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Die kinetische Gastheorie

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Das Gesetz von Boyle lässt sich auf molekularer Ebene wie folgt erklären. Wenn man eine Gasprobe aufdie Hälfte ihres Anfangsvolumens komprimiert, so treffen innerhalb einer bestimmten Zeit doppelt so viele Moleküle aufdie Gefäßwand wie vor der Kompression. Folglich ist die mittlere auf die Wand ausgeübte Kraft ebenfalls doppelt so groß wie zuvor. Wenn das Volumen halbiert wird, verdoppelt sich demzufolge der Druck und p V bleibt konstant. Das Gesetz von Boyle gilt für alle Gase unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung sofern nur der Druck gering genug ist, weil in diesem Fall die mittlere Entfernung zwischen zwei Molekülen so groß ist, dass diese einander nicht beeinflussen, sich also unabhängig voneinander bewegen. Die molekulare Erklärung des Gesetzes von Charles beruht auf der Tatsache, dass die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle eines Gases mit steigender Temperatur zunimmt. Folglich treffen die Moleküle häufiger und heftiger auf die Gefäßwand, üben also einen größeren Druck aus.


Abb. 1-9 Als Schnitte durch die in Abb. 1-8 dargestellte Fläche erhält man für konstante Temperatur die Isothermen aus Abb. 1-4, für konstanten Druck die Isobaren aus Abb. 1-6 und für konstantes Volumendie Isochorenaus Abb. 1-7.

Diese qualitativen Überlegungen werden durch die kinetische Gastheorie, die wir in Kapitel 20 ausführlich besprechen wollen, quantitativ erfasst. Diese Theorie beruht auf drei Annahmen:

1 Das Gas besteht aus Molekülen der Masse m, die sich unablässig in zufälliger Bewegung befinden.

2 Die Größe der Moleküle ist vernachlässigbar in dem Sinne, dass die Durchmesser der Teilchen klein gegen die im Mittel zwischen zwei Zusammenstößen zurückgelegte Wegstrecke sind.

3 Die einzige Wechselwirkung zwischen den Molekülen besteht in kurzzeitigen, seltenen, elastischen Stößen.

Bei einem elastischen Stoß unterscheidet sich die kinetische Translationsenergie der Stoßpartner vor und nach der Kollision nicht. Aus den wenigen Annahmen der kinetischen Gastheorie folgt, wie wir in Kapitel 20 herleiten werden, dass der Zusammenhang zwischen Druck und Volumen des Gases durch

(1-10)°

gegeben ist, wobei M = mNA die Molmasse der Moleküle und c die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit1) sind,

(1-11)

Wenn die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Moleküle nur von der Temperatur abhängt, gilt bei konstanter Temperatur offensichtlich p V = konstant; dies ist die Aussage des Gesetzes von Boyle. Wenn außerdem Gl. (1-10) der Zustands-gleichung eines idealen Gases entsprechen soll, muss ihre rechte Seite gleich n R T sein. Die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Moleküle in einem Gas mitder Temperatur T muss dann

(1-12)°

betragen. Wir sehen also, dass die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Moleküle eines Gases proportional zur Wurzel aus der Temperatur und umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Molmasse des Gases ist. Mit steigender Temperatur nimmt folglich die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Teilchen zu, und bei einer gegebenen Temperatur bewegen sich schwerere Moleküle langsamer als leichtere. Aus Gl. (1-12) berechnet man zum Beispiel für N2-Moleküle bei 298 K eine quadratisch gemittelte Geschwindigkeit von 515 ms–1.

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