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Geleitwort des Verlegers
ОглавлениеMit mehr als 250 Unternehmen weltweit hat Peter Maria Löw mehr Unternehmen übernommen als irgendwer vor ihm. Er gehört zu den Pionieren des Venture-Capital-Geschäfts. Für den Osburg Verlag, dessen Verlagsmotto »Menschen und ihre Geschichte« lautet, war das allein ein überzeugender Grund, sich für Löws Buch Flusenflug. Die Bekenntnisse eines Firmenjägers zu entscheiden. Doch es kam noch ein persönlicher hinzu.
1998 war ich – seinerzeit Leiter einer globalen Abteilung der Shell in London – in der Situation, in Form eines Management-Buy-outs Großteile des von mir verantworteten Geschäfts übernehmen zu können. Eigenkapital zum Erwerb und Betrieb des Geschäfts hatten mein Geschäftspartner und ich nicht, es gab in der angelsächsischen Welt aber schon seit einer Generation die sogenannten Venture Capitalists. Ihr Geschäftsmodell bestand darin, Firmengründern oder Firmenübernehmern nicht nur Geld zu leihen, sondern voll ins Risiko zu gehen und sich an den Unternehmen zu beteiligen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir mein Partner dieses Modell auseinandersetzte, hatte ich keine Ahnung davon.
Da war ich nicht der Einzige. Unter uns war ausgemacht, dass ich bei meiner nächsten Stippvisite in Hamburg mit den Verantwortlichen deutscher Großbanken sprechen sollte. Die Antwort war klar und ernüchternd: Das kennen wir »eigentlich« nicht und das machen wir nicht! Diese Auskunft war ehrlich. In Deutschland pflegte man Kredite zu vergeben und diese zu besichern bis zum Gehtnichtmehr.
Am Anfang des Wegs von Löw stand eine »Schnapsidee«, entwickelt im Frühjahr 1992 bezeichnenderweise in einem Münchner Biergarten: die teuersten und riskantesten Investitionsgüter der Welt, nämlich Unternehmen, zu kaufen und zwar ohne Bankkredite oder sonstige Finanzierungsmittel. Das zwang ihn förmlich, sich auf eine Gruppe von Unternehmen zu beschränken: auf die unprofitabelsten und leistungsschwächsten.
1992 hatte Löw bereits einiges erreicht. Während der »normale« Manager heutiger Prägung meist nur mit einem absolvierten Studium an den Start geht, war sein Weg bis dahin ein anderer gewesen. Mit einem juristischen Studium in Freiburg und dem zweitem Staatsexamen in Berlin, seinen geschichtlichen Studien der Neueren und Neuesten Geschichte in Freiburg, Berlin, Münster und Hamburg und dem Master of Business Administration an der INSEAD in Fontainebleau (Frankreich) verfügte er mit 31 Jahren über eine ungewöhnlich breite akademische Bildung. Eine Promotion zum Doktor beider Rechte in Hamburgund eine zum Doktor der Philosophie in Würzburg sowie ein Stabsoffiziersdiplom der Bundeswehr rundeten die Ausbildung ab. Löw war damit keineswegs der Underdog, der sich »vom Tellerwäscher zum Millionär« von ganz unten nach ganz oben durchboxen musste. Mit seiner akademischen Vita standen ihm viele Türen offen. Doch eine Zukunft in Justiz, Verwaltung, Wirtschaft oder Universität suchte er nicht.
Ungeachtet seines späten Einstiegs in die Unternehmenswelt gelang es ihm in weniger als 30 Jahren, Hunderte von Unternehmen zu erwerben, zu sanieren und fünf Börsengänge durchzuführen. Zwei dieser Unternehmen schafften es in den SDAX, zwei in den TecDAX und eines in den MDAX. Doch was geschah hier? Führten diese Firmenübernahmen tatsächlich zu Win-win-Situationen, von denen im Erfolgsfall neben dem Unternehmen auch die Mitarbeiter, die Lieferanten, die Kunden, die Steuerbehörden, die Kommunen und ihre Infrastruktur profitierten? Oder waren es angesichts vieler verlorener Arbeitsplätze die verdammenswertesten Exzesse des Kapitalismus und Löw selbst ein ruchloser Freibeuter der Wirtschaft? War Löw der Eigenbrötler, der einsam die Richtung vorgab, oder war das alles nur möglich, indem er Mitstreiter, Betriebsräte, Gewerkschaften und ganze Belegschaften für seine Art der Sanierung gewinnen konnte. Das Buch wird hierüber Aufschluss liefern.
Nach Löw basiert sein Erfolg damals wie heute nicht darauf, seine Verhandlungspartner über den Tisch zu ziehen oder Notsituationen unfair auszunutzen. Vielmehr beruht sein Erfolg in besonderem Maße auf den Unzulänglichkeiten der verkaufenden Konzerne und auf dem menschlichen Versagen zahlreicher Manager vor Ort. So geben seine detaillierten Schilderungen in Flusenflug den Blick frei auf eine Welt, die wir in dieser Unvollkommenheit nicht erwartet hätten. Mit jedem Kapitel verlieren wir ein wenig mehr die Hochachtung vor den angeblichen Autoritäten, den übermächtigen Konzernen, den Besserwissern, die schon immer zu wissen glaubten, wie man es richtig macht, es aber selbst nie hinbekommen haben.
Trotz der manchmal humorvoll-anekdotenhaften Schilderungen der Ereignisse um die Firmenübernahmen in Flusenflug darf man sich nichts vormachen, das Sanierungsgeschäft ist kein leichtes. Billig kaufen, sanieren und teuer verkaufen, das hört sich simpel an und doch verschleiert solch ein Bild das Ausmaß der aufzuwendenden Energie, den Umfang des persönlichen Einsatzes und die hohe Qualität des erforderlichen Know-hows. Das vormalige Management, die interne Taskforce und die externen Consultingfirmen, alle hatten doch ihr Bestes versucht und waren gescheitert. Die Verkäufer waren mit ihrem Latein am Ende. Es war ebendieser Umstand, der ihnen keine andere Wahl ließ, als an Löw und seine Partner zu verkaufen. Unter Mobilisierung aller Kräfte, insbesondere der in den Unternehmen ruhenden Selbstheilungsenergien, gingen diese nun daran, den »Karren aus dem Dreck zu ziehen«. Immer gelang das nicht, oft aber konnten die Unternehmen in aussichtsloser Lage gerettet und Zehntausende Arbeitsplätze nachhaltig erhalten werden.
Hatte Löw am Anfang seiner unternehmerischen Laufbahn bei seinen ersten »Abenteuern« noch besonders auf Kosteneinsparungen – auch im Personalbereich – gesetzt, so merkt man bei der Lektüre, dass dieses Instrument mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund trat. Produktentwicklung, Qualitätssteigerung, Expansion und Erschließung neuer Märkte wurden die Hebel, Umsatz- und Margensteigerungen die eigentlichen Sanierungstreiber.
Seine akademische Vita konnte Löw dennoch fortsetzen, indem er seit einigen Jahren als Honorarprofessor Lesungen zu interdisziplinären Themen an der päpstlichen Hochschule Heiligenkreuz hält. Als Unterstützer und Förderer der Mission des Heiligen Stuhls wurde er zum höchsten päpstlichen Ritter ernannt. Mit dem »European Heritage Project«, bei dem er u. a. mit der UNESCO, dem WWF und der EU zusammenarbeitet, fand er ein neues Aufgabengebiet: den Wiederaufbau und Schutz gefährdeter Kulturdenkmäler in Europa, selbstredend ohne Banken, ohne Subventionen und nur aus dem eigenen Cashflow finanziert. Manches ändert sich eben nicht.
Wolf-Rüdiger Osburg
September 2020