Читать книгу Blanko - Peter Terrin - Страница 17
ОглавлениеViktor brauchte eine Weile, um wieder zu Atem zu kommen, die starren Augen an die Decke gerichtet.
In der Küche trank er ein Glas Leitungswasser. Er öffnete den Schrank über der Anrichte, wusste aber plötzlich nicht mehr, warum.
Vor dem Haus der orangefarbene Schein der Straßenbeleuchtung. Die Beine an den noch nicht ganz erkalteten Heizkörper gelehnt, stützte er sich auf die Fensterbank. Die Scheibe kühlte ihm die Stirn und erfrischte seinen Geist.
Fünf Stockwerke tiefer sah Viktor auf der anderen Straßenseite einen Mann. Er trug einen fahlbeigen Mantel und das Haar zu einem markanten Scheitel gekämmt. Gemütlich spazierte er mit seiner Aktentasche auf dem Fußweg.
Komisch, dachte Viktor, eine Aktentasche, so früh schon.
Aber die Art, wie sich der Mann dort unten beschwingt durch die Nacht bewegte, der flüchtige Blick in ein erleuchtetes Schaufenster, erfüllte Viktor mit einer herrlichen Ruhe, die er, wie den ersten Schluck Leitungswasser, langsam durch seinen Körper strömen spürte.
Er folgte dem Mann mit den Augen. Als der die Grenze seines Blickfelds erreicht hatte, schien es Viktor, als sei eine Beziehung zwischen ihnen entstanden, als hätten sie sich schon immer gekannt. Er wünschte ihm Glück. Manchmal war das das Einzige, was man tun konnte: jemandem aufrichtig Glück wünschen. Nicht in dem Sinn der überzuckerten Illusionen, die in Soaps, Werbung und Religion angepriesen wurden, nein: einfach Glück als Abwesenheit von Unglück.
Flauschzarte Schneeflocken wirbelten vor dem Fenster. Wie von seinem Atem auf der Glasscheibe angezogen, tanzten sie vor seinem Gesicht auf und ab.
Später fiel der Schnee dichter und schneller.
Die Dächer und Straßen kühlten rasch ab, nach einer Viertelstunde gaben sie auf und wurden weiß.
Von dem Gewirbel draußen fielen Viktor die Augen zu, immer wieder nickte er fast ein, und er legte sich schlafen.