Читать книгу Blanko - Peter Terrin - Страница 9

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Um Viertel nach acht wurde Viktor von der Türklingel geweckt. Das Licht im Zimmer war dämmrig, vermutlich ein grauer Tag draußen. Er blieb regungslos liegen, in der seltsamen Position, die er im Schlaf eingenommen hatte. Sein Arm verlangte kribbelnd nach Blut.

Erst als es ein drittes Mal klingelte, schlüpfte er in die Kleidung, die er über den Stuhl gehängt hatte, und schlurfte durch den langen Flur zur Sprechanlage.

Es war Eveline.

Sie umarmte ihn innig, sah ihm forschend in die Augen. »Hast du ein bisschen geschlafen?«

»Ich glaub schon«, antwortete er. »Und du?«

Eveline zuckte die Schultern und seufzte.

»Schläft Igor noch?«

»Nein«, rief Igor heiser.

»Muss er heute nicht in die Schule?«

»Es ist noch zu früh. Die kommen schon ein paar Tage ohne ihn aus.«

In der Küche legte Eveline ihren Mantel ab und setzte Kaffee auf. Sie hatte ein Vollkornbrot mitgebracht, lecker und dazu noch gesund. Sie öffnete Schränke und Schubladen, auf der Suche nach Essen und Geschirr für das Frühstück. In den vergangenen Tagen hatte Igor bei Opa und Oma geschlafen, jetzt fand Eveline es offenbar an der Zeit, dass sie sich um ihren Neffen und ihn kümmerte.

»Das brauchst du nicht«, sagte Viktor, als sie sich auch noch ans Abwaschen machte.

»Du bist mein Bruder.«

Die Erwiderung kam so schnell, dass es sich anhörte, als habe sie sich vorbereitet, sich dieses einfache und aufrichtige Argument vorher zurechtgelegt, ein Argument, gegen das er nichts einwenden konnte.

Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. Ihre Augen waren stärker geschminkt als sonst, aber das konnte die Ringe darunter nur schwach überdecken.

Viktor dachte an früher, als sie sich in einer Tour in den Haaren gelegen hatten, eine furchtbare Zeit voller Bosheit und Missgunst, die nicht zufällig mit ihrer Pubertät und dem Studium zusammengefallen war. Danach war es Schritt für Schritt besser geworden. Im Bewusstsein, nun mal Geschwister zu sein, waren sie offener füreinander geworden, wuchsen zusammen und respektierten ihre gegenseitigen Eigenarten. Dies alles vollzog sich weitgehend unausgesprochen, wodurch eine tiefe Verbundenheit entstand, die möglicherweise nie mehr enden würde.

Eveline war jetzt dreiunddreißig und lebte wieder allein. Acht Jahre lang war sie mit dem Falschen zusammen gewesen. Viktor war sechsunddreißig. Helena lag noch keine vierundzwanzig Stunden unter der Erde.

Der Heizkörper knackte, im brodelnden Wasser stießen die Eier siedend gegen die Wand des Kochtopfs.

»Trotzdem will ich nicht, dass du morgen kommst«, sagte Viktor ruhig. »Nicht wegen so was.«

Eveline nickte, trocknete weiter ab und verstaute sorgfältig alles an seinem Platz. Nach dem Frühstück stellte sie Igor unter die Dusche und legte Anziehsachen für ihn zurecht. Sie ging mit dem Staubsauger durch die Wohnung. Um halb elf trank sie mit Viktor eine letzte Tasse Kaffee. Auf dem Küchentisch fasste sie seine Hand.

Blanko

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