Читать книгу Vom Sinn des Lebens in der globalisierten Welt - Petra Barg - Страница 8
ОглавлениеPHILOSOPHIE, RELIGION, WISSENSCHAFT – NATURGESETZE, WIRKUNGSWEISEN, ZUSAMMENHÄNGE
„Ich bin, ich weiss nicht wer
Ich komme, ich weiss nicht woher
Ich lebe, ich weiss nicht wie lang
Ich sterbe, ich weiss nicht wann
Ich gehe, ich weiss nicht wohin
Ich wundere mich, dass ich fröhlich bin.“
Seit dem Mittelalter beschäftigt sich die christliche Gemeinschaft mit diesem berühmt gewordenen Gedicht – mal als Vierzeiler, mal als Sechszeiler – eines unbekannten Verfassers. Martin Luther kannte den Vers und lehnte ihn als „Reim der Gottlosen“ ab. Die Christen wüssten, woher sie kämen und wohin sie gingen, nämlich von und zu Gott, getragen aus der Tiefe eines verankerten Plans. In einer seiner Sonntagspredigten antwortete er mit einem Gegenspruch:
„Ich lebe, so lange wie Gott will
Ich sterbe, wann und wie Gott will
Ich gehe und weiss wohin
Ich wundere mich, dass ich traurig bin.“
Ja was denn nun?
„Ich möchte gern, was auf der Erde und im Himmel ist, erfassen.“
Johann Wolfgang von Goethe
„Hebe deinen Blick von der Erde zum Himmel,
zu dieser bewundernswürdigen Ordnung.“ Leo Tolstoi
Besser entscheiden – Wofür zu leben sich lohnt
Der Durchreisecharakter und Tod sowie die Skepsis gegenüber dem Nachleben machen das eigene Leben fraglich. Gemäss dem deutschen Philosophen Wilhelm Schmid hat die Frage nach dem Sinn im 20. Jahrhundert an Intensität gewonnen, nachdem andere Epochen das Rätsel des Lebens weniger beschäftigte. Das vermehrte Interesse an Orientierung hat zweifellos mit der industriellen Entwicklung zu tun. In dieser Zeit zerbrachen viele Formen und Inhalte von Familie, Kultur und Religion sowie die darin verborgene Selbstgewissheit, der darin verborgene Sinn. Vor allem das Geheimnis des Glaubens stellte traditionell eine Bastion des Sinns dar. Glauben heisst nicht wissen und kann nicht allgemein verbindlich festgestellt werden.
Bei der Frage nach dem Ringen um den eigenen Lebenstraum, den Sinn des eigenen Lebens, geht es um die Bestimmung des Menschen, den kosmischen Prozess, die geistigen, moralischen, spirituellen und utilitaristischen Wahrheiten und Werte. Der Utilitarismus (Latein Nutzen), ist eine Form der zweckorientierten Ethik. Auf eine Grundformel reduziert, besagt er, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie den aggregierten Gesamtnutzen maximiert, das heisst die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen.
Nachhaltigkeit beispielsweise ist ein Kapital, nicht nur beim Umgang mit den Aussenposten wie Sonne, Luft oder Niederschlägen, sondern auch mit den irdischen Beständen wie Bodenschätzen, Pflanzen und Tieren sowie Wasser. Leben heisst verbrauchen, aber wir verbrauchen mehr Ressourcen als auf der Erde vorhanden sind und zerstören die Artenvielfalt durch Emissionen sowie globale Erwärmung. Nachhaltigkeit fordert, die Handlungen am Wohle aller auszurichten – auch der Generation, die unsere Welt erben wird –, das Negative zu meiden und das Positive zu wählen, zum Beispiel #Zero Waste der Lebensmittel.
Mit Nahrungsmitteln ist haushälterisch umzugehen, ohne sie tonnenweise zu vernichten. Die grobstofflichen Gaben für die Körperfunktionen sollten von wertvoller Qualität und geringer Quantität sein. Die feinstofflichen Gaben für Geist und Seele sollten von ebenso wertvoller Qualität sein. Es gilt, sich nichts einzuverleiben, nichts in sich hineinzufressen, sondern der Ernährung den Platz der Charakterpflege zuzuweisen. Die Beantwortung der Frage „Handelt es sich um aufbauende Kost?“ hilft in sämtlichen Bereichen weiter, auch beim Umgang mit den täglichen Nachrichten aus aller Welt.
Das Reich Gottes – weder Märchenland noch Geschäftsmodell
„Das Reich Gottes ist weder ein Märchenland noch ein Geschäftsmodell. Es geht um die neue Wahrnehmung einer uralten Welt.“ Das sagt die deutsche Schriftstellerin Felicitas Hoppe.
Jede Vorstellung von Gott ist zu klein, und unser Wirbeltiergehirn, gefolgt vom Säugetier- und Primatengehirn, ist nicht für einen direkten Zugang zum Übersinnlichen geschaffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Gott nicht erkannt, sondern nur erfahren werden kann – oder eben nicht. Für den Platz, den wir Gott einräumen, sind wir neuerdings selbst zuständig.
So scheint das Bedürfnis zu wachsen, die metaphysische Leere zu füllen, die sich nach Verdunstung der Religion und ihrer Rituale in weiten Teilen Europas ausgebreitet hat. Ursache dafür ist das Verschwinden eines religiös gefärbten kulturellen Untergrundes, der über alle Widrigkeiten des Lebens hinweg besagt, dass am Ende alles gut werden wird.
Die Tatsache, dass viele nicht mehr glauben können, sondern Antworten zu erhalten wünschen, wo es zu unserem eigenen Schutz letztlich keine gibt, macht die Materie nicht einfacher. Unendlichkeit ist nicht abstrakt, sie ist Teil des Kosmos. Es gibt da draussen etwas, das wir nicht verstehen, ein Geheimnis, das jenseits des Todes liegt. Im Glauben an dieses Mysterium sollten wir uns wohlfühlen und uns um unser Seelenheil kümmern, um Abstand, Perspektive und Weisheit.
Gesandte unseres eigenen Lebens
Einigkeit mit sich und anderen, Fürsorge, Lust, Seelenruhe: Antworten dieser Art hat die antike Philosophie gegeben, um so etwas wie den Sinn des Lebens festzuschreiben. Anstatt wie einst verpflichtende Antworten und Lebensmodelle von der Familie zu übernehmen, sind wir heute als Gesandte unseres eigenen Lebens aufgefordert, selbst zu denken. Die familiäre Herkunft und ihre Religion bildet aber nach wie vor unsere Identität: Wir sind Franzosen, wie wir Katholiken sind – seit der Vertreibung der Hugenotten im 17. Jahrhundert.
Durchblick und eigenes Urteilen verlangen das Verstehen der Existenz, von Naturgesetzen, Wirkungsweisen und Zusammenhängen. Dieses Verstehen ist die Grundlage, um die eigene Lebensführung zu bestimmen, dem Leben Halt, Richtung und Teilhabe zu geben. Wir gewinnen dadurch die Klarheit, einen eigenen Lebenssinn gemäss unseren Erfahrungen, Neigungen und unserem Wertekompass zu verwirklichen, ohne dabei eine Zone rein persönlicher Natur anzusteuern.
Sowohl als auch – oder und
An dieser Stelle beginnt nun unter der Optik von „sowohl als auch“ oder „und“ eine sinnstiftende, temporeiche Erzählung in ehrlichen, klaren Worten über die Dimensionen von Raum und Zeit, Energie und Materie sowie die Rolle des Menschen darin, die wir höchstens ansatzweise verstehen. Die Geschichte unserer Geschichte über Herkunft und Entwicklung ist nicht nur auf den abendländischen Kulturkreis bezogen. Die Geschichte unserer Geschichte hat Einfluss auf die Art, wie wir die Umwelt und uns selbst wahrnehmen. Die Geschichte unserer Geschichte transportiert Emotionen und Werte und unterliegt dem zeitlichen Wandel.