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Das „Gottesreich“ kommt nicht von selbst am „Ende der Zeit“

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Albert Schweitzer sieht nur den einen realistischen Weg für uns Menschen: Daß wir in allen Lebensbereichen dem Leben von Mensch und Schöpfung dienen im Geist der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Nur so kann das „Reich Gottes“ auf der Erde Wirklichkeit werden. Das frühe Christentum hat die Endzeit und den Anbruch des Gottesreiches als nahe bevorstehend erwartet. Wir wissen heute, daß diese Erwartung aus einer zeitbedingten, bereits vorchristlichen jüdischen Weltanschauung zu verstehen ist. In seinem Werk Reich Gottes und Christentum (1951) schreibt Albert Schweitzer: „Die Zeit, in der wir leben, ruft uns zu neuem Glauben an das Reich Gottes auf. Nicht mehr können wir wie frühere Geschlechter in dem Glauben an das am Ende der Zeiten von selbst kommende Reich Gottes verbleiben. Für die Menschheit, wie sie heute ist, handelt es sich darum, ob sie dazu kommt, das Reich Gottes verwirklichen zu wollen oder unterzugehen. Aus der Not heraus, in der wir uns befinden, müssen wir an seine Verwirklichung glauben und mit ihr ernst machen.“

Das kirchliche Christentum hält noch immer an dem am Ende der Zeit von selbst kommenden Gottesreich fest, nimmt aber dadurch dem christlichen Glauben seine erneuernde Kraft, „Salz der Erde“ zu sein. „Weil der Katholizismus und der Protestantismus der Reformatoren den Glauben an das Reich Gottes und das Wollen desselben nicht in ihrer elementaren Kraft in sich enthalten, vermögen sie nicht umgestaltend auf die Zustände ihrer Zeit zu wirken“, so schreibt Albert Schweitzer in seinem Werk über die Mystik des Apostels Paulus (1930). Die Quelle der Kraft, die zur Umgestaltung und Erneuerung notwendig ist, sieht Albert Schweitzer allerdings nicht in einem gesellschaftlichen oder politischen Aktionismus. Es geht vielmehr zunächst um die persönliche Übung der Mystik und Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Sie besteht in der Hingabe an Gott, um seinen Willen vernehmen und tun zu können, und in dem praktischen Dienst am Leben von Mensch und Schöpfung im persönlichen Umfeld. Das „Reich Gottes“ muß zunächst einmal in uns selbst einkehren und hier seine Herrschaft aufrichten, bevor wir es in die Welt bringen können. Was Albert Schweitzer in seinem Werk Die Mystik des Apostels Paulus schreibt, erscheint mir als eine Magna Charta für unser heutiges Christentum: „Wohl können wir als solche, die aus der eschatologischen Weltanschauung herausgetreten sind, nicht anders, als die Umgestaltung der Verhältnisse der Menschheit im Sinne des Reiches Gottes wollen und daran arbeiten. Der Geist Gottes, der aus der Nichterfüllung der eschatologischen Erwartung des Reiches Gottes zu uns redet, gebietet es uns. Urchristlich aber muß unser Glaube an das Reich Gottes darin bleiben, daß wir seine Verwirklichung nicht von zweckmäßigen und organisatorischen Maßnahmen, sondern von einem Mächtigwerden des Geistes Gottes erwarten. So wissen wir auch, daß die aus innerer Notwendigkeit geschehende Erweisung des Geistes des Reiches Gottes, dessen wir im Sterben und Auferstehen mit Christus teilhaftig werden, die Reich-Gottes-Arbeit ist, ohne die alle andere umsonst bleibt. ... Immer haben wir des unerbittlichen Gesetzes eingedenk zu bleiben, daß wir nur soviel Reich Gottes in die Welt bringen können, als wir in uns tragen.“

Dem Leben dienen

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