Читать книгу Vom Sinn des Lebens in der globalisierten Welt - Petra Barg - Страница 15

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„SAPERE AUDE“ – „WAGE ES, WEISE ZU SEIN“

WAHLSPRUCH DER AUFKLÄRUNG VON IMMANUEL KANT

Alle Kapitel dieses Buches wollen als intelligentes Lesevergnügen in methodischer Offenheit die himmlische sowie irdische Bühne beleuchten, das Unsagbare mit Worten in einer klaren, logischen Sprache umkreisen: glaubensneutral und wertfrei – jedoch im Geist der Aufklärung als Tribunal der Vernunft (1720–1800). Die Welt war zu vielfältig und zu widersprüchlich geworden, als dass sie noch mit Platon oder Augustinus von der Harmonie jenseitiger Gedanken her hätte gedeutet werden können. Die Aufklärung verlangte Klarsicht und Welttüchtigkeit durch das Streben nach universeller Geltung der Logik auf dem Schlachtfeld der Meinungen – auch im Bereich der Religion – durch das Streben nach kontextuellem Wissen um seiner selbst willen, das heisst nach dem Zusammenhang.

Dieses Ziel widerstrebte namentlich der Katholischen Kirche und ein Abt schrieb damals, Vernunft sei etwas für die „curiosi“, für die „religiosi“ genüge der Glaube. Aber gerade die Theologie sollte ein lebendiges Instrument sein, das die Gefahr einer spirituellen Insolvenz im 21. Jahrhundert abwehrt, den Bezug zum Geschehen in der Natur und zum Fortschritt in der Zivilisation herstellt, unter dem Blickwinkel der Veränderungen.

Der fehlende kirchenamtliche Wille zur Anpassung der Glaubensbotschaften und Lehrmeinungen an den Zeitenlauf mit all seinen Facetten offenbart, dass die Kirche eine Partei des Apparats und der Gremien bleibt. Aufbruch lässt sich so nicht organisieren und Zukunft nicht wagen. Auch Religion ist neu zu durchdenken, neu zu gestalten – mit ganz neuen Ansätzen, um den Themen der Welt nicht rückwärtsgewandt zu begegnen, sondern zeitnah ein Gefühl zu schaffen, in dem sich alle aufgehoben empfinden.

Niemand sollte im Kreislauf der Welt Gefangener seiner eigenen Unbeweglichkeit sein. Wissen entwickelt sich über die Zeit und ist immer provisorisch. Mit dem Wissen wächst immer auch das Wissen darüber, was man nicht weiss. Meinungen werden oft nicht aus Analysen der Fakten geboren, sondern aus Inkompetenz und Selbstüberschätzung. Unser Weltbild ist nur eines mit anderen konkurrierenden Weltbildern. Die europäische Aufklärung war aber nie für das globale Dorf entworfen, denn die kulturellen Unterschiede innerhalb Europas sind gering im Vergleich mit den interkontinentalen Dimensionen.

Jedem Einzelnen ist es überlassen, durch eigene Denkarbeit und eigenes Hinterfragen die ihm teuren Werte zu schaffen, die eine Auswahl bedeutender Lehren als Erzählung des Grössten nachfolgend unterbreitet, gemäss dem Befund des deutschen Dichters und Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832): „Wer nicht von dreitausend Jahren sich weiss Rechenschaft zu geben, bleibt im Dunkeln unerfahren, mag von Tag zu Tage leben.“

KEINE LEBENSVERNEINUNG – PFLICHT ZUR ZUVERSICHT

Vorauszuschicken ist, dass dieses Buch keine akute oder chronische Lebensverneinung behandelt. In Gemeinschaft mit anderen wollen wir uns selbst erkennen, den eigenen Werten auf die Spur kommen, uns in unserer Zeit verorten und Zuversicht schöpfen. Unsere Vorstellungen vom Leben reichen oft nicht für alles aus, was auf uns zukommt.

Zweifellos ist die Auffassung von Gottfried Benn (1886–1956), deutscher Arzt und Dichter oder Albert Camus (1913–1960), französischer Philosoph und Nobelpreisträger 1957 für Literatur, sowie anderen Persönlichkeiten legitim, dass das Leben absurd, bedeutungslos oder weder gut noch schlecht sei und an sich keinen Sinn und Zweck habe. Es sei nicht zu entdecken, welcher Gewinn oder Verlust sich zeige, wenn die Sinnfrage beantwortet oder nicht beantwortet werde. Die Frage selbst sei Symptom einer sinnlosen Welt, in der Sinn für das individuelle Leben fehle.

Benn empfahl in einem seiner Gedichte: „Dir wurde erst spät bewusst, es gibt nur eines, ertrage Dein fernbestimmtes Du musst.“

Camus ergänzte in einem seiner Werke, die Vorstellung der Absurdität des Lebens widerspreche nicht zwingend der Bejahung des Lebens und dem Glück des Menschen, das gerade in den nie endenden Anstrengungen gegen eine absurde, paradoxe und rätselhafte Welt gefunden werden könne. Auch wenn Camus keinen Lebenssinn sah, schreibt er an anderer Stelle: „Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“

Für den österreichischen Physiker und Sinnphysiologen Ernst Mach (1838–1916), nach ihm ist die Mach-Zahl benannt, mit der die Geschwindigkeit im Verhältnis zum Schall gemessen wird – löst sich die Frage nach dem Sinn des Lebens gemeinsam mit dem Verschwinden des Ichs auf: Wenn der Schmetterling nicht mehr das gleiche Ich hat wie die Raupe, der älter werdende Mensch in den verschiedenen Entwicklungsphasen jeweils ein anderes Ich hat, dann lohne es sich nicht, für alles Leben einen gemeinsamen Sinn aufzustellen.

Für den französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre (1905–1980) besteht der Sinn des Lebens darin, sich durch sein eigenes Tun selbst zu verwirklichen. Da die Welt im Ganzen keinen Sinn habe, stehe es uns frei, unseren eigenen Sinn zu stiften.

Für den australischen Moralphilosophen Peter Singer kommt es darauf an, den Stein des Guten ein Stück weiterzurollen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

SEINEN PLATZ IN DER ORDNUNG AUSFÜLLEN

Bei Lebensverneinung ist die Teilnahme an Gesprächsrunden mit Erfahrungsaustausch unter Betroffenen zu prüfen oder die professionelle Hilfe einer therapeutischen Praxis. In vermeintlich ausweglosen Lebenslagen gibt es auch die Möglichkeit einer anonymen telefonischen Aussprache, wie sie überall angeboten wird.

Nicht immer sind wir imstande, die Belastungen allein zu tragen und die Negativspirale zu stoppen. Gerade wenn wir die Einflüsse nicht ändern können, ist es wichtig, unsere Ohnmacht zu akzeptieren und trotzdem ein positives Selbstbild zu entwickeln. Es kann nämlich notwendig sein, sich der Situation zu beugen und loszulassen, statt sich im Unheil zu behaupten.

Ein gutes Selbstbild kommt ohne Selbstanklage aus, ohne Scham, ohne Schuldgefühle und gewährt den belastenden Verhältnissen immer weniger Raum. Wir müssen uns an dem messen, was uns niemand nehmen kann, ausser wir selbst – an den eigenen Werten. Es gibt Werte, die uns erhalten, für die wir leben und für die wir sogar sterben würden. Vieles andere kann uns genommen werden und das schmerzt. Verlust tut sehr weh.

EINKEHR IM INNEREN SELBST ALS TEIL DES HÖHEREN SELBST

Die bewusste Einkehr in unserem Inneren Selbst als Teil des Höheren Selbst hilft dabei, den Verpflichtungen des Erdenlebens mit einem gewissen Optimismus zu begegnen.

Wir dürfen die Lebensfreude und Zuversicht nie schwinden lassen. In Krisensituationen wie in normalen Zeiten sollten wir uns zur Verarbeitung auch der leeren Betrachtung ohne Bewertung zuwenden und unserem Glauben als Anker der Hoffnung. Die Gewissheit, einen festen Platz im Universum und eine feste spirituelle Verankerung zu haben, vermittelt Geborgenheit und die Kraft, ein beschirmtes Dasein voller Lebenskunst zu verwirklichen.

Was wir in der Aussenwelt als verbotene Zone nicht besitzen können, lässt sich in der Innenwelt erleben. Am sinnvollsten ist es daher, Theorie zu betreiben, wenn die Praxis verschlossen bleibt. Das einzige Paradies, aus dem wir bekanntlich nicht vertrieben werden können, ist die Erinnerung, aber auch unsere Phantasie sorgt für den Tagtraum.

STEUERUNG DER GEFÜHLE

Zur Steuerung unserer Gefühle kann das Ventil des Schreibens von Notizen oder eines Tagebuches beigezogen werden. „Am besten gefällt mir noch, dass ich das, was ich denke und fühle, wenigstens aufschreiben kann, sonst würde ich komplett ersticken.“ Anne Frank (1929–1945) schrieb diesen Satz während der Nazi-Barbarei am 16. März 1944 im Amsterdamer Hinterhaus in ihr Tagebuch.

Ebenso ist die Kraft anderer Ventile als Schreiben hilfreich, wie wir sie im Alpha Training sowie Autogenen Training und in der Meditation beim Nicht-Denken oder in der Visualisierung beim Denken von Erfolg finden können.

Anzustreben sind neben einem Leben mit Struktur gemäss dem Kohärenzprinzip, in das wir unseren Tagesablauf einordnen können, auch der Ausgleich durch Bewegung wie Feldenkrais, Pilates, Qigong, Yoga oder eine der asiatischen defensiven Kampfkünste wie Aikido, Judo, Taichi und jede andere lustvoll betriebene Bewegung im Sport.

Zu den Kraftquellen gehören auch Backen, Kochen, Handarbeiten, Heimwerken oder Fotografieren, Malen, Musizieren, Singen, Tanzen sowie die Kraft der Haustiere und Landarbeit, des Spiels oder gemeinsamen spielerischen Lernens, zum Beispiel von Fremdsprachen sowie das Lesen, Forschen und Studieren.

Nicht zu vergessen ist die Kraft des Aufenthaltes in der freien Natur, der Ortsveränderung und Weiterbildung durch die Kunst des Reisens sowie die Weiterbildung über viele andere Medien. Jeder ist gut beraten, wenn er auf Wanderschaft geht, in welcher Form auch immer.

SCHULE DER STOA

Berühmte Namen der Stoa sind Seneca, Epiktet und Mark Aurel.

Neben den genannten Kraftquellen ist genauso die antike, wirkungsmächtige Schule der Stoa stärkend und wohltuend. Stoisch lernt das Individuum seinen Platz in der Ordnung auszufüllen und mit Selbstbeherrschung sein Schicksal durch Erkenntnis zu akzeptieren sowie mit Hilfe von Gelassenheit (Loslassen, Weglassen) nach Weisheit zu streben.

Glückhaftes Gelingen, leidvolles Versagen, Angst und Verzweiflung, Liebe und zerfallende Liebe sind die Stationen auf dem Weg zur Vollendung. Lachen ist die wahre Offenbarung, nicht Ärger und Wut. Krisen machen uns robuster, die Stürme widerstandsfähiger. Widerstandsfähig handelt, wer heute für das Morgen lebt, den Fluss nicht schiebt, sondern das Boot steuert.

Die meisten Menschen konzentrieren sich aber paradoxerweise in ihrem Leben auf das, was sie nicht ändern können oder werten Verluste höher als Gewinne.

LEBEN ALS KOSTBARES GESCHENK

Das Leben ist ein kostbares Geschenk auf Widerruf, alles ist nur geliehen. Die Welt ist weder gerecht, noch ist sie ungerecht – sie ist einfach und so sollte sie sein dürfen. Geben Sie nie auf, verzweifeln Sie nie! Irgendwann gibt es wieder Licht am Ende des Tunnels, das ist das Versprechen des Wandels, und im Garten der Zeit wächst die Blume des Trostes. Jedes Kapitel findet sein Ende – und ein anderes folgt. Jedes Leid ist relativ, auch wenn es niemals möglich ist, eine Ungerechtigkeit vollständig wiedergutzumachen. Angriff und Missbrauch erfolgen nicht immer auf der körperlichen Ebene, sie können auch emotionaler und intellektueller Natur sein und uns Gewalt auf subtile Weise antun.

Lassen Sie das Grosse sein, mischen Sie sich nicht ein. Jeder, der sich durch Verzicht zu beschränken weiss, ist im Vorteil. Verzichten Sie auf Kritik, Tadel und Vorwürfe. Konzentrieren Sie sich auf das, was ist oder sein wird, statt auf das, was gewesen ist. Der Blick zurück lässt uns verharren. Der Blick nach vorn treibt uns an und lohnt sich auf jeden Fall. Sie verdienen, was Sie sich wünschen. Suchen Sie den freien Gedankenaustausch, das offene Gespräch ohne Tabus mit Menschen Ihres Vertrauens. Wir schlagen alle unsere persönlichen Schlachten, auch die Starken unter uns. Erwarten Sie aber nie, dass andere Ihnen geben sollen, was Sie sich nicht selbst erarbeiten wollen und geben Sie anderen nie ungefragt Ratschläge. Wir müssen uns alle den Weg selbst bahnen.

PROGRAMMATISCHER REGELPROZESS

Als programmatischer Regelprozess zeigt sich das Leben nicht als einfache, reibungslose Existenz, sondern in dauerndem Wechsel zwischen vollen und abgeernteten Feldern. Gemäss dem Prinzip der Resonanz widerspiegeln Schwierigkeiten in der Aussenwelt einen inneren Konflikt, der gelöst werden muss. Auch dem Umfeld der Traurigen oder Verzweifelten sei gesagt, dass Schlüsselfähigkeiten und Widerstandskraft nicht nur Verdienst sind, sondern auch Gnade, die wir zwar nicht einfordern, um die wir uns jedoch, wenn überhaupt, nur bemühen können. Das Leben ist Auftrag und Pflicht – ein Kampf, den nicht jeder aus der ersten Reihe und zu seinem Vorteil besteht. Etwas Glück gehört auch dazu und die Erwartung, dass sich das Leben mir nicht als Mangel, sondern als Füllhorn zeigen wird. Aus dem Gefühl der Benachteiligung kann ich keinen Erfolg haben.

Das Joch der Notwendigkeit gilt es aber immer klaglos und mit Zuversicht zu tragen. Darin liegt ein Gewinn, der erleichtert, flexibel und unabhängig macht. Man gibt, was gefordert ist, ohne Hilflosigkeit zu empfinden, sondern Normalität und lebt vorwärts mit Blick auf die Zukunft sowie Wertschätzung von erhaltener Unterstützung. Zu allem was war Danke, zu allem was sein wird Ja. Dankbarkeit und Respekt spielen im zwischenmenschlichen Miteinander eine zentrale Rolle.

Bei allem Schmerz, bei aller Trauer bedeuten Abschied und Loslassen auch Befreiung und Neues. Verzicht nimmt nicht, er gibt. Verzicht gibt Frieden und Kraft, er gibt Zeit für das Wesentliche, zum Beispiel für Menschen, denen auch an uns etwas liegt. Verzicht setzt Grenzen in einer grenzenlosen Welt. Nicht nur das, was man sich leistet, auch das, was man sich erspart, bringt Lebensqualität.

Wir sind nicht Opfer der Welt, sondern ihr Schöpfer. Das Leben ist ein dynamisches, kein statisches Gebilde und dem Neuen, das entstehen will, sollten wir Phantasie und damit Raum gewähren. Gleichwohl macht das Leben manchmal wirklich Opfer. Die Schwäche des Einzelnen ist nicht an allem schuld, wenn er zur falschen Zeit am falschen Ort war.

IMMER NUR HEUTE

Legen Sie Wert auf die Qualität der alltäglichen Dinge und leben Sie immer nur heute, Tag für Tag.

Entscheiden Sie sich zu einem mutigen Schritt, wenn dieser das Gebot der Stunde ist. Suchen Sie die Perle im Geschehen. Immer wieder neu anzufangen, ist nötig und möglich. Glauben Sie an Ihre Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit: Was du willst, will auch dich. Das Ziel heisst Teilen und Zuversicht, denn das Blatt kann sich jederzeit wenden. Wir wissen nur nicht wann. Das Glück kommt wann es will. Indem ich die Aufgabe frohen Mutes realistisch sehe, mich nicht selbst überschätze, sollte ich mir zutrauen, die Herausforderung zu bewältigen: Ich gebe mein Bestes. Seien Sie entschlossen, die Krise zu meistern, vielleicht mit den Worten von Johann Wolfgang von Goethe: „Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten, nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen, rufet die Arme der Götter herbei.“

Wenn wir positiv denken, ziehen wir das Glück an. Wenn wir negativ denken, wiederholen sich die schlechten Erfahrungen. Die Kunst besteht also darin, trotz schlechter Erfahrungen positive Erwartungen zu haben. Um positiv zu denken, brauchen wir Vorbilder, die das Glück – trotz allem – doch noch gefunden haben. Wenn Sie in der eigenen Biografie keine solchen Vorbilder finden, müssen Sie sie woanders suchen, zum Beispiel in diesem Buch mit seinen Erzählungen über Denkgesetze, Machbarkeiten und Zusammenhänge.

NICHTS IST FEST

Nichts ist fest, weder auf dieser Erde noch im Universum. Alles ist nur von kurzer Dauer. Ganz im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis ist Dauer kein gleichbleibender Zustand, sondern eine feste, rhythmische Bahn von wiederkehrenden Zyklen ohne Stillstand, ein ausgeglichenes Spiel von Kommen und Gehen, von Werden und Vergehen. Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich – auch mit uns immer wieder überraschender Geschwindigkeit, quasi von einer Sekunde zur anderen.

Entwicklung und Wachstum sind verlangt, nicht Mutlosigkeit und Stagnation. Im Gedicht mit dem lateinischen Titel „Invictus“ – „Unbezwungen“ gibt uns der britische Schriftsteller William Ernest Henley (1849–1903) den entsprechenden Imperativ mit: „I am the master of my fate, I am the captain of my soul!“ Gegen Befehle, ob von Menschen oder vom Schicksal, helfen nur Befehle, die ich mir selbst gebe. Ich entscheide, alles was geschieht, selbst in eine Form zu bringen, einer Bedrängnis oder Not die Stirn zu bieten und das Unheil umzuwandeln. Invictus meint, dass jeder ein Held ist, nämlich der seines eigenen Lebens.

KRITISCHES DENKEN UND SELBSTERFORSCHUNG

Unser Leben können wir am besten mit kritischem Denken und Selbsterforschung organisieren sowie mit philosophischen, religiösen oder wissenschaftlichen Konzepten. Die Philosophien, Religionen und Wissenschaften legen nahe, uns den Bewegungen der Höheren Ordnung anzuvertrauen und entspannt mit dem grossen Fluss des Lebens zum Ozean zu fliessen. Wie wir uns in einer erbarmungslos aussengesteuerten Gesellschaft nach innen richten und in unserer Seele die Ruhe bewahren, wie wir inmitten von Materialismus unsere Spiritualität nähren, wie wir das Mass der Möglichkeiten nicht überschreiten und wie wir im Rhythmus der Zeit auf unserem Weg vorrücken, davon handelt dieses Buch.

Die schwierige Aufgabe der erbaulichen Literatur besteht darin, mit einem Bündel an Sätzen deutlich zu machen, dass das Leben wert ist, gelebt zu werden: die Gefühle, die Fehler, die Konflikte, die Verantwortung. Ohne geistigen Sinn, ohne inneren Wertekompass, ist es unmöglich, sich dem Kurs aus Werden und Vergehen zu stellen und zu erkennen, dass auch das Ende der Reise die richtige Richtung ist, dass der Tod eine gute Sache ist. Das Prinzip der Vergänglichkeit ist ein Prinzip des Ausgleichs, der Harmonie in der Disharmonie. Wenn wir uns nicht dagegen auflehnen, erhalten wir ein Gefühl der Dringlichkeit und sind in Übereinstimmung mit der Ordnung einer lenkenden Kraft, die sich aber der Entdeckung durch unsere Sinne entzieht.

„BON COEUR CONTRE MAUVAISE FORTUNE“ – „KEEP CALM AND CARRY ON“

Die Devise der Franzosen „Gutes Herz gegen schlechtes Schicksal“ folgt dem Rat, sich in eigener Not den Lasten und Sorgen anderer Menschen zuzuwenden: klein das Meine, gross das Unsere.

Die Liebe und der Tod sind die beiden Themen, die alle Menschen verbinden. Die beiden anderen Themen sind die Pflicht und das Schicksal. Wir müssen bereit sein, uns selbst zu bewegen, statt zu erwarten, dass die Welt sich für uns andersherum dreht. Sinn kommt vom Leben, vom Tun. Etwas für andere zu tun, eine Bedeutung für andere zu haben, ist unverzichtbar für die eigene Psyche. Mitgefühl ist ein Beziehungswert, der das Verstehen des Anderen und sein Eingebundensein in Leben und Welt durch Zuhören betont. Eine gute Begegnung, auch erotischer Natur, ist ein schützenswerter Raum, ein Sanctuarium (Latein Heiligtum).

Der jüdische Arzt und Psychiater Viktor Frankl (1905–1997), Begründer der modernen Sinnforschung, beschreibt die im Konzentrationslager Auschwitz selbst erlebte Zuneigung unter den Gefangenen in seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“. Wer an den Fehlern seiner Mitmenschen, an menschlicher Grausamkeit zu zerbrechen droht, sollte sich bewusst machen, dass es nicht nur das Böse, die Niedertracht gibt. Es gibt auch das Gute, den selbstlosen Dienst, gar heldenhaften Einsatz vieler Menschen im Interesse anderer. Es gibt nicht nur Schikanen und Vernichtung, sondern auch die Komposition in Vollendung von Maurice Ravels „Boléro“, dem am meisten gespielten Werk der Orchesterliteratur.

In existentiellen Situationen verfügen wir über Kräfte, von denen wir noch nichts wissen. Wir sollten uns stets an die Durchhalteparole der Engländer während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gegen die Deutschen erinnern: „Ruhig bleiben und weitermachen“ ist das Motto in den Stürmen des Lebens im unvermessenen Gelände.

Eine buddhistische Parabel erzählt dazu: Ein Suchender kam an einem Klosterhof vorbei, in dem ein Mönch andächtig den Steinboden wischte. Er hielt inne und fragte den Mönch, was er tun würde, wenn er gerade erfahren hätte, dass er so schwer erkrankt sei, dass ihm nur noch kurze Zeit zu leben bliebe. Der Mönch antwortete: „weiterwischen“.

Vom Sinn des Lebens in der globalisierten Welt

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