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Das 9. Abenteuer Die schwarze Witwe

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Nachdem ich nun die Büromaschinenbranche aufgemischt und den Osten über den Todesstreifen bis hin zu einem Kombinat erkundet hatte, dachte ich, es sei jetzt Zeit für ein Resümee. Dass ich keinerlei Bankfinanzierung außer operativer Dispolinien41 in Anspruch nehmen wollte, hatte ich bereits nach A + L beschlossen. Dass ich kein Branchenkonzept verfolgen wollte, sondern plante, rein opportunistisch unterwegs zu sein, hatten mir meine Erfahrungen als Europas größter Minolta-Händler gezeigt. Dass ich mich als Immobilienentwickler nicht ausreichend gefordert fühlte und meine Renditeerwartungen dort auch nicht wirklich erfüllt worden waren, hatte mich das Projekt Selmsdorf gelehrt. Mit der TEK Dach und Wand andererseits hatte ich ein pleitegegangenes Kombinat wieder zu neuem Leben erweckt, zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen, war Weltmarktführer geworden und hatte letztlich damit gutes Geld verdient.

Jetzt begann ich darüber nachzudenken, unter welchen wiederkehrenden Bedingungen ein Firmenkauf besonders lukrativ sein könnte. Das war immer dann der Fall, so stellte ich bei meinen Überlegungen fest, wenn die Ausgangssituation besonders verwirrend oder kompliziert war, wenn das Akquisitionsobjekt sich nicht mehr im Bereich eines »Business as usual«42 befand, wenn die Schieflage des Unternehmens nicht auf dem Produkt oder dem Marktumfeld, sondern vor allem auf Fehleinschätzungen und Führungsfehlern des Managements beruhte. Bei Vorliegen dieser Bedingungen war aus meiner Sicht die Chance auf einen erfolgreichen Turnaround besonders groß.

Also musste ich systematisch gerade nach solchen Unternehmen suchen, bei denen ein schlechtes Management ein besonders hohes Potential hatte, viele Fehler zu machen. Dies waren nach meiner Analyse Unternehmen mit hoher Komplexität, das heißt meist auch mit hoher Wertschöpfung43. Ich konzentrierte meinen suchenden Blick nunmehr auf Industrieunternehmen, die neben der Handels-, Dienstleistungs- und Wartungskomponente auch noch die Produktion bewältigen mussten. Alleine schon die Fehler des alten Managements zu vermeiden, so mein Kalkül, sollte die halbe Miete im Restrukturierungsprozess sein.

Da tauchte Ende 1996 auf einmal und völlig überraschend eine solche Industriefirma bei uns auf, die Firma Wilhelm Berg in Mannheim. Mit ihr sollte uns ein besonderes Husarenstück gelingen. Es handelte sich dabei um einen Hersteller für Schwerlastschalter für mittlere und starke elektrische Ströme. Ein solcher Berg-Schalter konnte auch schon mal über 2 oder 3 Meter hoch und ebenso lang sein. Die Firma war berühmt für ihre hohe Qualität und die extremen Standzeiten der Schalter. Ein wichtiger Teil des Geschäfts war daher das Wartungsgeschäft bei alten Schaltern und so bekam die Gesellschaft regelmäßig fast schon museale Schalter aus den 20er-, 30er- und 40er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zur Überarbeitung geliefert. Die Gesellschaft aus dem Jahre 1891 war eines der ältesten Unternehmen in Mannheim. Trotz ihres überschaubaren Umsatzes von nur DM 7 Mio. war sie Weltmarktführer in diesem Nischensegment.

Die letzten Jahre hatten der Gesellschaft dennoch stark zugesetzt. So litt der Geschäftsbetrieb unter einigen privaten Querelen auf der Gesellschafterebene. Der Alteigentümer in vierter Generation, Wilhelm Berg IV also, hatte vor einigen Jahren seine Frau verlassen und sich seiner Sekretärin zugewandt, die nicht nur flinke Finger besaß, sondern sich offenbar auch sonst um ihren Chef gut kümmerte. Beide frönten dann zunehmend ihrem gemeinsamen Golfhobby. Nach der Scheidung ehelichte Wilhelm Berg IV diese Dame, genoss diesen strapaziösen Wechsel aber nicht sehr lange, da er bereits zwei Jahre nach der Hochzeit starb. Erbin war nun die neue Frau Berg, also die frühere Sekretärin, die sicherlich ihre Qualitäten besaß und hervorragend Golf spielte, jedoch keinerlei Ahnung hatte, wie man eine Firma führen musste. So war die Gesellschaft in eine gewisse Verwahrlosung geraten, was unweigerlich auch auf die Geschäftsergebnisse durchschlug. Das Unternehmen war zum Zeitpunkt der Akquisition leicht defizitär, aber Frau Berg war weise genug zu erkennen, dass sich dieses Ergebnis mit ihrer Art der Geschäftsführung sicher nicht verbessern würde.

Uns war diese Chance durch unseren Freund Hans-Peter Maaßen avisiert worden. Dr. Hans-Peter Maaßen war ein ehemaliger McKinsey-Kollege von mir, der seinen MBA-Abschluss nicht bei INSEAD, sondern in Harvard gemacht hatte. Bereits ein Jahr zuvor war er zusammen mit seinem Freund Dr. Henrik Fastrich bei uns in der Certina AG hereingeschneit und wollte sich erklären lassen, wie man das eigentlich mit dem Firmenkauf so anstelle, ein Wunsch, den ich ihm gerne erfüllte. Nun also hatten die beiden diese Firma entdeckt. Da sie jedoch in der Zwischenzeit einen Fonds gegründet hatten, die GMM (später Orlando), war die Wilhelm Berg nach ihrer Sicht und nach ihren Investitionsregeln einfach zu klein. Daher vereinbarten wir mündlich Folgendes: Martin und ich übernahmen die Gesellschaft und sie waren an allen Kosten, aber auch an allen Gewinnen, mit 50 Prozent beteiligt. Abgemacht!

Mit Frau Berg selbst gestalteten sich die Verhandlungen dann relativ einfach. Wir einigten uns am 23. Dezember 1996 notariell auf einen Kaufpreis von DM 700 000 und mit der Aushändigung des Bankschecks gehörte uns die Gesellschaft. Nach der Übergabe schauten wir uns die Geschäftsbücher etwas intensiver an und stießen dabei auf eine gewisse Anomalie. Auf der Passivseite war korrekterweise das eingetragene Stammkapital der Gesellschaft mit DM 3,5 Mio. festgestellt. Ein Betrag über ebenfalls DM 3,5 Mio. fand sich aber auch auf der Aktivseite unter den Finanzanlagen mit der Bemerkung »hinterlegtes Stammkapital«. Wir fragten Frau Berg, was es denn damit auf sich habe und diese erklärte uns, dass es doch üblich sei, dass das Stammkapital einer Gesellschaft in bar auf einem Bankkonto hinterlegt sein müsse. Wir nickten ob dieser Erklärung nur bedeutungsschwer und lobten Frau Berg wegen dieser konservativen Betrachtungsweise. Am nächsten Tag jedenfalls gingen wir zur Bank, wo sich besagtes Sicherungskonto befand, und wiesen den verdutzten Bankangestellten an, uns die DM 3,5 Mio. doch bitte in bar auszuzahlen. Da die Gesellschaft selbst auch noch über einige Millionen steuerfreie Rücklagen44 verfügte, konnten wir diese Summe dann sofort steuerfrei in unser Privatvermögen überführen. Damit hatten wir bereits am zweiten Tag der Akquisition abzüglich des Kaufpreises einen Betrag von DM 2,8 Mio. verdient. Natürlich führten wir den 50-prozentigen Anteil der Herren Fastrich und Maaßen unverzüglich ab.

Auch sonst entwickelte sich die gesamte Akquisition als durchaus erfolgreich. Wir konnten die teilweise archaische Produktion deutlich modernisieren. Wir führten ein CNC-Bearbeitungszentrum ein, wir erhöhten bei den Reparaturen von Altschaltern die Preise erheblich und konnten mit zahlreichen Neuentwicklungen auch neue Kunden, wie zum Beispiel die Deutsche Bundesbahn, die Kriegsmarine Israels, Südafrikanische Bergwerksgesellschaften und den Siemens Wettbewerber Alstrom gewinnen. Der Oberbürgermeister von Mannheim, Gerhard Widder (SPD), lud uns als neue Shootingstars mehrfach zu sich ins Rathaus oder zu Empfängen ein. Den Umgang mit Ministerpräsidenten, Ministern, Landräten und Bürgermeistern waren wir ja in der Zwischenzeit schon gewöhnt.

Nach ungefähr 15 Monaten war die Gesellschaft gut profitabel und weitgehend saniert. Da sprach uns der börsennotierte Großkonzern Carbone Lorraine an, ob wir denn den Verkauf der Gesellschaft in Erwägung ziehen wollten. In der Zwischenzeit hatten wir unsere ursprünglichen Co-Investoren Maaßen und Fastrich bereits abgelöst. Diese hatten nach dem ersten Geldsegen der kleinen Gesellschaft wohl keine große Zukunft mehr beigemessen. Mit einigen weiteren DM 100 000 konnten wir die Kooperation beenden. Umso schöner war es, als wir die Gesellschaft schließlich an Carbone Lorraine für einen Kaufpreis von stolzen DM 8 Mio. verkaufen konnten.

Die Gesellschaft hat sich seitdem prächtig entwickelt. Carbone Lorraine hat noch einmal kräftig investiert und so konnten Umsätze, Ergebnisse und Mitarbeiterzahlen signifikant erhöht werden. Auch heute noch produziert die Wilhelm Berg im Carbone Lorraine-Konzern die berühmten Schalter. Aus unserer Sicht war dies wieder einmal ein sehr schöner Erfolg.

41Zugelassene Überziehung auf dem laufenden Konto.

42Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb.

43Die Wertschöpfung umschreibt in einer Produktions- und Distributionskette die Zunahme des Wertes eines Wirtschaftsguts.

44Eine steuerliche Besonderheit, die die steuerfreie Ausschüttung ermöglichte, wie bei brw in Kassel.

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