch das Trennsystem verlängern könnten. Außerdem seien die Müllfahrzeuge nicht auf Trennung ausgelegt. Der Denkmalschutz machte ästhetische Bedenken geltend. Die Mülltrennsysteme würden sich aufgrund ihrer optischen Farbgebung nicht vollständig in den Gesamtplan für das Stadtbild einfügen. Die Finanzkämmerer befürchteten, dass trotz der leeren öffentlichen Kassen Investitionen auf die Stadt zukämen, insbesondere wenn z. B. Rowdys die Müllsysteme beschädigten. Und so zögerten sich die Entscheidungen der Städte immer weiter hinaus. In Celle und in Gauting wurden noch ein paar Systeme probeweise aufgestellt, bis auch hier das Projekt im Sande verlief.
Unser Erfinder nahm diese Schlappe doch ziemlich persönlich. Um den Misserfolg zu dämpfen, dachte er wohl daran, sich anderweitig etwas zu gönnen. Da kam ihm ein Zufall zur Hilfe. Bei uns war eingebrochen und ein paar Computer samt Drucker waren entwendet worden. Manche munkelten etwas vom irren Arndt, der für alles nicht Erklärliche herhalten musste. Ich im Urlaub, von alledem nichts wissend, erhielt einen Anruf vom Versicherungsagenten, der mir mitteilte, dass er auf ausdrückliche Anweisung des Herrn Erfinders DM 12 000 zur Schadensregulierung auf dessen Privatkonto gezahlt habe. Jetzt hatte er doch Zweifel bekommen und wollte wissen, ob das wirklich in unserem Sinne gewesen sei. War es natürlich nicht! Einmal mehr musste ich mich von einem untreuen Geschäftsführer trennen.
Zur Reue oder Einsicht führte das aber nicht. Nach zahlreichen Drohbriefen durch den diebischen Erfinder und sich abzeichnender Erfolglosigkeit stellten wir das Projekt nach ungefähr einem Jahr und mit DM 100 000 Verlust ein, Mitarbeiter gab es ja keine. Die Lehre für mich aus diesem Projekt war, niemals wieder eine Erfindung zu unterstützen und sei sie noch so schön und noch so plausibel. Der Aufwand, aus einer Erfindung eine lukrative Sache zu machen, war einfach überproportional hoch, die Erfolgsaussichten unterproportional niedrig und es dauerte ewig, bis man eine kritische Masse erreicht hat, die es rechtfertigen würde, damit viel Zeit zu verbringen. Erfindungen sollten in meiner weiteren Zukunft nur noch insoweit eine Rolle spielen, als sie innerhalb einer mir gehörenden Gesellschaft neben dem operativen Betrieb realisiert wurden.
36Name geändert.