Читать книгу Vom Sinn des Lebens in der globalisierten Welt - Petra Barg - Страница 17
ОглавлениеANTWORTEN DER PHILOSOPHIEN
ARISTOTELES – EINIGKEIT MIT SICH UND ANDEREN
Gemäss Aristoteles (384–322 v. u. Z.) streben alle Menschen von Natur aus nach Wissen, und es kommt darauf an, „ein Leben für sich zu wählen“ unter dem griechischen Ausdruck „Eudaimonia“. Häufig mit Glück übersetzt, ist der genaue Wortsinn, einen „guten Dämon“ in sich zu haben, eine Wohlgestimmtheit in sich selbst, in den Beziehungen zu anderen und zur Welt. Diese gelungene Lebensführung ist nicht eine zufällige Angelegenheit, nicht Besitz, Ehre oder Lust, sondern etwas von Dauer, ein Reichtum innerer Güter, verbunden mit einem Leben voller Freude und Hingabe. Wichtig ist die aktive Verwirklichung dieses Ideals als „Werk des Menschen“, seine charakteristische Lebensform.
Aristoteles erachtet als eines der wertvollsten seelischen Güter, das später – durch die Tora-Auslegung Jesu von Nazareth – fundamentales Gesetz des Christentums wurde: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ In der Freundschaft und Selbstfreundschaft wird das Glück gesucht. Jedoch gilt das nicht für die Art von Freundschaft, die um des Nutzens willen geschlossen wird, sondern nur für die wechselseitige Beziehung der Freunde um ihrer selbst willen, nicht abhängig von persönlichen Interessen und „unzugänglich der Verleumdung.“
Bei Aristoteles findet sich Freundschaft im höchsten Sinne bestätigt, in der man sich gegenseitig Anerkennung und Unterstützung erweist und im Bewusstsein lebt, von gleicher Abstammung zu sein und das gleiche Ziel zu verfolgen. Die Grundlage für Freundschaft mit anderen ist die Freundschaft mit sich selbst, um freie Beziehungen zu schaffen. Selbstfreundschaft gibt es nicht bei denen, die „mit sich uneins sind“, sich selbst fliehen, des Lebens überdrüssig sind und bei anderen nur Vergessen suchen. Sie teilen nicht Freud und Leid in der Gemeinschaft mit sich selbst. Ganz anders offenbart es sich bei denen, die ihr Selbstverhältnis klären, Einigkeit in sich selbst herstellen „und das verwirklichen, worin sie für sich das Beste erblicken.“
EPIKUR – FREUDE UND LUST
Auch Epikur (341–270 v. u. Z.) denkt an den griechischen Begriff „Eudaimonia“ im Leben. Wer diesen „guten Geist“ in sich umsetzt, ist im Alter noch jugendlich frisch, denn er hat Freude an dem, was war. Umgekehrt muss er, wenn er noch jung ist, keine Angst vor der Zukunft haben, denn er ist innerlich vorbereitet. Diese Gelassenheit fällt dem Menschen nicht einfach zu, sondern ist das Resultat einer zu leistenden Arbeit. „Sorge tragen muss man für das, was das Glück herstellt.“
Die sozialen Beziehungen – „der Gewinn von Freundschaft“ – spielen auch bei Epikur eine wichtige Rolle, vor allem aber die Lust, die „Anfang und Ziel des glückseligen Lebens“ darstellt. Sie gibt das Richtmass vor, nach dem jedes Gut zu beurteilen ist. Worin besteht die Lust, die hier als Sinn des Lebens gilt? Es geht nicht darum, jeder Lust blind zu folgen. Es handelt sich nicht um eine beliebige Lust: „Nicht jede Lust wählen wir“. Die Lust ist so zu wählen, dass sie nicht zu viel wird und stattdessen „über viele Gelüste hinwegzugehen“. Sogar das Unangenehme kann leichter in Kauf genommen werden um einer grösseren Lust willen.
Epikur misstraut der grossen Menge. Die Bedürfnisse sind zu regulieren, um nicht abhängig zu werden. Die Gier nach Überfluss ist einzudämmen, wenn die Lebensfreude – auch am Kleinsten – dauerhaft gesteigert werden soll. Der „Epikureer“ ist ein ausgeglichener Mensch, der seine Ängste besiegt, der in Harmonie mit anderen lebt, der sein Glück aus vielen kleinen Freuden des Lebens entnimmt. Glück entsteht nicht von allein. Glück muss aktiv realisiert werden. Ihren Wert erhalten die Stationen des Lebens aber nicht durch Einförmigkeit, sondern nur durch den Kontrast und die Vergänglichkeit.
SENECA – BESITZER SEINER SELBST
Der Stoiker Seneca (4 v. u. Z.–65 n. u. Z.) meint als hier genannter Dritter im Bunde antiker Philosophen, ein sicherer Besitzer seiner selbst solle man sein, im lateinischen Original „Securus sui possessor“. Derjenige, der sich selbst besitze, sei der Glücklichste, da er den nächsten Morgen ohne ängstliche Unruhe erwarte. Das erscheint als Ziel dessen, was Seneca so formuliert: „Eigne dich dir an“ – „Vindica te tibi“ und das Leitmotiv für das gesamte Werk darstellt. Eigne dich dir an, denn das Leben ist kurz. Die meisten Menschen kommen nicht zurecht mit dem Factum brutum, der reinen Tatsache ihrer Sterblichkeit, genauer gesagt mit der Zeitspanne, die sie uns lässt. Es ist aber nicht die Kürze des Lebens, die irritiert, sondern vielmehr unsere Lebensart – die fehlende Konzentration auf das Wesentliche.
Es geht um Selbstaneignung, die nach den Beobachtungen von Seneca meist nicht geleistet wird, das „Zurückzukommen auf sich“ – „Recurrere ad se“. Wir verbrauchen uns und unser Leben für andere und können so nicht mit uns selbst zusammen sein. Wenn die Selbstaneignung geleistet wird, dann ist die Ausgeglichenheit der Seele das Resultat. Doch ohne Einsamkeit keine Seelenruhe, das Glück liegt im Exil. Seelenruhe kann erreicht werden, wenn man sich Rechenschaft ablegt über die Voraussetzungen, physisch, psychisch, materiell, ideell, die man mitbringt, um nicht Unangemessenes von sich zu erwarten.
Um das Verhältnis zu sich selbst zu stärken, empfiehlt Seneca, unter anderem Freunde zu wählen, „deren Heiterkeit Schwermut zerstreut und deren Anblick allein schon erfreut“ und nichts zu besitzen. Jedenfalls „unseren Besitztümern enge Grenzen zu ziehen“, denn um Besitz muss man sich kümmern, während es darauf ankommt, sich selbst zu besitzen und nur sich selbst etwas zu schulden. Die gesamte Lebensweise sollte massvoll sein, um dem Schicksal weniger Angriffsflächen zu bieten, „zu weit ausgespannte Segel umwerben die Stürme.“ Ein Ertragen der Misslichkeiten ist möglich, wenn man es schafft, die Widrigkeiten für relativ leicht und unbedeutend zu halten.